Entscheidungsstichwort (Thema)
Änderung tarifvertraglicher Dynamisierungsregelung für laufende Betriebsrenten. statische oder dynamische Verweisung. Auslegung eines Aufhebungsvertrages. Umfang der Rechtskraft – Streitgegenstand
Orientierungssatz
1. Soweit Arbeitsvertragsparteien auf Versorgungsordnungen Bezug nehmen, handelt es sich in der Regel um eine dynamische Verweisung.
2. Die Verweisung auf den jeweils geltenden Tarifvertrag gilt auch noch nach dem Eintritt des Versorgungsfalles.
3. Die verfassungsrechtlich geschützte Tarifautonomie (Art. 9 Abs. 3 GG) verlangt eine diesem Grundrecht entsprechende Zurückhaltung bei der Inhaltskontrolle von Tarifverträgen.
Normenkette
BetrAVG §§ 1, 16; BGB §§ 133, 157; GG Art. 9 Abs. 3; ZPO § 322 Abs. 1
Verfahrensgang
Tenor
1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamburg vom 7. Mai 1999 – 3 Sa 101/98 – wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob es für die Erhöhung der laufenden Betriebsrente des Klägers auf die Entwicklung des Brutto- oder des Nettovergleichseinkommens ankommt.
Der Kläger war vom 1. Juli 1958 bis zum 31. Dezember 1981 bei der Beklagten beschäftigt, zunächst auf Grund eines befristeten Arbeitsvertrages vom 15./29. Juli 1958 und im unmittelbaren Anschluß daran auf Grund eines unbefristeten schriftlichen Arbeitsvertrages, der verlorenging. Unstreitig wurde das gleiche Vertragsformular verwandt wie beim Abschluß des befristeten Arbeitsvertrages. § 7 dieses Formularvertrages lautet:
„Der NDR gibt dem Arbeitnehmer eine Versorgungszusage.
Rechte aus der Versorgungszusage entstehen, wenn eine Wartezeit von zehn Jahren erfüllt ist, von denen mindestens drei Jahre im ununterbrochenen unbefristeten Arbeitsverhältnis beim NDR geleistet sein müssen.
Eine Urkunde über die Versorgungszusage wird ausgehändigt nach einjähriger Betriebszugehörigkeit im unbefristeten Anstellungsverhältnis an männliche Arbeitnehmer, die das 27. Lebensjahr, an weibliche Arbeitnehmer, die das 30. Lebensjahr vollendet haben, es sei denn, daß der Arbeitnehmer bis zur Erreichung der Altersgrenze die zehnjährige Wartezeit nicht erfüllt.”
Zwischen den Parteien ist streitig, ob in § 11 „Besondere Vereinbarungen” des unbefristeten Arbeitsvertrages ebenso wie im befristeten Arbeitsvertrag vom 15./29. Juli 1958 folgender Satz enthalten war:
„Im übrigen gelten die Bestimmungen des jeweils vom Norddeutschen Rundfunk angewandten Tarifvertrages und die beim Norddeutschen Rundfunk geltenden Ordnungen und Richtlinien in ihrer jeweiligen Fassung.”
Mit Aufhebungsvertrag vom 23./27. Februar 1981 beendeten die Parteien das Arbeitsverhältnis zum 31. Dezember 1981. Sie vereinbarten in § 4 des Aufhebungsvertrages:
„Ab 1. Januar 1982 zahlt der NDR Herrn S. eine vorgezogene Altersrente in Höhe von 60 % und eine Ausgleichsrente in Höhe von 15 % des Endgehalts der Vergütungsgruppe 1.
Im übrigen gelten die Bedingungen der tarifvertraglichen Versorgungsvereinbarung. § 8 Ziff. 3 a) gilt mit der Maßgabe, daß ein Anspruch auf Witwenrente auch dann besteht, wenn die Ehe erst nach dem Beginn des Bezuges der vorgezogenen Altersrente, aber vor Vollendung des 65. Lebensjahres geschlossen wird.”
Damals galt die tarifliche Versorgungsvereinbarung vom 1. November 1973. Sie regelte die Berechnung der Betriebsrente wie folgt:
„§ 4
Ruhegeldfähiges Einkommen und Beschäftigungszeit
(1) Die Höhe der Rente richtet sich nach dem ruhegeldfähigen Einkommen und der Beschäftigungszeit.
(2) …
(3) Werden die Grundgehälter der Arbeitnehmer des NDR allgemein verändert, so verändert sich das ruhegeldfähige Einkommen entsprechend.”
Die Tarifverträge vom 1. Juli 1981 und vom 29. Juli 1985 änderten zwar die Versorgungsvereinbarung, nicht aber deren § 4 Abs. 1 und 3.
Die Beklagte zahlte dem Kläger lediglich während des vorzeitigen Ruhestandes 60 % des ruhegeldfähigen Einkommens und ab dem 65. Lebensjahr nur noch 59 %. In dem daraufhin zwischen den Parteien geführten Rechtsstreit – 5 Ca 317/88 – hat das Arbeitsgericht Hamburg am 13. Juni 1989 folgendes Urteil verkündet:
„Es wird festgestellt, daß die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger eine Altersrente in Höhe von 60 % des ruhegeldfähigen Einkommens an Stelle der von der Beklagten anerkannten 59 % zu zahlen.”
Mit Tarifvertrag vom 13. März 1997 wurde die Versorgungsvereinbarung (VV) neu gefaßt. § 4 Abs. 1 blieb unverändert. § 4 Abs. 3 lautet seither wie folgt:
„Werden die Grundgehälter der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer des NDR allgemein verändert, so verändert sich das ruhegeldfähige Einkommen entsprechend. Zu diesem Zeitpunkt gezahlte Renten werden in demselben prozentualen Umfang angepaßt, in dem sich das jeweilige Nettovergleichseinkommen ändert.”
Der geänderte § 4 Abs. 3 VV trat am 1. März 1997 in Kraft. Mit Schreiben vom 8. April 1997 teilte die Beklagte dem Kläger mit:
„zum 1. März 1997 sind die Grundgehälter um 1 % angehoben worden. Gleichzeitig ist ein neuer Versorgungstarifvertrag in Kraft getreten. Die Rentenanpassung erfolgt jetzt auf einer neuen Berechnungsgrundlage. Deshalb erhalten Sie nunmehr die Rentenanpassung in dieser Form anstelle des bisherigen Rentenbescheides. Maßgeblich ist der Steigerungsfaktor des Nettovergleichseinkommens zwischen der letzten und dieser Gehaltserhöhung in der Vergütungsgruppe, die ihrer Rentenberechnung zugrunde liegt …
Für ihre Rentenanpassung ergibt sich folgendes:
…
In der Vergütungsgruppe (01/6), die Ihrer Rentenberechnung zugrunde liegt, ergibt sich keine Steigerung des Nettovergleichseinkommens. Deshalb wird die Rente nicht erhöht.”
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, der durch den Tarifvertrag vom 13. März 1997 geänderte § 4 Abs. 3 VV gelte nicht für seine Versorgungsansprüche. Der unbefristete Arbeitsvertrag habe im Gegensatz zum befristeten Arbeitsvertrag vom 15./29. Juli 1958 keine dynamische Verweisung auf die jeweils von der Beklagten angewandten Tarifverträge enthalten. Gegenstand der späteren Versorgungszusagen seien nur die Versorgungsvereinbarungen vom 8. November 1965 bzw. 1. November 1973 gewesen. Im übrigen seien durch den Aufhebungsvertrag vom 23./27. Februar 1981 alle früheren Vereinbarungen aufgehoben worden. Der Aufhebungsvertrag verweise statisch auf die damals geltenden Versorgungsregelungen. Spätere Änderungen hätten den Kläger nicht mehr berühren sollen.
Der Kläger hat beantragt
festzustellen, daß bei der Berechnung seines Altersruhegeldes tarifvertragliche Änderungen der Versorgungsvereinbarung nach dem 1. Januar 1982 keine Anwendung finden.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat gemeint, der Versorgungsanspruch des Klägers richte sich nach der jeweils geltenden tarifvertraglichen Versorgungsvereinbarung.
Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Der Kläger verfolgt mit der Revision sein Klagebegehren weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Kläger kann nicht verlangen, daß die Beklagte seine Betriebsrente nach § 4 Abs. 3 VV 73 erhöht. Entgegen der Ansicht des Klägers ist die Versorgungsvereinbarung in ihrer jeweils geltenden Fassung anzuwenden. Die Änderung der tariflichen Dynamisierungsvorschrift durch die VV 97 ist rechtlich nicht zu beanstanden.
I. Wie das Landesarbeitsgericht richtig erkannt hat, enthielt der zwischen den Parteien geschlossene unbefristete Arbeitsvertrag eine dynamische Verweisung. Sie ist nicht durch spätere Vereinbarungen aufgehoben und durch keine statische Verweisung ersetzt worden.
1. Die Parteien verwandten beim Abschluß des unbefristeten Arbeitsvertrages unstreitig einen Formularvertrag. Typisierte Erklärungen unterliegen einer uneingeschränkten revisionsgerichtlichen Kontrolle(vgl. ua. BAG 17. Dezember 1960 – 3 AZR 125/59 – BAGE 10, 271, 277 f.; 20. Juni 1985 – 2 AZR 427/84 – AP BetrVG 1972 § 112 Nr. 33 = EzA KSchG § 4 Ausgleichsquittung Nr. 1, zu B I 2 der Gründe). Dieser Überprüfung hält das Berufungsurteil stand.
a) Unerheblich ist es, daß § 7 des unbefristeten Arbeitsvertrages keine ausdrückliche Jeweiligkeitsklausel enthält. Soweit die Arbeitsvertragsparteien auf Versorgungsordnungen Bezug nehmen, handelt es sich in der Regel um keine statische, sondern um dynamische Verweisung(vgl. BAG 23. September 1997 – 3 AZR 529/96 – AP BetrAVG § 1 Ablösung Nr. 23 = EzA BetrAVG § 1 Ablösung Nr. 14, zu I 2 der Gründe mwN). Sie stellt die einheitliche Behandlung aller Arbeitnehmer und Versorgungsempfänger sicher. Dies liegt im Interesse sowohl des Arbeitgebers als auch der betroffenen Arbeitnehmer und Versorgungsempfänger. Die Zusage einer von der jeweils gültigen Versorgungsordnung abgekoppelten Versorgung ist die Ausnahme und muß deshalb deutlich zum Ausdruck gebracht werden(vgl. BAG 16. August 1988 – 3 AZR 61/87 – AP BetrAVG § 1 Beamtenversorgung Nr. 8 = EzA BetrAVG § 1 Beamtenversorgung Nr. 2, zu 2 b der Gründe; 21. Januar 1992 – 3 AZR 21/91 – AP BetrAVG § 1 Ablösung Nr. 24 = EzA BetrAVG § 1 Ablösung Nr. 8, zu II der Gründe). Für einen entsprechenden Willen der Vertragspartner gibt es im vorliegenden Fall keine ausreichenden Anhaltspunkte. Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht angenommen, daß es nicht darauf ankommt, ob die Behauptung des Klägers zutrifft, in § 11 des unbefristeten Arbeitsvertrages habe eine ausdrückliche Verweisung auf die jeweils vom Beklagten angewandten Tarifverträge gefehlt.
b) Die Verwendung von Formularverträgen zeigt, daß die Beklagte die Arbeitsbedingungen vereinheitlichen und die Personalverwaltung vereinfachen wollte. Das Festschreiben der bei Vertragsschluß geltenden Versorgungsregelungen hätte je nach Einstellungszeitpunkt zu unterschiedlichen Versorgungsrechten geführt und die Abwicklung der Altersversorgung erschwert. Anpassungen an neue Regelungen der Versorgungsordnung hätten eines Änderungsvertrages mit jedem Versorgungsberechtigten oder einer Änderungskündigung bedurft. Bei Verschlechterungen der Versorgungsordnung wäre eine Änderung der arbeitsvertraglichen Versorgungsvereinbarungen häufig nicht oder nur mit großem Aufwand zu erreichen gewesen. Dies hätte dem Standardisierungsziel widersprochen.
