Kanban-Boards: So optimieren Steuerberater ihre Kanzleiorganisation
Warum sich der Aufwand lohnt
„Die eine Hand weiß nicht, was die andere tut“ – dieser Satz fällt in vielen Kanzleien, wenn Fristen, Bewerbungen oder Mandantenanfragen parallel eintreffen und auch noch die kommende Weihnachtsfeier organisiert werden muss. Einen Überblick über all diese Themen zu behalten ist komplex.
Kanban-Boards machen solche Abläufe sichtbar und bieten eine einfache und schnell umsetzbare Lösung für diese Herausforderung:
Für jeden Aufgabenbereich wird ein Kanban-Board erstellt. Jede Aufgabe erhält eine Karte, jede Phase eine Spalte. Das Board zeigt in Echtzeit, was erledigt werden muss und wer zuständig ist. Darüber hinaus können auf den Karten mehrere Personen zusammenarbeiten.
Das macht Kanban-Boards zu einem hervorragenden Tool, um als Steuerberater oder Kanzleiinhaber Aufgaben zu koordinieren und den Bearbeitungsstand fortlaufend zu überwachen. Insbesondere für wiederkehrende Aufgaben (bspw. Recruiting) sind Kanban-Boards sinnvoll, da Sie zusätzlich den gewünschten Prozess abbilden können.
Kanban-Boards können für fast alle täglichen Aufgaben verwendet werden. Welche das konkret sind, wie Kanban-Boards funktionieren und warum Kanban-Boards große Vorteile für Steuerkanzleien bieten, beleuchten wir in diesem Artikel.
Kanban kurz erklärt
Kanban stammt aus dem Toyota-Produktionssystem der 1940er. Das Ziel: Verschwendung vermeiden („eliminate waste“). Heute versteht man unter Kanban-Boards „visuelle Prozesslandkarten“, die wie folgt aufgebaut sind:
- Spalten spiegeln die Arbeitsschritte wider (zum Beispiel „Eingang → Bearbeitung → Freigabe → Erledigt“).
- Karten repräsentieren einzelne Vorgänge – etwa eine Lohnabrechnung oder eine Stellenanzeige.
Vereinfachte Darstellung eines Kanban-Boards
Für jeden Aufgabenbereich (bspw. Mandatierung) kann ein Board angelegt werden. Zusätzlich können auf Kanban-Boards Prozesse definiert werden, die strukturiert abgearbeitet werden können.
Eigenorganisation: Ihr persönliches Mini-Board
Unser Tipp: Beginnen Sie mit einem privaten Kanban-Board: Links alle Aufgaben („To Do“), in der Mitte die aktuell bearbeiteten („In Arbeit“), rechts die erledigten. Viele Plattformen zeigen diese Karten zusätzlich in einer „Tasks“-Übersicht: So behalten Sie Fälligkeiten über alle Kanzlei-Boards hinweg im Blick. Ein morgendlicher Blick genügt, um den Tag realistisch zu planen.
Konkrete Anwendungsmöglichkeiten in der Kanzlei
Recruiting & HR
Stellenbesetzungen können zeitintensiv und unübersichtlich werden – insbesondere, wenn mehrere Personen im Auswahlprozess involviert sind. Ein Kanban-Board sorgt hier für klare Strukturen und Verantwortlichkeiten. Ein möglicher Prozess könnte wie folgt aussehen:
Im ersten Schritt landen alle eingehenden Bewerbungen im Bewerber-Board, differenziert nach Quelle (z. B. Website, Jobportal) und Status (z.B. vollständig, qualifiziert oder abgesagt).
Sobald eine Bewerbung alle Unterlagen enthält, wird die zugehörige Karte ins HR-Board verschoben. Dort durchläuft sie verschiedene Phasen – vom ersten Gespräch über das Angebot bis hin zur Vertragsunterzeichnung und dem Onboarding. Optional lassen sich auch ein Talent-Pool für spätere Einstellungen sowie eine Spalte für Absagen integrieren.
Ein Bewerber- und HR-Board könnte so aussehen:
- Spalten eines Bewerber-Boards: Eingang Website, → Eingang Jobportal,→ Vollständig, → Qualifiziert, → Abgesagt.
- Spalten eines HR-Boards: Bewerbungsgespräch 1,→ Bewerbungsgespräch 2, → Entscheidung, → Angebot,→ Vertrag, → Onboarding, → Talent-Pool,→ Abgesagt.
