4.1.1 Forecasting und Datenverfügbarkeit

Hätte man die aktuelle Krise voraussagen können? Bereits Ende 2019 war von der Zunahme grippeähnlicher Fälle in der chinesischen Stadt Wuhan zu lesen – doch es schien so weit weg. Kurz darauf ein ähnlicher Fall am Pariser Flughafen. Seitdem ist viel Zeit vergangen und die Frage bleibt: Was hätten wir anders machen können?

Ähnlich wie in der Finanzkrise 2008 wurden die meisten Unternehmen von einem regelrechten Schock getroffen. Heutzutage weiß man, dass einige die damalige Krise vorausgesagt haben, aber zumeist ungehört blieben. Eine gute Krisenvorhersage setzt nicht erst dann an, wenn man das Gefühl hat, dass etwas schieflaufen könnte. Sie beginnt damit, sich auch in erfolgreichen und wirtschaftlich gesunden Zeiten mit dem wahrscheinlichen Szenario der Krise auseinander zu setzen. Dafür ist es notwendig, dass das Management eines jeden Unternehmens für sich genau abgrenzen sollte: Wie sieht der Krisenernstfall für uns aus? Welche Szenarien sind denkbar und wie könnte das Unternehmensergebnis dadurch beeinträchtigt werden? Aus diesen Szenarien können dann Maßnahmen und Initiativen hergeleitet werden, um dem konjunkturellen Einbruch, einem Rückgang der Nachfrage, Störungen der Lieferkette sowie krankheitsbedingten Ausfällen entgegenzuwirken. Es gilt die Risiken zu reduzieren, um die Auswirkungen auf das wirtschaftliche Ergebnis abzuschwächen. Im besten Fall sollten Entscheidungen weitestgehend auf Daten basieren, welche durch das Controlling geprüft und bereitgestellt werden. Dafür muss das gesamte Krisenmanagement kollaborativ mit dem Controlling durchgeführt werden. Vor diesem Hintergrund ist es auch nicht verwunderlich, dass das fehlende Controlling eine der gängigsten Ursachen einer Insolvenz darstellt (s. Abb. 10). Dennoch wollen wir hier nochmal die Gelegenheit nutzen, auf die möglicherweise veralteten Daten und Forecasting-Methoden aufmerksam zu machen. Vielen dieser Methoden liegen Daten zugrunde, die durch das verheerende Ausmaß der Krise nicht mehr als erwartungstreu eingeschätzt werden können. Deshalb verweisen wir gerne nochmals an die Zusammenarbeit mit erfahrenen Unternehmen, die bereits diese Daten aktualisiert haben und die somit die Prognose wieder möglich machen und auch individuell auf das betroffene Unternehmen zuschneiden können.

Abb. 9: Insolvenzursachen (in Prozent)[1]

[1] In Anlehnung an Euler Hermes, 2006.

4.1.2 Krisenteams und Szenario-Analysen

Eines wissen wir bislang sicher: Die meisten von Krisen betroffenen Unternehmen sind sehr anfällig für die wirtschaftlichen Folgen bzgl. der staatlich auferlegten Isolierungsmaßnahmen. Auch ohne jegliche Prognosemodelle gibt es zwei praktische Schritte, um weiterzukommen:

  1. Ein designiertes Planungs- bzw. Krisenteam sollte sehr regelmäßig den aktuellen Status quo erfassen und die Situation inkl. der Auswirkungen gegen das eigene Unternehmen spiegeln.
  2. Das Team sollte sich nicht nur mit dem aktuellen Zeithorizont befassen; unterschiedliche Sub-Teams sollten sich ebenfalls mit mittel- und langfristigen Zeithorizonten befassen.

Dieses Team – eine Art spezialisierter Krisenstab – sollte unbedingt mit einigen Mitarbeitern aus dem Controlling oder dem Analytics-Bereich besetzt werden (Hinweis: Ein zusammenfassender Überblick zu den Krisenteams kann Abb. 10 entnommen werden). Hier sollte externe Hilfe nicht gescheut werden. Hauptaufgabe des Krisenteams ist es, einen strategischen Krisen-Maßnahmen-Plan zu entwickeln, der die Entscheidungsfindung von Führungskräften beschleunigt und lenken soll. Zu diesem Plan gehören bspw. die Ausgestaltung unterschiedlicher Szenarien und Handlungsempfehlungen. In jedem Fall sollte die Unsicherheit über geplante Vorhaben und Maßnahmen reduziert werden. An dieser Stelle sei darauf hingewiesen, dass es nicht darum geht, welche Szenarien am wahrscheinlichsten eintreten, sondern vielmehr darum, auf den Eintritt aller Möglichkeiten vorbereitet zu sein. Gerade das Ausblenden von (v. a. negativen) Extremfällen führt hier nur zu einem Pauschalisieren von Prognosen. Das ist ein Grund, warum viele Prognose-Modelle häufig scheitern. Wir empfehlen – abhängig vom Krisenausmaß und der Daten- bzw. Mitarbeiterverfügbarkeit – drei bis vier Szenarien zu entwickeln.

In einem nächsten Schritt sollten die prognostizierten Szenarien auf die Unternehmensrealität übertragen werden, d. h., dass der Krisenstab dem Unternehmen einer Art Performance- oder Stress-Test unterzieht. Dabei geht es besonders um die Auswirkungen der Szenarien auf die Geschäftsergebnisse. Hier sollte identifiziert werden, an welcher Stelle oder an welchem Prozess das Unternehmen am Gefährdetsten ist, aber auch, welche Prozesse sich als widerstandsfähig erweisen. Daraus schlussfolgernd lässt sich ein Worst-Case-Szenario ableiten, das in jedem Fall quantifiziert werden sollte.

Die Entwicklung unterschiedlicher Szenarien bringt unmittelbare Vorteile mit sich: die potenziellen Auswirkungen der Krise und die teils "chaotischen" Zustände lassen sich jetzt formalisieren und damit in einen überschaubaren Rahmen transferieren...

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