c) § 7 des unbefristeten Arbeitsvertrages regelt die Ausgestaltung der Altersversorgung nicht näher, sondern schreibt lediglich vor, daß der Arbeitnehmer eine Versorgungszusage erhält, wie lange die für das Entstehen der Versorgungsrechte nötige Wartezeit ist und wann dem Arbeitnehmer die Urkunde über die Versorgungszusage ausgehändigt wird. Eine Versorgungsordnung wird vorausgesetzt, jedoch nicht im einzelnen festgelegt. Eigenständige Regelungen zur Höhe der Altersversorgung fehlen im Arbeitsvertrag. Damit sind die einschlägigen kollektiven Versorgungsbestimmungen anzuwenden. Da es sich bei den Versorgungsordnungen um generelle Regelungssysteme mit Langzeitwirkung handelt, besteht bei ihnen ein ausgeprägtes Bedürfnis, den künftigen Entwicklungen Rechnung tragen zu können und Versteinerungen zu vermeiden. Die für Tarifverträge geltende Zeitkollisionsregel trägt dem Rechnung. Da ein Verzicht auf Änderungsmöglichkeiten nicht interessensgerecht und atypisch ist, muß er unmißverständlich vereinbart werden. Eine derartige Abrede fehlt im unbefristeten Arbeitsvertrag des Klägers.
d) Auch aus der Unwiderruflichkeit einer Versorgungszusage kann entgegen der Ansicht des Klägers nicht auf eine statische Betriebsrente geschlossen werden. Er unterscheidet nicht zwischen Widerrufsrecht und Leistungsbestimmungsrecht. Die Versorgungszusage wird nicht widerrufen, wenn von einer Jeweiligkeitsklausel Gebrauch gemacht wird.
2. Unabhängig davon ob die dynamische Verweisung auf die jeweils geltenden tarifvertraglichen Versorgungsregelungen ausdrücklich oder stillschweigend, unmißverständlich oder in auslegungsbedürftiger Weise vereinbart wurde, bedarf ihre Aufhebung eines Änderungsvertrages. Er kam nicht dadurch zustande, daß dem Kläger weitere Versorgungszusagen nach Abschluß des Arbeitsvertrages übersandt wurden und ihnen die damals geltenden Versorgungsvereinbarungen beilagen.
a) Mit der Aushändigung einer Urkunde über die Versorgungszusage kam die Beklagte lediglich ihren Pflichten aus § 7 Abs. 3 des Arbeitsvertrages und § 12 Abs. 3 MTV nach. Die Urkunde hatte die dem Arbeitnehmer nach dem Arbeitsvertrag und der Versorgungsordnung zustehenden Versorgungsrechte zu dokumentieren. Unerheblich ist es, daß auf die abgedruckten Versorgungsregelungen Bezug genommen wurde. Daraus kann nicht geschlossen werden, daß die im Arbeitsvertrag enthaltene Jeweiligkeitsklausel aufgehoben werden sollte. Die Übersendung der aktuellen Versorgungsvereinbarung trug den Informationsbedürfnissen des Versorgungsberechtigten Rechnung.
b) Selbst wenn die über die Versorgungszusage ausgestellten Urkunden nicht nur Nachweisfunktion, sondern rechtsgeschäftliche Bedeutung gehabt hätten, würde dies noch nicht bedeuten, daß dem Kläger abweichend vom Arbeitsvertrag eine statische Betriebsrente zugesagt werden sollte. Wenn die Beklagte die ausdrücklich vereinbarte dynamische Verweisung aufheben wollte, hätte sie dies deutlicher erklären müssen, weil statische Verweisungen die Ausnahmen sind und die Beklagte auf eine Vereinheitlichung ersichtlich großen Wert legte. Hatte sich der Kläger mit den ihm übersandten Versorgungsregelungen ausdrücklich einverstanden erklärt, so handelte es sich dabei allenfalls um ein klarstellendes Rechtsgeschäft. Den hohen Anforderungen an die konkludente Aufhebung einer dynamischen Verweisung ist nicht genügt.