Mandantenanfragen & Mandatsabschluss
Auch im Bereich Mandatsgewinnung bringen Kanban-Boards Transparenz in die Abläufe. Anfragen, etwa über die Website oder durch Empfehlungen von Partnern, können zunächst im Anfrage-Board gesammelt werden. Nach der ersten Sichtung und Bewertung wandert die Anfrage in ein Mandatsabschluss-Board, in dem die Stationen vom Erstgespräch über das Angebot und die Vertragsunterzeichnung bis hin zum aktiven Mandantenstatus („Mandantenpool“) abgebildet werden. Absagen werden ebenfalls dokumentiert, was spätere Nachverfolgung oder Analyse erleichtert.
Ein Anfrage- und Mandatsabschluss-Board könnte folgende Spalten beinhalten:
- Anfrage-Board: Anfrage Website, → Anfrage Partner A,→ Anfrage Partner B, → Absage.
- Mandatsabschluss-Board: Erstgespräch,→ Angebot, → Vertrag,→ Onboarding, → Mandantenpool,→ Absage.
So lassen sich Akquise-Fortschritt und Auslastung minutengenau ablesen.
Jahresabschluss oder andere fachliche Prozesse
Nicht nur organisatorische, sondern auch fachliche Abläufe profitieren enorm von einem gut strukturierten Kanban-Board. Besonders bewährt hat sich dieses Vorgehen bei der Erstellung von Jahresabschlüssen, E-Bilanzen oder komplexen Steuererklärungen.
Ein fachliches Kanban-Board könnte folgende Spalten enthalten: To Do, → In Bearbeitung, → Freigabe StB, → Freigabe Mandant,→ Rechnung, → Abgeschlossen.
Jede Karte auf dem Board repräsentiert einen konkreten Vorgang, etwa einen Jahresabschluss oder eine Steuererklärung. Checklisten innerhalb der Karten erfassen die erforderlichen Einzelschritte – von der Belegprüfung bis zur finalen Übergabe. So wird der Fortschritt für alle Beteiligten transparent und planbar.
Wichtig: Aus Gründen des Datenschutzes und der Informationssicherheit werden sensible Arbeitsergebnisse (z. B. Dokumente oder Zahlen) nicht direkt auf der Karte hinterlegt. Stattdessen wird lediglich der Status erfasst, während die fachliche Arbeit selbst weiterhin in geschützten Systemen wie DATEV oder Unternehmen online stattfindet.
Kanzlei-Events organisieren
Ob Sommerfest, Weihnachtsfeier oder Teamausflug – Events benötigen oft mehr Organisation, als auf den ersten Blick sichtbar ist.
Ein typisches Event-Board könnte folgende Spalten enthalten: To Do,→ In Umsetzung, → Rückmeldung ausstehend, → Abgeschlossen.
Offboarding von Mitarbeitenden
Auch beim Austritt von Mitarbeitenden gibt es oft viele kleine, aber kritische To-dos, die schnell übersehen werden – insbesondere bei spontanen Wechseln. Ein standardisiertes Offboarding-Board schafft hier Sicherheit.
Standardkarten für Zugriffsentzug, Zeugnis, Hardware-Rückgabe sichern einen reibungslosen Abschied. Die Karte wandert auch hier von „To Do“ bis „Abgeschlossen“ und verhindert vergessene Schritte.
Klare Zuständigkeiten und Zugriffe
Kanban funktioniert nur, wenn jederzeit klar ist, wer wofür verantwortlich ist – sonst wird das Board schnell zur bunten Pinnwand. Legen Sie deshalb pro Board genau eine Hauptverantwortliche Person fest. Diese Person ist Admin, priorisiert Karten und entscheidet über neue Mitglieder.
Ebenso gehört auf jede Karte eine eindeutige Verantwortliche Person. Weitere Mitarbeitende dürfen gern als Unterstützer hinzugefügt werden, doch nur eine Person trägt die finale Verantwortung für den Fortschritt.
Begrenzen Sie Zugriffsrechte strikt: Auf einem Bewerber-Board hat die Lohnbuchhaltung nichts zu suchen, auf dem Weihnachtsfeier-Board nicht das komplette Steuerteam. So bleiben vertrauliche Daten geschützt und die Übersicht erhalten.
Erinnerungen und Notifications
Jede Karte braucht drei Pflichtangaben: eine aussagekräftige Aufgabenbeschreibung, eine hauptverantwortliche Person und eine Frist. Nur so wissen alle Beteiligten, was genau zu tun ist und bis wann.
Aktivieren Sie E-Mail- oder In-App-Benachrichtigungen für Fälligkeits- und Statusänderungen. Die Verantwortlichen behalten ihre Deadlines im Blick, und Kanzleiinhaber sehen in der Board-Übersicht sofort, welcher Vorgang feststeckt.
