Viele Selbstständige müssen Einkommen mit Hartz IV aufstocken
In einer am 3.12.2012 veröffentlichten Studie kommt das Nürnberger Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) zu dem Ergebnis, dass für viele Selbstständige ohne Jobcenter nichts geht. Im Juni 2012 haben 127.100 Selbstständige in Deutschland ihre kargen Unternehmensgewinne mit Hartz IV aufbessern müssen - fast doppelt so viele wie noch im Jahr 2007. Denn jeder 4. von ihnen brachte es gerade mal auf einen monatlichen Gewinn von 100 bis 200 EUR - entsprechend stark war er auf staatliche Unterstützung angewiesen.
Bundesagentur für Arbeit sieht Entwicklung gelassen
Der starke Aufwärtstrend der vergangenen Jahr sei gestoppt, hatte BA-Chef Frank-Weise bereits vor einem Jahr festgestellt. Denn bereits seit 2007 gäbe es einen deutlichen Anstieg von Selbstständigen unter denen, die mit Hartz IV aufstocken. "Im Moment sieht es aber so aus, als ob das Ganze in eine Seitwärtsbewegung geht", hatte Weise betont. Tatsächlich wies die aktuelle Junistatistik im Vergleich zum Juni 2011 eine leicht sinkende Tendenz aus.
Bezugsdauer der Aufstocker wird länger
Trotzdem bleiben die "aufstockenden Selbstständigen", wie die Gruppe im Bundesagentur-Jargon genannt wird, Dauerthema bei der BA. So sorgen sich Jobvermittler, dass immer mehr Selbstständige für längere Zeit auf Hartz IV angewiesen sind - den Beleg dafür liefert jetzt die IAB-Studie. So stieg die Zahl der freiberuflichen Aufstocker, die mehr als 2 Jahre lange Hartz IV beziehen, von 18 % im Jahr 2007 auf 24 % im Jahr 2010. "Insgesamt scheint es einen Kern an selbstständigen Aufstockern zu geben, die über mehrere Jahre hinweg in diesem Zustand verbleiben", schreiben die Autoren der IAB-Studie.
Könnte eine Begrenzung helfen?
Der für Hartz IV zuständige BA-Vorstand Heinrich Alt spricht sich für eine begrenzte Bezugsdauer von staatlichen Grundsicherungsleistungen für Selbstständige aus. "Irgendwann muss man schwarze Zahlen schreiben oder, so weh es tut, die Selbstständigkeit aufgeben", hatte er im Vorjahr in einem Zeitungsinterview geäußert. Der Steuerzahler könne nicht auf Dauer eine nicht tragfähige Geschäftsidee mitfinanzieren.
Ist Missbrauch zu leicht möglich?
Auch taucht im Zusammenhang mit Hartz-IV-Leistungen für Selbstständige immer wieder der Verdacht auf, Freiberufler könnten sich gegenüber dem Finanzamt dank hoher Werbungskosten arm rechnen, um so Anspruch auf Hartz IV zu bekommen. BA-Chef Weise hat für einen solchen massenhaften Missbrauch keine Hinweise: "Einzelfälle können wir natürlich nicht ausschließen", betonte er unlängst. In der BA-Pressestelle räumt man zumindest ein, dass es schwierig sei, die von Freiberuflern beim Finanzamt angegebenen geringen Gewinne zu überprüfen, da die Jobcenter-Mitarbeiter keine Betriebsprüfer seien.
Die betroffenen Branchen
Die Palette der auf Hartz IV angewiesenen Selbstständigen ist nach Erkenntnissen der Arbeitsmarktforscher jedenfalls groß. Jeder Fünfte von ihnen hat sich als Verkäufer oder Dienstleister, wie Friseur oder Kosmetiker, selbstständig gemacht. Ein weiteres Fünftel sind Lehrkräfte, freiberufliche EDV-Dienstleister und Grafiker. Mit Hartz-IV halten sich außerdem etliche Komponisten, Musiker, Sänger, Schauspieler und Designer finanziell über Wasser (16 %), gefolgt von Handwerkern (13 %). Selbst manche Makler und Versicherungsvertreter beziehen zusätzlich ALG II.
Warnung vor pauschalen Urteilen
Nach Erkenntnissen der Arbeitsmarktforscher betreibt immerhin ein Viertel der Freiberufler unter den Hartz-IV-Beziehern ein funktionierendes Geschäft mit einem durchschnittlichen Monatsgewinn von rund 1.000 EUR. Da sie jedoch eine 4-köpfige Familie zu versorgen hätten, kämen sie damit kaum über die Runden und seien auf die Hilfe des Jobcenters angewiesen. Bei einem Sechstel handele es sich um durchaus etablierte Selbstständige, die aber wegen einer Krise in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten seien und Hartz IV als Überbrückungshilfe nutzten.
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