3. Ebensowenig haben die Parteien in § 4 des Aufhebungsvertrages vom 23./27. Februar 1981 vereinbart, daß die bisher geltende dynamische Verweisung durch eine statische ersetzt werde. In § 4 Satz 1 des Aufhebungsvertrages vereinbarten die Parteien punktuelle Änderungen der dem Kläger zustehenden Versorgung. Nur insoweit liegt eine einzelvertragliche Sonderregelung vor. Der nachfolgende Satz, „im übrigen gelten die Bedingungen der tarifvertraglichen Versorgungsvereinbarung”, enthält keine Änderung des Arbeitsvertrages mehr, sondern nur eine deklaratorische Auffangbestimmung. Sie verdeutlicht, daß abgesehen von den ausdrücklichen Abweichungen die generell geltenden Regelungen der Versorgungsvereinbarung anzuwenden sind.
Unerheblich ist es, daß nicht ausdrücklich von der jeweils geltenden Versorgungsvereinbarung die Rede ist. Dies war nicht nötig. Vielmehr bedurfte die vom Arbeitsvertrag abweichende Festschreibung bestimmter Versorgungsregelungen einer unmißverständlichen Vereinbarung. Eine derartige Zementierung ist dem § 4 Satz 2 des Aufhebungsvertrages nicht einmal andeutungsweise und erst recht nicht mit der erforderlichen Klarheit zu entnehmen. Die beim Abschluß des Aufhebungsvertrages geltende Versorgungsordnung wird nicht datumsmäßig bezeichnet. Auch der Zusatz „derzeit geltende” fehlt. Wenn allgemein von „der tarifvertraglichen Versorgungsvereinbarung” gesprochen wird, handelt es sich um die nach dem Arbeitsvertrag und den allgemeinen Grundsätzen des Tarifrechts geltende.
4. Das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 13. Juni 1989 – 5 Ca 317/88 – führt zu keiner anderen Beurteilung. In diesem Verfahren wurde nicht rechtskräftig darüber entschieden, ob sich Änderungen der tarifvertraglichen Versorgungsvereinbarung auf den Betriebsrentenanspruch des Klägers auswirken. Gegenstand des Rechtsstreits – 5 Ca 317/88 – war lediglich die Frage, ob der Kläger von der Beklagten eine Altersrente in Höhe von 59 % oder in Höhe von 60 % des ruhegeldfähigen Einkommens verlangen kann. Die materielle Rechtskraft ist nach § 322 Abs. 1 ZPO auf den Streitgegenstand beschränkt, über den im Urteil entschieden worden ist.
II. Eine betriebliche Altersversorgung, die sich nach tarifvertraglichen Vorschriften richtet, steht in der Regel selbst dann unter dem Vorbehalt einer Änderung des Tarifvertrages, wenn der Versorgungsfall bereits eingetreten ist. Die Jeweiligkeitsklausel gilt über das Ende des Arbeitsverhältnisses hinaus auch noch nach dem Eintritt des Arbeitnehmers in den Ruhestand(BAG 24. August 1993 – 3 AZR 313/93 – AP BetrAVG § 1 Ablösung Nr. 19 = EzA BetrAVG § 1 Ablösung Nr. 10, zu B I 2 b der Gründe; 23. September 1997 – 3 AZR 529/96 – AP BetrAVG § 1 Ablösung Nr. 23 = EzA BetrAVG § 1 Ablösung Nr. 14, zu I 3 der Gründe). Wie weit die Kompetenz der Tarifvertragsparteien zur Regelung von Ruhestandsverhältnissen reicht, spielt keine Rolle. Die tarifvertraglichen Änderungen gelten bereits auf Grund der arbeitsvertraglichen Übernahme(vgl. BAG 24. August 1993 – 3 AZR 313/93 – aaO, zu B I 2 c der Gründe).
III. Die tarifvertragliche Dynamisierung der laufenden Betriebsrente ist durch die VV 97 wirksam geändert worden. Grundsätzlich tritt der spätere Tarifvertrag an die Stelle des früheren (sog. Zeitkollisionsregel;vgl. ua. BAG 14. Dezember 1982 – 3 AZR 251/80 – BAGE 41, 163, 168; 24. April 1990 – 3 AZR 259/88 – BAGE 64, 327, 333). Tarifverträge unterliegen keiner Billigkeitskontrolle. Die Gerichte haben sie nur daraufhin zu überprüfen, ob sie gegen das Grundgesetz oder anderes höherrangiges Recht verstoßen(vgl. ua. BAG 7. März 1995 – 3 AZR 282/94 – BAGE 79, 236, 242; 18. August 1999 – 10 AZR 424/98 – BAGE 92, 218, 221). Ein derartiger Verstoß liegt nicht vor.
