Der entscheidende Punkt für den Händler ist, dass der Kunde dort, wo er einen Mehrwert sieht, bereit ist Geld auszugeben. Und wenn der Kunde im Internet-Handel mehr Nutzen als beim Einkauf im Laden sieht, gibt er sein Geld online aus. Damit verschieben sich für die Händler die Geschäftsmodelle.

Auf der anderen Seite bedeutet es auch, dass stationäre Händler, die ihren Kunden einen höheren Nutzen als Webshops bieten, weiterhin erfolgreich sein werden. Sie können ihr Geschäftsmodell weiterverfolgen, vielleicht sogar ausbauen und ggf. digital ergänzen. Ein klassisches Beispiel ist der prototypische Händler des Vertrauens, der seine Kunden kennt und das Sortiment auf sie zuschneidet. Der Weinhändler etwa, der für seinen Kunden einen Wein anbietet, der fast wie Barolo schmeckt, aber nicht so teuer ist, den man vor Ort probieren kann, der als Geschenk verpackt und versendet wird. Eventuell wird sogar die Feier des Kunden in seinem Weinkeller ausrichtet. Die Verkostung ist zum Beispiel ein Vorteil, den ein digitaler Weinhandel nicht bieten kann. Hier kann der klassische Handel sicher noch eine Weile mit "Margot" mithalten. Margot ist der digitale Chatbot-Weinberater von Lidl. Wie die perfekte Verknüpfung von online und offline in diesem Bereich aussieht, zeigt Jacques' Weindepot. Events vor Ort und echte Läden sind in einem ganzheitlichen Omni-Channel-Konzept mit klassischem Online-Handel verknüpft und bieten den unterschiedlichsten Kundentypen die gewünschten Einkaufserlebnisse.

"Offline ist ja nicht zwangsläufig schlecht."[1] Bei der Geschäftsmodellentwicklung geht es immer darum, ob das Bestandsgeschäft digital erweitert oder transformiert werden kann oder ob ein digital geprägtes Neugeschäft aufgebaut werden muss. Diese Doppelstrategie eignet sich auch für den Umgang mit marktdominierenden Plattformen. Dabei geht es darum, auch dort präsent sein und eine Grundauslastung der Kapazitäten erreichen, ohne aber in eine vollständige Abhängigkeit zu geraten. Die Hoheit über die eigene Produktpolitik und die direkte Kundenbeziehung sollte dabei erhalten bleiben. Vielleicht ist es dann sogar möglich, eine Nische aufzubauen, in der die großen Plattformen nicht präsent sind.[2]

Die aus der Literatur und der Diskussion über die Zukunft des Handels bekannten Erfolgsstrategien für Händler bündeln sich dabei um die Stichworte "Einkaufserlebnisse schaffen", "Personalisierung" und "Lokalisierung".

Es geht also letztendlich nicht um einen Einsatz von Kommunikationstechnologien per se oder um Digitalisierung als Selbstzweck. Schlechte digitale Prozesse sind nicht besser als schlechte analoge Prozesse. Jedes Geschäftsmodell, ob traditionell, digital oder Mischform, muss sich über den Nutzen für den Kunden im Wettbewerb differenzieren.[3] Wettbewerbsvorteile können dabei nur solche Vorteile sein, die einzigartig und schwer imitierbar sind.[4] Dies ist übrigens auch für den eCommerce eine große Herausforderung. Denn wenn ähnliche Algorithmen für jede der großen eCommerce-Plattformen zu dem gleichen Ergebnis führen, werden die Plattformen am Ende austauschbar sein.[5]

[1] Kolbrück, 2018, S. 11.
[2] Kolbrück, 2018, S. 11.
[3] Knoppe/Wild (Hrsg.), 2018, S. 29 ff.
[4] Schütte, 2018.
[5] Gläß, Künstliche Intelligenz im Handel 1, 2018, S. 30.

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