Prinzipiell besteht die Möglichkeit, Menschen zu einem bewussten Job Crafting-Prozess einzuladen – aus der Rolle als Führungskraft oder auch als Teil eines Coaching-Prozesses. Dieser gestaltet sich schematisch wie folgt:
Im ersten Schritt geht es darum, eine Bestandsaufnahme der aktuellen Rolle vorzunehmen. Es gilt, abgrenzbare Aufgabenpakete, Beziehungsmuster und zusätzlich psychologische Aspekte wie die Stärken, Motive und Leidenschaften der Person zueinander in Beziehung zu setzen. In Abbildung 2 wurden der Übersichtlichkeit halber nicht alle Aspekte erfasst, die man vollumfänglich berücksichtigen könnte.
Abb. 2: Job Crafting: Vorher-Bild einer Rolle
Abbildung 2 zeigt die stilisierte Ist-Situation einer beruflichen Rolle. Wie angedeutet, gibt es einige Stärken und Leidenschaften, die in der aktuellen Rolle (grau schattierter Bereich) nicht bespielt werden. Zudem gibt es Aufgaben, die die arbeitende Person attraktiv findet, aber aktuell nicht zum Portfolio gehören (z. B., weil sie von einem Kollegen bearbeitet werden).
Im zweiten Schritt ist es die Aufgabe, eine Idealversion des Rollenprofils zu entwerfen, wobei sicherlich die Überlegungen von Rob Baker aus dem vorigen Abschnitt hilfreich sein können.
Idealversion des Rollenprofils entwerfen
Diese Überlegungen können helfen:
- Welche Aufgaben würde ich gerne neu in mein Portfolio integrieren, welche entfernen oder herunterfahren?
- Wie würde sich das auf die regelmäßige Nutzung meiner Stärken sowie das Bespielen meiner Leidenschaften auswirken?
- Welche zusätzlichen Veränderungen würde ich gerne vornehmen, damit die Arbeit sinnstiftender erscheint – oder besser in den Kontext des Lebens an sich passt?
Auf Basis dieser Überlegungen lässt sich ein Zielbild entwerfen.
Abb. 3: Job Crafting: Nachher-Bild einer Rolle
Wie in Abbildung 3 erkennbar, hat die Person – zunächst ideell – verschiedene Veränderungen vorgenommen: Die Aufgaben 1 und 4 wurden aus der Rolle entfernt, dafür die Pakete 5 und 6 integriert. Dies geht einher mit der besseren Bespielung bestimmter Stärken, Werte und auch Leidenschaften. Andererseits ist die Person zu dem Entschluss gekommen, dass die Leidenschaft C derzeit auf keinen Fall in das berufliche Portfolio passt. Hier wäre dann zu überlegen, ob dieser Aspekt im nicht-beruflichen Kontext stärker ausgelebt werden kann.
Im dritten und letzten Schritt gilt es schließlich zu überlegen, wie die avisierten Veränderungen faktisch zum Leben erweckt werden können. Dies kann formell oder informell geschehen – die Möglichkeiten sind hier fast unbegrenzt:
- Themen an Mitarbeiter delegieren, um bewusst Raum für andere Aufgaben zu schaffen (bei Führungskräften).
- Sich aktiv für bestimmte Projekte bewerben oder auch bewusst von anderen Projekten verabschieden.
- Mit Kollegen auf der gleichen Ebene Aufgaben tauschen.
- Bestimmte Aufgaben einfach nicht mehr tun, ohne für Ersatz zu sorgen.
- Formelle oder informelle Verabredungen über Arbeitszeit- und -ort mit dem Vorgesetzten treffen.
- Mit dem Vorgesetzten eine Zeit pro Woche aushandeln, die zur freien Verfügung steht (à la 20-Prozent-Zeit bei Google).
- Eine bestimmte Fortbildung aushandeln oder auch informell Arbeitszeit nutzen, um sich durch Online-Ressourcen weiterzubilden.
Einige dieser Initiativen lassen sich zur Not "unter dem Radar" beschreiten. Der Königsweg sollte für Mitarbeiter jedoch darin liegen, regelmäßig offen und ehrlich mit dem Vorgesetzen über die berufsbezogenen Wünsche zu sprechen, diese Form des Gesprächs folglich auch aktiv einzufordern – und zwar über das obligatorische Jahresgespräch hinaus. Das bedeutet im Übrigen nicht, dass Vorgesetzte alle Vorschläge auch eins zu eins gutheißen müssen. Manchmal sehen Vorgesetzte mit mehr Erfahrung und/oder Weitblick gute Gründe, warum eine gewünschte Veränderung gerade nicht sinnvoll erscheint.
Interessen abwägen
Job Crafting dient zwar zunächst den Interessen des Individuums. Das entbindet Mitarbeiter und Vorgesetzte jedoch nicht davon, über den Tellerrand hinauszuschauen und die Gesamtinteressen des Unternehmens im Blick zu behalten.
Rob Baker empfiehlt, die folgenden großen Linien im Blick zu behalten:
- Alignment mit der Organisation: Inwieweit zahlen die angestrebten Veränderungen auf die Ziele der eigenen Abteilung und der Organisation als solcher ein?
- Impact auf andere: Wie wirkt sich die angestrebte Veränderung auf das Wirken anderer Menschen aus? Wo könnte beispielweise die Leistung anderer Personen beeinträchtigt werden, wenn ich bestimmte Vorarbeiten nicht mehr erledige?
- Impact auf das Selbst: Wie fügen sich die Veränderungen in das eigene große Ganze ein, beispielsweise das Verhältnis zwischen Arbeits- und Privatleben? Es ist sicherlich verlockend, neue attraktive Aufgaben zu übernehmen, in denen die eigenen Stärken und Leidenschaften besser bespielt werden. Aber der Tag hat eben nur 24 Stunden.
Das Berücksichtigen von verschiedenen Faktoren, die über den unmittelbaren Kontext hinausgehen, führt uns auch zur Frage, wie die Idee des Job Cra...