Kindergeld für ein nicht arbeitssuchend gemeldetes Kind

Ein noch nicht 21 Jahre altes Kind ist nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 EStG zu berücksichtigen, wenn es nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht und bei der Agentur für Arbeit im Inland als arbeitsuchend gemeldet ist. Fraglich ist, ob für den Kindergeldanspruch eine Meldung als Arbeitsuchender auch dann zwingend erforderlich ist, wenn das Kind aufgrund einer Erkrankung (vorübergehend) arbeitsunfähig ist.  

Beispiel Arbeitsunfähigkeit

Der 19 jährige A beendete im Februar 2015 seine Berufsausbildung und arbeitete seitdem Vollzeit in seinem Ausbildungsbetrieb. Am 30.4.2015 erlitt A einen Arbeitsunfall. Kurz vor diesem Zeitpunkt stand schon fest, dass das Arbeitsverhältnis zum 1.7.2015 endet. Aufgrund des Arbeitsunfalls war A bis 16.10.2015 arbeitsunfähig. Am 19.10.2015 meldete er sich bei der Agentur für Arbeit als Arbeitsuchend.

Es ist durchaus nachzuvollziehen, dass man sich in vergleichbaren Fällen die Frage stellen könnte, ob die Meldung als Arbeitsuchender Sinn macht, wenn im Falle einer längeren Arbeitsunfähigkeit eine Vermittelbarkeit nicht gewährleistet ist.

Finanzgerichte legen Gesetzeswortlaut streng aus

Das FG Düsseldorf (Urteil v. 6.11.2014, 14 K 1085/13 Kg) und das FG Köln (Urteil v. 10.3.2016, 1 K 560/14) vertreten allerdings die Auffassung, dass auch ein arbeitsunfähiges, beschäftigungsloses Kind im Rahmen von § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 EStG nur zu berücksichtigen ist, wenn es als Arbeitssuchender gemeldet ist. Für eine ausnahmsweise Berücksichtigung beschäftigungsloser Kinder ohne entsprechende Meldung lasse der Gesetzestatbestand keinen Raum. Dies ergäbe sich bereits aus dem eindeutigen Gesetzeswortlaut, der die Arbeitsuchendmeldung als zwingende Voraussetzung der kindergeldrechtlichen Berücksichtigung für beschäftigungslose Kinder statuiert.

Eine Berücksichtigung abweichender Ausnahmekonstellationen scheide im Übrigen auch angesichts des Typisierungscharakters der Norm aus. Die Finanzgerichte schränken allerdings ein, dass eine Meldung für eine Kindergeldberücksichtigung möglicherweise überflüssig wäre, wenn die Arbeitsunfähigkeit nicht als vorübergehend anzusehen ist, sondern über einen Zeitraum von 3 Monaten hinausgeht. 

Praxis-Tipp: Großzügigere Auffassung der Familienkassen

Bei den Familienkassen wird in der Regel eine großzügigere Auffassung vertreten. Danach ist eine Berücksichtigung auch in dem Zeitraum möglich, in dem das Kind wegen Erkrankung nicht bei der Agentur für Arbeit Arbeitsuchend gemeldet ist. Eine Berücksichtigung während einer Erkrankung setzt allerdings voraus, dass diese und das voraussichtliche Ende der Erkrankung durch eine ärztliche Bescheinigung nachgewiesen werden.

Ist nach den ärztlichen Feststellungen das voraussichtliche Ende der Erkrankung nicht absehbar, ist zu prüfen, ob das Kind wegen einer Behinderung nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG berücksichtigt werden kann. Unmittelbar nach Ablauf von 6 Monaten hat die Familienkasse nach Vorlage eines amtsärztlichen Gutachtens oder einer ärztlichen Bescheinigung des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung zu entscheiden, ob das Kind noch berücksichtigt werden kann; auch aus dem Gutachten oder der Bescheinigung muss das voraussichtliche Ende der Erkrankung hervorgehen.

Meldet sich das Kind nach Wegfall der Hinderungsgründe nicht unmittelbar bei der zuständigen Agentur für Arbeit im Inland als arbeitsuchend, ist die Festsetzung ab dem Monat, der dem Monat folgt, in dem die Hinderungsgründe wegfallen, aufzuheben (DA-KG 2015 A 13.2 Abs. 1). Dementsprechend sollte hier der Gewährung von Kindergeld für die Monate Juli bis September 2015 nichts im Wege stehen, sofern die Eltern von A der Familienkasse die Erkrankung mit einer ärztlichen Bescheinigung nachweisen können.

Revisionsverfahren anhängig

Wie der BFH aber § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 EStG auslegt, werden die anstehenden Revisionsverfahren zeigen (Az. des BFH: III R 19/15 und V R 17/16).  

Schlagworte zum Thema:  Kind, Kindergeld, Arbeitsunfähigkeit