Einspruch beim Finanzamt: Nicht die Buchstaben, der Wille zählt
In dem Streit ging es um einen Einspruch gegen den Einkommensteuerbescheid 2007. Die Eheleute hatten im Mai 2009 fristgerecht gegen den Bescheid „über die Einkommensteuer, Kirchensteuer und den Solidaritätszuschlag“ widersprochen. In der Begründung beschränkten sie sich allerdings auf den Verweis, dass sich der Einspruch gegen die Festsetzung des Solidaritätszuschlags richte, dessen Verfassungsmäßigkeit in einem Musterverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht zur Verhandlung anstand.
Im November 2009 legte das Ehepaar nach. In einem weiteren Schreiben machte es zur Begründung ihres Einspruchs negative Einkünfte aus einem Gewerbebetrieb in Höhe von 75.000 Euro geltend. Dabei handelte es sich um einen Investitionsabzugsbetrag für die Anschaffung einer Photovoltaikanlage. Dieser Abzugsbetrag erlaubt kleinen und mittleren Unternehmen für Anschaffungen eine Gewinn mindernde Rücklage von maximal 40 Prozent der Anschaffungskosten zu bilden.
Großzügige Auslegung des Finanzgerichts
Das Finanzamt spielte aber nicht mit. Da die Einspruchsfrist von einem Monat gegen den Einkommensteuerbescheid schon lange abgelaufen sei, sei der Einspruch unzulässig. Des Weiteren machte das Finanzamt geltend, dass sich die Begründung des Einspruchs nur auf das Verfahren gegen den Solidaritätszuschlag bezogen habe, nicht aber auf mögliche Fehler bei der Einkommensbesteuerung. Beim anschließenden Rechtsstreit fand das Ehepaar zunächst Verständnis beim Finanzgericht. Die Richter vertraten den Standpunkt, dass der Einspruch im Mai 2009 so auszulegen ist, dass er sich in vollem Umfang gegen den Steuerbescheid richtet und nicht nur gegen den Solidaritätszuschlag.
Mit dieser großzügigen Auslegung des Finanzgerichts war wiederum der Bundesfinanzhof (BFH) nicht einverstanden (Urteil v. 19.8.2013, X R 44/11, veröffentlicht am 12.2.2014). Nach seiner Auffassung gehe aus der Begründung des Einspruchs klar hervor, dass er gegen die Festsetzung des Solidaritätszuschlags ziele, nicht aber gegen die Festsetzung von Einkommen- und Kirchensteuer. Das nachgeschobene Schreiben komme daher zu spät und damit war die Zurückweisung des Finanzamts auch korrekt.
Zur weiteren Begründung führten die obersten Finanzrichter an, dass nicht die Auslegung nach den Buchstaben, sondern der wirkliche Wille entscheidend sei. Da bei Einsprüchen immer davon auszugehen sei, dass Steuerzahler ihre Begründung so ausrichten, dass sie erfolgreich sei, müsse sich die Auslegung eines Einspruchs auch danach richten. Im Streitfall hatten die Eheleute ihren Einspruch ausschließlich auf der Aufhebung des Solidaritätszuschlags aufgebaut. Nicht einmal andeutungsweise sei die Einkommen- oder Kirchensteuer angesprochen worden.
Praxistipp
Die Entscheidung verdeutlicht, dass entscheiden auf die inhaltliche Begründung des Einspruchs ankommt. Dabei können Steuerzahler auch Gespräche im Vorfeld sowie den vorhergehenden Schriftverkehr heranziehen.
Da der Ausdruck eines Bescheids regelmäßig mehrere selbständige Bescheide enthält (ESt, KiSt, SolZ, Abrechnungen, Vorauszahlungen), empfiehlt es sich außerdem, in einer vorläufigen Kurzbegründung Klarheit über den gesamten Umfang der Anfechtung zu schaffen. Im Zweifel sollte deutlich darauf hingewiesen werden, dass sämtliche Festsetzungen angefochten werden.
Im konkreten Streitfall sind die Richter außerdem offenbar davon ausgegangen, dass die Eheleute den Einspruch dazu nutzen wollten, um noch nachträglich einen Investitionsabzug unterzubringen. Deshalb ist es empfehlenswert, die Frage, ob ein Investitionsabzugsbetrag Steuer mindernd geltend gemacht werden kann, rechtzeitig bei der Erstellung der Einkommensteuererklärung mit dem Steuerberater zu besprechen.
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Anke Braun
Haufe Online Redaktion