Kanban-Netiquette – Spielregeln für saubere Boards
- Keine leeren Karten: Titel, Beschreibung, Fälligkeitsdatum und ggf. Checkliste sind Pflicht – sonst wird die Aufgabe nicht angelegt.
- Kommentarfeld ≠ Chat: Nutzen Sie Kommentare nur für Rückfragen oder Statusmeldungen. Endlose Small-Talk-Threads machen Karten unübersichtlich.
- Phasen sauber halten: Eine Karte darf nur in der Spalte liegen, deren Arbeitsschritt tatsächlich begonnen wurde. „Parken“ in falschen Spalten verwässert den Überblick.
- Regelmäßiges Aufräumen: Verantwortliche prüfen ihr Board wöchentlich, schließen erledigte Karten und löschen Karteileichen.
Automatisierung
Karten können händisch erstellt und gepflegt werden. Es besteht allerdings auch die Möglichkeit, mit Automatisierungen zu arbeiten.
Wenn bspw. ein potenzieller Mandant das Kontaktformular ausfüllt und abschickt, wird bspw. direkt eine entsprechende Karte mit allen Informationen erstellt und die zuständige Person erhält eine Benachrichtigung.
- Leads direkt ins Board: Ein Website-Formular oder eine Stellenanzeige kann automatisch eine neue Karte anlegen. Möglich wird das durch Board-eigene Automationen oder Schnittstellen-Dienste wie Make oder Zapier.
- Folgeaktionen anstoßen: Wird eine Bewerbungs-Karte in „Gespräch vereinbaren“ verschoben, prüft ein verknüpfter Kalender-Dienst freie Slots und verschickt automatisch eine Einladung – vorausgesetzt, die Karte enthält strukturierte Daten zu Mailadresse und Namen.
- Musterkarten & Vorlagen: Für wiederkehrende Abläufe (z. B. Onboarding) speichern Sie eine Vorlage mit Checklisten. Beim Duplizieren bleibt die Qualität konstant.
Kosten
Es gibt zahlreiche Anbieter für Kanban-Boards. Die Tools funktionieren grundsätzlich ähnlich. Die meisten Anbieter bieten kostenlose Varianten an (bspw. 3 Boards). Für welchen Anbieter Sie sich entscheiden, ist abhängig von den zu verarbeitenden Daten (Datenschutz beachten) und Ihrer persönlichen Präferenz.
Datenschutz nicht vergessen
Sobald personenbezogene Daten im Spiel sind, gilt die DSGVO:
- Toolwahl: Wählen Sie einen Anbieter mit Serverstandort in der EU und schließen Sie einen Auftragsverarbeitungsvertrag.
- Datenschutzerklärung erweitern: Zweck, Datenkategorien und Speicherdauer der Kanban-Nutzung müssen genannt werden.
- Lösch- und Archivierungsfristen: Legen Sie fest, wann Karten mit Bewerber- oder Mandantendaten gelöscht oder anonymisiert werden.
- Zugriff steuern: Sensible Boards nur für den notwendigen Personenkreis freigeben; getrennte Boards pro Thema erleichtern das.
- Inhalte minimieren: Arbeitsergebnisse (z. B. Steuererklärungen) nicht auf Karten speichern, sondern in geschützten Systemen ablegen und nur den Status im Board abbilden.
- Mitglieder über geschäftliche Mail einladen: Achten Sie darauf, dass die Mitglieder der Boards diesen mit Ihren geschäftlichen E-Mailadresse beitreten. Andernfalls werden sensible Daten privat zugänglich.
Erfolgsfaktoren für Ihr Kanban
- Klare Rollen: Wer legt Karten an, wer priorisiert, wer nimmt ab? Regeln Sie das schriftlich.
- Wenige Spalten, klare Definition: Jede Karte befindet sich genau in der Phase, die die Spalte beschreibt; sonst entsteht Chaos.
- Regelmäßige Pflege: Als Führungskraft prüfen Sie Boards wöchentlich, entfernen Karteileichen und priorisieren neu.
Fazit
Kanban-Boards sind eine Methodik, die Ihnen und Ihrem Team sofort Übersicht verschafft – vom Recruiting bis zum Jahresabschluss. Starten Sie mit einem persönlichen Mini-Board, testen Sie ein bis zwei Kanzlei-Prozesse und bauen Sie dann Vorlagen und Automatisierungen ein. Achten Sie auf Datenschutz und halten Sie Ihre Boards schlank. Schon nach wenigen Wochen werden Sie merken: Die rechte Hand weiß endlich, was die Linke tut – und beide haben weniger Stress.
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