In der einschlägigen Literatur wird von sogenannten "Prozessverlusten" gesprochen, wenn die tatsächliche Gruppenleistung hinter der potenziellen Leistung der Gruppe zurückbleibt (Arnscheid, 1999; Aronson et al., 2008; Wilke & Wit, 2007). Diese Prozessverluste können in Motivations- und Koordinationsverluste differenziert werden.

Motivationsverluste

Motivationsverluste zeichnen sich dadurch aus, dass Individuen ihr Leistungspotenzial bei der Gruppenarbeit bewusst oder unbewusst nicht ausschöpfen bzw. nur zu einer verminderten Anstrengung bereit sind:

  • "Soziales Faulenzen" (Social Loafing): Ein Leistungsverlust bei gemeinsamen Arbeiten in Gruppen tritt bei den meisten Menschen fast automatisch ein, ohne dass sie sich dessen bewusst sind. Die Leistung wird in diesem Fall also nicht absichtlich reduziert. Studien belegen, dass es sich um einen relativ stabilen Effekt handelt, der unabhängig von der Aufgabenart und den Personenmerkmalen der Gruppenmitglieder auftritt.
  • "Trittbrettfahren" (Free Riding): Trittbrettfahrer treffen dagegen eine bewusste Entscheidung zur Leistungsreduktion: Sie verlassen sich darauf, dass ihr geringer Beitrag von den anderen nicht erkannt werden kann.
  • "Trotteleffekt" (Sucker-Effekt): Dieser Effekt beschreibt eine bewusste Reduzierung der eigenen Leistung, wenn eine Person befürchtet, in der Gruppensituation ausgenutzt, also zum "Trottel" gemacht zu werden. In diesem Falle verlassen sich möglicherweise Gruppenmitglieder auf die hohe Leistungsfähigkeit eines "Trottels" und bringen sich selbst weniger stark ein. Wenn der "Trottel" diese Haltung der anderen Gruppenmitglieder erkennt, reduziert auch dieser seine eigene Anstrengung und Leistung, da er es nicht einsieht, die Hauptlast der Arbeit zu tragen, wenn die anderen Gruppenmitglieder nicht so viel leisten wie er selbst.

Sowohl beim "Sozialen Faulenzen" als auch beim "Trittbrettfahren" profitieren die Gruppenmitglieder - vereinfacht ausgedrückt - von der Leistung der Gruppe, ohne jedoch selbst so viel zur Gruppenarbeit beizutragen, wie sie eigentlich könnten. Begünstigt werden beide Arten des Motivationsverlustes, wenn die Leistung einzelner Gruppenmitglieder nicht erkennbar bzw. feststellbar ist oder nicht separat beurteilt wird, sodass die Gruppenmitglieder auch ohne Einbringen ihrer potenziellen Leistung keine individuellen Nachteile erfahren (Latané, Williams & Harkins, 1979; Veiga, 1991).

Ursachen für Fehlentscheidungen

Die folgenden Prozesse gelten als wesentliche Ursachen für Fehlentscheidungen von Gruppen (van Avermaet, 2007):

  • "Gruppendenken" (Groupthink): Innerhalb einer Gruppe wird bei Gruppenentscheidungen oftmals die Herstellung eines Konsens wichtiger als eine Analyse aller - vor allem auch kritischer - zur Verfügung stehenden Informationen.
  • "soziale Hemmung" (Social Inhibition): Aus Angst vor einer negativen Bewertung durch die anderen Gruppenmitglieder werden - vor allem abweichende - eigene Ansichten und Meinungen nicht mehr geäußert; die individuellen Ressourcen werden der Gruppe somit nicht mehr vollständig zur Verfügung gestellt (Mullen & Johnson, 1991).
  • "Entrapment": Entrapment bezeichnet die Tendenz, Handlungen, in die bereits viele Ressourcen (Zeit, Geld, Aufwand, persönliche Identifikation mit der Handlung etc.) investiert wurden, trotz zunehmender Verluste fortzuführen oder ggf. noch zu intensivieren. Gruppen zeigen diese Tendenz zur "Fortführung" ebenso wie Einzelpersonen. Der Grund für ein solches, von außen betrachtet irrational erscheinendes Verhalten liegt oftmals in der Absicht, bereits erlittene Verluste wieder wettmachen zu wollen. Dieses Phänomen ist beispielsweise bei Spielsüchtigen zu beobachten, die zu immer höheren Einsätzen neigen, um vergangene Verluste aufzuwiegen.
  • "Risky Shift": Gruppen sind tendenziell bei ihren Entscheidungen risikobereiter als einzelne Personen.

Koordinationsverluste

Neben den Motivationsverlusten in Gruppen kann es auch zu Koordinationsverlusten kommen. Diese entstehen aufgrund mangelnder Abstimmung und/oder wenn die potenziell zur Verfügung stehenden Ressourcen nicht völlig ausgeschöpft werden. So führt eine fehlende zeitliche und inhaltliche Abstimmung der Bemühungen zu Prozessverlusten. Insbesondere beim Problemlösen und beim Entscheidungsfinden kommt der mangelnden Ressourcennutzung eine besondere Relevanz zu. So werden u. U. wichtige Informationen nicht, falsch oder unvollständig wiedergegeben oder berücksichtigt (Putz-Osterloh & Preußler, 1998), sodass Gruppen die Expertise einzelner Mitglieder erstaunlich schlecht nutzen können. In Gruppendiskussionen findet z. B. das Wissen ausgewiesener Experten nur ungenügend Berücksichtigung, weil Gruppen Informationen, über die nur einzelne Gruppenmitglieder verfügen, vernachlässigen und stattdessen die bereits bekannten Informationen stärker berücksichtigen (Larson, Christensen, Abbott & Franz, 1998). Neben diesen als "Secret Knowledge" oder "Hidden Profile" bekannten Prozessverlusten (Greitemeyer et al., 2003) finden tendenziell auch In...

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