Nichtabziehbarkeit von Beiträgen zur Arbeitslosenversicherung

Schon seit dem Jahr 2012 ist umstritten, ob die Beiträge von Arbeitnehmern zur Arbeitslosenversicherung in vollem Umfang als Sonderausgaben im Rahmen der Einkommensteuerfestsetzung abgesetzt werden können.

Derzeit sind höchstens 1.900 EUR absetzbar, wobei dieser Freibetrag in der Regel schon durch die in vollem Umfang absetzbaren Basisbeiträge zur Krankenversicherung aufgebraucht wird, und sich daher die Beiträge zur Arbeitslosenversicherung in fast allen Fällen steuerlich nicht auswirken.

Arbeitslosengeld unterliegt dem Progressionsvorbehalt

Das Arbeitslosengeld unterliegt dem sog. Progressionsvorbehalt nach § 32b EStG. Dadurch erhöht sich der Steuersatz für das übrige steuerpflichtige Einkommen. Aufgrund dieses Progressionsvorbehalts wird die Auffassung vertreten, dass auch die Beiträge zur Arbeitslosenversicherung steuerlich abziehbar sein müssten, oder zumindest der sog. negative Progressionsvorbehalts nach § 32b EStG anzuwenden sei, was ebenfalls zu einer Steuerminderung führen würde.

Verfahren beim BVerfG und BMF-Schreiben

Nach der ablehnenden Entscheidung des BFH vom 16.11.2011 (X R 15/09, Haufe Index 2906952) ist die Frage der steuerlichen Berücksichtigung der Beiträge zur Arbeitslosenversicherung bereits seit dem Jahr 2012 beim BVerfG  unter dem Az. 2 BvR 598/12 anhängig.

Das BMF hat durch sein Schreiben v. 7.2.2014 (Haufe Index 6465487) angeordnet, dass sämtliche Einkommensteuerfestsetzungen, bei denen dies noch verfahrensrechtlich möglich ist, hinsichtlich des negativen Progressionsvorbehalts von Arbeitslosenbeiträgen für vorläufig zu erklären sind. Allerdings soll dies nur dann gelten, wenn in der Steuerfestsetzung Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit erfasst werden.

Dieser Vorläufigkeitsvermerk ist in 2 Punkten problematisch:

  1. Der Vorläufigkeitsvermerk bezieht sich nur auf den Abzug im Wege des sog. negativen Progressionsvorbehalts; der Abzug der Arbeitslosenbeiträge in voller Höhe wird nicht vom Vorläufigkeitsvermerk erfasst.
  2. Für vorläufig werden nur Steuerbescheide mit Arbeitnehmereinkünften erklärt.

Verfahren beim BFH

Das FG Baden-Württemberg hat mit Urteil v. 25.7.2016 (6 K 1130/12, Haufe Index 10526891) entschieden, dass hinsichtlich der Beiträge an die Bundesanstalt für Arbeit (heute: Beiträge zu Versicherungen gegen Arbeitslosigkeit) in den Jahren 1997 und 1998 weder ein Sonderausgabenabzug in voller Höhe noch eine Berücksichtigung im Wege des negativen Progressionsvorbehalts verfassungsrechtlich geboten sei (Anschluss an BFH, Urteil v. 16.11.2011, X R 15/09, Haufe Index 2906952). 

Da das FG im Hinblick auf die beim BFH ruhenden Verfahren Az X R 38-41/09 die Revision gemäß § 115 Abs. 2 Satz 1 FGO zugelassen hatte, haben die Kläger Revision eingelegt, welche beim BFH unter dem Az. X R 30/16 geführt wird.

In diesem Verfahren muss der BFH erneut klären, ob es das verfassungsrechtlich als Grundprinzip anerkannte subjektive Nettoprinzip oder das objektive Nettoprinzip über das verfassungsrechtlich verankerte Prinzip der Folgerichtigkeit gebietet, einen unbeschränkten Abzug der Beiträge zur Bundesanstalt für Arbeit als unbeschränkt abzugsfähige Sonderausgaben oder als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit zuzulassen. Außerdem muss der BFH klären, ob das verfassungsrechtliche Prinzip der Folgerichtigkeit eine Berücksichtigung der Beiträge zur Bundesanstalt für Arbeit im Rahmen eines negativen Progressionsvorbehalts erfordert.

Es ist jedoch davon auszugehen, dass der X. Senat des BFH - wie schon in den Fällen X R 38 -41/09 - das Verfahren bis zur Entscheidung des BVerfG im Verfahren 2 BvR 598/12 ruhen lässt.

Praxis-Tipp zu Problem 1 des Vorläufigkeitsvermerks 

Wer sich den vollen Abzug der Beiträge zur Arbeitslosenversicherung offen halten will, muss trotz Vorläufigkeitsvermerk Einspruch gegen den betreffenden Steuerbescheid einlegen.

Praxis-Tipp zu Problem 2 des Vorläufigkeitsvermerks

Selbstständige, dies sich freiwillig gegen Arbeitslosigkeit versichern und den Abzug der Beiträge als Sonderausgaben erreichen wollen, sind  gezwungen, gegen die Steuerbescheide Einspruch einzulegen und das Ruhen des Verfahrens zu beantragen.