Porsche-Deal: VW nutzt Umwandlungssteuerrecht geschickt aus

Der Paragrafendschungel der deutschen Steuergesetze kann mitunter wie eine Wundertüte daherkommen. Im Fall des blockierten Zusammenschlusses der Autobauer VW und Porsche zum Beispiel ist eine einzige VW-Stammaktie plötzlich unglaubliche 4,46 Milliarden Euro wert.

Normalpreis dieser Tage: etwa 120 Euro. Der am Mittwoch offiziell bekanntgegeben Coup zwischen den Wolfsburgern und den Schwaben dürfte Wirtschaftsgeschichte schreiben.

Selbst Experten staunen über das Konstrukt, betonen aber, dass alles rechtens sei. Das Geschäft rieche weder nach Steuerbetrug noch bewege es sich in einem Interpretationsspielraum, der zwei Meinungen zulasse. Und aus betriebswirtschaftlicher Sicht sei es sowieso die beste Lösung. Endgültig zusammen, können beide Partner mehr sparen.

Die Ausgangslage

Als Folge des verlorenen Übernahmekampfs der Porsche-Dachgesellschaft Porsche SE gegen die Volkswagen AG vor rund vier Jahren stehen sowohl der Weltkonzern VW als auch das reine Porsche-Sportwagengeschäft (Porsche AG) mehrheitlich unter dem Dach der Porsche SE. Diese Konstellation macht - vereinfacht gesagt - alle drei Beteiligten zu einem Großunternehmen. Damit greifen Bestimmungen, die für VW ein Riesenvorteil sind. Anders als befürchtet, darf VW den noch fehlenden Teil des Sportwagengeschäfts der Porsche AG nun steuerfrei eingemeinden. Diese Hürde hatte den lange gewünschten Zusammenschluss viele Monate blockiert, nachdem der Ursprungsplan - eine komplette Verschmelzung aller Beteiligten - an Milliardenklagen gegen die Porsche SE gescheitert war. Investoren fühlen sich nämlich rückblickend bei der Übernahmeschlacht betrogen.

§ 20 UmwStG

In diesem "Großunternehmen" passiert jetzt folgendes: § 20 UmwStG erlaubt es, dass einzelne Einheiten untereinander Werte verschieben - quasi verkaufen - ohne dass dabei Steuerlasten fällig werden. "Man veräußert unternehmensintern gewissermaßen an sich selbst, ohne dass diese Umstrukturierung nach außen tritt auf den Markt", sagt ein Professor, der an der Nahtstelle zwischen Betriebswirtschaft und Steuerlehre forscht. Der Ursprung dieses Gesetzes reiche fast 100 Jahre zurück bis zum Reichsfinanzhof. Schon damals sei es erklärtes Ziel gewesen, Unternehmen flexible Chancen zur internen Aufstellung zu gewähren, ohne dass dabei Steuerbegehrlichkeiten diese für die Betriebe womöglich bitter nötigen Weichenstellungen erschweren.

Neue Gruppierung

"So wie jetzt bei VW und Porsche wird sich eigentlich intern nur neu gruppiert", sagt der Wissenschaftler, der viele Jahre für eine der vier weltgrößten Beratungs- und Wirtschaftsprüfungsgesellschaften arbeitete. Jedoch räumt er ein, dass in der genannten Sache ein Sonderfall vorliege. "Die haben dabei schon sehr pointiert gedacht", sagt er. Man könnte auch formulieren, VW und Porsche hätten auf völlig legaler Basis das Maximum dessen herausgekitzelt, was auch jedem Wettbewerber in der gleichen Situation erlaubt gewesen wäre.

Erlaubte Gestaltungsmöglichkeit

Kern des Deals ist, dass VW den grundsätzlich steuerpflichtigen Kauf der noch ausstehenden zweiten Hälfte der Porsche AG als eine - ausdrücklich legale - Umstrukturierung ausweist. Die ist steuerfrei. Das Delikate an der Sache: Normalerweise fließt bei einem Geschäft dieser Art kein Geld. Für gewöhnlich ist es ein Anteilstausch. Für die noch ausstehende Hälfte der Porsche AG - wie Porsche und VW am Mittwoch mitteilten ist sie 4,5 Milliarden Euro wert - hätten also eigentlich VW-Aktien zum Gegenwert fließen sollen. Nun aber wandert eben nur eine Aktie plus die Milliardensumme in den Süden. Diese Gestaltungsmöglichkeit ist das Extrem, aber erlaubt.

Eine einzige Aktie reicht aus

"Die Wertgleichheit beim Anteilstausch ist nur das Grundprinzip", sagt der Steuerrechtsexperte. Das Gesetz ermögliche, den Umbau statt mit Anteilen auch mit Geld zu verrechnen und Aktien und Bares dabei in der Waagschale zu variieren. Einzige Bedingung: Das Ganze muss so ablaufen, dass der die Anteile übernehmende Partner - in diesem Fall die Porsche SE - nach dem Deal die Mehrheit am anderen Partner hat. Und nun kommt der eigentliche Trick ins Spiel: Weil die Porsche SE ja sowieso schon die VW-Mehrheit hielt, reicht eine einzige Aktie aus. Sie wird so 4,5 Milliarden Euro teuer - dank des Steuergesetzes ist sie damit rein rechnerisch wohl das wertvollste Papier der Welt.

Betriebswirtschaftlich sinnvolle Maßnahme

hat man da zugegebenermaßen die Möglichkeit voll ausgereizt. Aber es bleibt dabei: Die Rechtslage ist eindeutig und erlaubt das", sagt der Steuerrechtsprofessor. Der mit dicker Kriegskasse ausgestattete VW-Konzern schiebe innerhalb der Familie Bargeld dorthin, wo es die noch immer milliardenschwer verschuldete Porsche SE dringend benötige. "Betriebswirtschaftlich ist das eine sehr sinnvolle Maßnahme", sagt der Fachmann. Und ein Insider aus dem Kreis der Unternehmen, der an Lösungen für die blockierte Übernahme tüftelte, sagt: "Das ist einfach genial und trotzdem genial einfach."

Kauf wäre 2014 sowieso steuerfrei

Die Politik klagt längst, dass dem Fiskus mit diesem Hintertürchen bis zu 1,5 Milliarden Euro Steuern entgingen. Doch das ist nur eine sehr theoretische Rechnung - denn für den Staat war diese Summe nie sicher, da VW immer die Wahl hatte, Porsche erst 2014 zu übernehmen, wenn der Kauf nach einer Wartezeit sowieso steuerfrei gewesen wäre. So sieht das auch der VW-Konzernbetriebsratschef Bernd Osterloh. Er ließ am Mittwoch erklären: "Weder der Vorstand noch der Aufsichtsrat hätten unter solch wirtschaftlich negativen Bedingungen eine vorgezogene Übernahme der restlichen Anteile an Porsche durch Volkswagen beschließen dürfen. Das wäre strafbar gewesen." Osterlohs Sprecher zufolge werden mit dem jetzigen Deal etwa 100 Millionen Euro Steuern diverser Art fällig, die Mitte 2014 entfallen wären. VW-Finanzchef Hans Dieter Pötsch hatte schon argumentiert, dass der schnellere Einbau von Porsche noch vor 2014 höhere Gewinne bringen und so am Ende auch mehr Steuerzahlungen zur Folge haben könnte.

dpa
Schlagworte zum Thema:  Umwandlung, Einbringung