1. Bei der Umgestaltung der Dynamisierung laufender Betriebsrenten durch den neu gefaßten § 4 Abs. 3 VV 97 haben die Tarifvertragsparteien ihren Gestaltungsspielraum nicht überschritten.
a) Das für Eingriffe in Versorgungsanwartschaften entwickelte dreistufige Prüfungschema(ständige Rechtsprechung seit BAG 17. April 1985 – 3 AZR 72/83 – BAGE 49, 57, 66 ff.) läßt sich auf laufende Betriebsrenten nicht ohne weiteres übertragen(BAG 9. November 1999 – 3 AZR 432/98 – BAGE 92, 358, 365 mwN). Ist nicht die Höhe der Versorgungsanwartschaft, sondern eine andere Rechtsposition der Versorgungsberechtigten betroffen wie die Dynamisierung laufender Betriebsrenten, so ist auf die hinter diesem Prüfungsschema stehenden Prinzipien zurückzugreifen. Wie gewichtig die Änderungsgründe sein müssen, hängt von den Nachteilen ab, die den Versorgungsberechtigten durch die Änderung der Versorgungsregelungen entstehen. Die Tarifvertragsparteien dürfen zwar die vorhandenen Besitzstände nicht völlig außer acht lassen, sondern haben die sich aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) ergebenden Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Verhältnismäßigkeit zu beachten. Diese Grundsätze wurden durch die Änderung der Dynamisierungsregelung nicht verletzt.
b) Entgegen der Ansicht des Klägers war für die Änderung des § 4 Abs. 3 VV keine wirtschaftliche Notlage des Arbeitgebers erforderlich. Denn die Neuregelung bezweckt nicht, die wirtschaftlichen Verhältnisse der Beklagten zu verbessern. Die durch den Übergang von der bruttolohnbezogenen zur nettolohnbezogenen Dynamisierung entstehenden Nachteile sind nicht so schwerwiegend, daß triftige oder sogar zwingende Gründe verlangt werden müßten. Die erforderlichen sachlichen Gründe liegen vor. Inwieweit die neue Dynamisierungsregelung der Eindämmung von Überversorgungen dient, veränderten Gerechtigkeitsvorstellungen Rechnung trägt und/oder auf Veränderungen im Sozialversicherungsrecht reagiert, kann dahinstehen. Zumindest liegen der Neuregelung veränderte Gerechtigkeitsvorstellungen zugrunde. Sie können eine sachlichen Grund abgeben(vgl. ua. BAG 27. August 1996 – 3 AZR 466/95 – BAGE 84, 38, 59). In diesem Zusammenhang ist auch zu beachten, daß die verfassungsrechtlich geschützte Tarifautonomie (Art. 9 Abs. 3 GG) eine diesem Grundrecht entsprechende Zurückhaltung bei der Inhaltskontrolle von Tarifverträgen verlangt. Die nunmehrige nettobezogene Dynamisierung der Betriebsrenten ist jedenfalls eine sachgerechte, auch für die Versorgungsempfänger akzeptable Lösung, die unter Berücksichtigung der Richtigkeitsgewähr von Tarifverträgen keinen verfassungsrechtlichen Bedenken begegnet.
2. Gegen die Anpassungsvorschrift des § 16 BetrAVG verstößt der neu gefaßte § 4 Abs. 3 VV 97 nicht. Zum einen stellt auch die für § 16 BetrAVG maßgebliche reallohnbezogene Obergrenze auf die Entwicklung der Nettoarbeitsentgelte ab. Zum anderen können die Tarifvertragsparteien nach § 17 Abs. 3 Satz 1 BetrAVG auch von § 16 BetrAVG abweichen.
Unterschriften
Reinecke, Kremhelmer, Bepler, Schoden, Rödder
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 20.02.2001 durch Kaufhold, Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Fundstellen
NZA 2002, 54 |
ZTR 2002, 93 |
EzA |
NJOZ 2002, 114 |