Zusammenfassung

  • Im Gegensatz zum Personalcontrolling, das sich auf die Entwicklung von Kennzahlen konzentriert, geht es bei HR Analytics darum, Zusammenhänge aufzudecken und Entwicklungen vorherzusagen. Trennscharf ist die Unterscheidung jedoch nicht.
  • Die Anwendung von KI-Systemen in der Personalarbeit ist bislang eher die Ausnahme, da selbstlernende Systeme nur schwer nachvollziehbar und fehleranfällig sind.
  • In der Praxis benötigt jedes HR Analytics-Projekt einen guten Business Case und die Unterstützung der Entscheidungsträger im Unternehmen, um nicht nur Erkenntnisse zu gewinnen, sondern auch spürbare Verbesserungen zu erzielen.
  • Beim Einsatz von HR Analytics kann es sinnvoll sein, auf die Analyse von Individualdaten zu verzichten, um den Betriebsrat und die Mitarbeiter zu gewinnen und Konflikte mit der DSGVO zu vermeiden.
  • Für den Einsatz von HR Analytics sind ethische Leitplanken im Unternehmen notwendig, die die Transparenz und Diskriminierungsfreiheit der Methoden und Datengrundlagen sicherstellen.

1 Organisationale Resilienz in Krisenzeiten braucht geeignete Messkonzepte im Personalwesen

Unternehmen blickten Ende des Jahres 2022 mit Sorge auf die vielfältigen Herausforderungen im kommenden Jahr.[1] Das Jahr 2022 war geprägt durch den Angriffskrieg gegen die Ukraine und die Nachwirkungen der Covid-19-Pandemie. Als Folge der andauernden geopolitischen Konflikte ist im Jahr 2023 weiterhin mit massiven Preisschwankungen im Energiebereich zu rechnen.

Neben dem Management akuter Krisen stehen Unternehmen auch vor der Herkulesaufgabe, die langfristig angelegten betrieblichen Transformationsprozesse mit Blick auf die Digitalisierung und Dekarbonisierung voranzutreiben.

Von Unternehmen wie Beschäftigen wird vor diesem Hintergrund ein hohes Maß an Anpassungs- bzw. Veränderungsfähigkeit verlangt und nicht alle sind gegen Störungen und exogene Schocks gleich gut gewappnet. Analog zur psychologischen Resilienzforschung hat sich in den letzten Jahren der Begriff der organisationalen Resilienz etabliert.[2] Gemeint ist, wie widerstandsfähig Organisationen aufgestellt sind, sei es in Form von finanziellen Rücklagen, Lagerbeständen oder dem Know-how der Mitarbeitenden.

Das Unternehmenscontrolling ist dabei maßgeblich, um Störquellen frühzeitig zu identifizieren und ihnen entgegenzuwirken. Die Nutzung von Kennzahlen unterscheidet sich allerdings deutlich je nach Funktionsbereichen. Im Personalcontrolling gibt es, z. B. im Vergleich zum Finanz- oder dem Vertriebscontrolling, (noch) wenige einheitliche Kennzahlen und Standards.[3]

Mit zunehmenden Fachkräfte- bzw. Arbeitskräfteengpässen und einer hohen Unsicherheit darüber, welche Kompetenzprofile in Zukunft gebraucht werden, rückt die Personalplanung, -auswahl und -qualifizierung immer stärker in den strategischen Fokus des Unternehmens. Umso wichtiger ist es, dass auch im Personalwesen Planungs- und Kontrollsysteme greifen, um z. B. geeignete Personalauswahlverfahren oder Weiterbildungsangebote auszuwählen und ihre Wirkung zu überprüfen. Doch oftmals fehlt es gerade im Personalwesen an einer guten Datenbasis und an einer direkten Einbindung in die Unternehmensstrategie.

[1] Vgl. Grömling, 2022.
[2] Vgl. Flüter-Hoffmann et al., 2018, S. 39 ff.
[3] Vgl. Schulte, 2020, S. 3.

2 Entwicklung der evidenzbasierten Entscheidungsfindung im Personalwesen

2.1 Die Anfänge der Kennzahlensysteme im Personalwesen

Das Personalcontrolling ist noch eine vergleichsweise junge Disziplin. Die ersten Human Resources (HR)-Kennzahlen und HR-Benchmarks veröffentlichte Fitzenz in den USA Ende der 1970er Jahre[1]. Im Personalcontrolling wird anhand von Soll-Ist-Vergleichen von HR-Kennzahlen wie der Fluktuationsrate oder den Krankentagen die Zielerreichung regelmäßig überprüft. Da i. d. R. einzelne Kennzahlen nicht zur Abbildung von strategischen Zielsetzungen ausreichen, werden auch im Personalcontrolling Kennzahlensysteme eingeführt und die Key-Performance-Indikatoren (KPI) in Beziehung zueinander gesetzt.

Mit der Entwicklung der Balance Scorecard von Kaplan und Norton[2] wurden finanz-, prozess-, mitarbeiter- und kundenbezogene Kennzahlen stärker miteinander verknüpft, um Ursache-Wirkungsbeziehungen aufzuzeigen. Während Finanzkennzahlen oftmals erst (zu) spät auf Handlungsbedarfe hindeuten, bieten sich Kennzahlen, die bereits Störungen im Arbeitsablauf aufzeigen, als Frühindikatoren an. Aufbauend auf der Arbeit von Kaplan und Norton entwickelten Becker et al. im Jahr 2001 die HR-Scorecard[3], ein weiterer Meilenstein für den Weg hin zu einem kennzahlenbasierten Personalwesen.

Unter dem Begriff HR Analytics oder auch People Analytics werden seit einiger Zeit die Potenziale einer datenbasierten Ausrichtung im Personalwesen noch einmal neu diskutiert. Anders als im klassischen Personalcontrolling, in dem der aktuelle Stand und die Entwicklungen von deskriptiven Kennzahlen in Reports, Dashboards oder Scorecards im Vordergrund der Analyse stehen, geht es bei HR Analytics um eine prädiktive oder präskriptive Analyse, indem Zusammenhänge aufgedeckt und Entwicklungen vorhergesagt werden sollen.[4]

Die drei genannten Analyseformen unterscheiden sich in ihrer Zielsetzung:[5]

  • Deskriptive Analyse: Beschreibung von Fakten und Daten zu einem bestimmten Z...

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