"Charakteristisch für den Mittelstand ist im Prinzip, dass es nichts Charakteristisches gibt."[1]

Diese Auffassung aus der Zeit vor der Jahrtausendwende verdeutlicht, dass mittelständische Unternehmen, und die in diesem Beitrag im Fokus stehenden Familienunternehmen, durch eine Vielzahl von individuellen und nicht verallgemeinerbaren Eigenschaften gekennzeichnet sind. Als charakteristisch für Familienunternehmen werden nachfolgend solche Merkmale verstanden, die einerseits für einen Großteil der mittelständischen und/oder inhabergeführten Unternehmen typisch sind und andererseits in den meisten Großunternehmen und Konzernen nicht im gleichen Ausmaß vorliegen. Diese sind als Implikationen und somit als Orientierung für die Controllingorganisation im Familienunternehmen zu verstehen (s. Abb. 3).

 
Charakteristika (Auswahl) Familienunternehmen Großunternehmen/Konzern
Gesellschaftspolitische Verankerung hoch mittel/gering
Markt hohe Kundennähe in Nischenmarkt "Gießkanne" in Massenmarkt
Organisationsstruktur flexibel, geringer Formalisierungsgrad, hohe Wissenskonzentration stark ausgeprägte Abteilungsbildung, hoher Delegationsumfang
Ressourcenbezug ökonomisch/rational hoch, weitgreifende Handlungsalternativen
Prozessrigidität niedrig hoch
Managemententscheidungen intuitiv/improvisiert → Entwicklung schwer messbar Systematisch → Entwicklung konkret messbar

Abb. 3: Charakteristischer Vergleich ausgewählter Bereiche in Familien- und Großunternehmen

Aus den auf den ersten Blick vorteilhaft erscheinenden Eigenschaften von Familienunternehmen resultiert gleichsam ein hoher Veränderungsbedarf, insbesondere vor dem Hintergrund der Einführung neuer ERP-Systeme. Die stark inhaberorientierte Unternehmensführung ist, wie in zahlreichen Praxisbeispielen zu beobachten, vorwiegend patriarchisch geprägt. Gerade diese Intuition des Unternehmers war es, die bei vielen herausragenden Familienunternehmen lange für den Firmenerfolg ausschlaggebend war. Andererseits sind aufgrund dieser hohen Individualität in Management und Unternehmenssteuerung in zahlreichen Familienunternehmen heute keine oder nur rudimentäre Prozessdokumentationen vorhanden. Zudem führt eine oft geringe Prozesstreue zu hohen Ineffizienzen. Die beschriebene Situation verdeutlicht, dass die unzureichende Prozessorientierung im Unternehmen nicht ausschließlich durch die Einführung eines neuen ERP-Systems gelöst werden kann. Um durch die Einführung eines neuen ERP-Systems den gewünschten strategischen Beitrag zu gewährleisten, ist eine Transformation von System, Organisation, Prozessen und dem Mindset relevanter Mitarbeiter unabdingbar.

Folglich sind mit der Einführung neuer ERP-Systeme in Familienunternehmen eine Reihe von Zielen parallel zu verfolgen, was den Gesamtprozess außerordentlich herausfordernd gestaltet. Im weiteren Verlauf dieses Beitrags soll der Effizienzgewinn insbesondere für die Controllingorganisation weiter diskutiert werden. In diesem Zusammenhang besitzen die Optimierung der Datengrundlage sowie eine konkrete Formulierung der Controllinganforderungen an ein neues ERP-System oberste Priorität.

[1] Bergerhof, Die Anforderungen mittlerer Unternehmungen an Finanzierungsformen mit Eigenkapital, in Wossidlo (Hrsg.), Die Finanzierung mittelständischer Unternehmungen in Deutschland, 1985, S. 162

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Controlling Office. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge