Zusammenfassung

  • Die gesetzliche Mindestanforderung an das Risikofrüherkennungssystem besteht in der frühen Erkennung "bestandsgefährdender Entwicklungen". Diese Kernanforderungen haben gemäß der Gesetzesbegründung auch mittelständische Unternehmen zu erfüllen (sog. "Ausstrahlwirkung").
  • Die im Gesetz genannten "bestandsgefährdenden Entwicklungen" ergeben sich meist nicht durch Einzelrisiken, sondern durch Kombinationseffekte mehrerer Einzelrisiken. Entsprechend ist die Risikoaggregation, die solche Kombinationseffekte von Einzelrisiken bei der Bestimmung des Gesamtrisikoumfangs auswertet, die Schlüsseltechnologie im Risikomanagement.
  • Eine Aggregation von Risiken mit Bezug auf die Unternehmensplanung und unterschiedlichen Wahrscheinlichkeitsverteilungen ist nur durch ein Verfahren möglich: Die Monte-Carlo-Simulation. Bei diesem computergestützten Stichproben-Verfahren wird eine große repräsentative Anzahl risikobedingt möglicher Zukunftsszenarien des Unternehmens berechnet (z. B. mittels Excel und einer Simulationssoftware wie Crystal Ball oder @Risk).
  • Zur Früherkennung bestandsgefährdender Entwicklungen ist es insbesondere notwendig zu untersuchen, ob Mindestanforderungen an das Rating in der Zukunft (B-Rating) nicht mehr erreicht oder Covenants verletzt werden.
  • Zudem sollte eine leicht zu kommunizierende Kennzahl für den aggregierten Gesamtrisikoumfang angegeben werden, wie z. B. der Eigenkapitalbedarf (Value-at-Risk) als risikobedingt möglicher Umfang von Verlusten, der mit einer vorgegebenen Wahrscheinlichkeit nicht überschritten wird.
  • Wie auch der IDW PS 340 fordert, muss die Risikoaggregation mehrere Planjahre umfassen (Aggregation über die Zeit), was zu einer sog. "Bandbreitenplanung" führt. Meist können nämlich risikobedingt mögliche Verluste in einem ersten Jahr vom Unternehmen noch getragen werden. Die durch diese reduzierten Risikodeckungspotenziale und Kreditrahmen führen aber zu einer deutlich erhöhten Wahrscheinlichkeit im Folgejahr durch weitere risikobedingt mögliche Verluste eine Insolvenz zu erleiden.

1 Überblick

Die Beschäftigung mit Chancen und Gefahren (Risiken) gehört zum Tagesgeschäft und auch die Risikoaggregation sollte in deutschen Unternehmen längst etabliert sein.[1] Die Risikoaggregation ist insbesondere notwendig, um "bestandsbedrohende Entwicklungen" durch die Kombination mehrerer Einzelrisiken zu erkennen, wie es §91 Abs. 2 AktG fordert (Kontroll- und Transparenzgesetz, KonTraG). Der auf dem KonTraG basierende IDW-Prüfungsstandard 340 zu Risikofrüherkennungssystemen fordert entsprechend eine Risikoaggregation, was eine Monte-Carlo-Simulation notwendig macht, weil Risiken nicht addierbar sind.

Gefordert wird aber nicht nur die Aggregation über die Einzelrisiken, sondern zusätzlich eine Aggregation über die Zeit.

Die Risikoaggregation muss mehrere Jahre[2] umfassen, wobei in den einzelnen Szenarien jeweils die gesamte betrachtete Zukunft zu simulieren ist ("Pfadsimulation"). Dabei sind die Verknüpfungen von Jahr zu Jahr abzubilden. Eine separate Monte-Carlo-Simulation der einzelnen Jahre und eine anschließende Zusammenfassung der Jahresergebnisse greift zu kurz. So ist z. B. der simulierte Dollarkurs Ende 2016 der Startpunkt für den Dollarkurs 2017. Wenn bereits 2016 in einem simulierten Szenario Verluste aufgetreten sind, reduziert dies Eigenkapital und Kreditrahmen für 2017, also das Risikodeckungspotenzial. Dies ist wichtig zu berücksichtigen, um "bestandsbedrohende Entwicklungen" i. S. § 91 Abs. 2 AktG zu erkennen. Diese sind nämlich oft das Resultat schwer negativer Risikoauswirkungen in zwei oder drei Folgejahren. Die Aggregation der Risiken auch über die Zeit führt zu einer "Bandbreitenplanung" (s. Abb. 1).

Abb. 1: Bandbreiten aus der Simulation mehrerer Jahre

In diesem Beitrag wird erläutert, dass die Aggregation von Risiken über mehrere Planjahre – und damit eine Bandbreitenplanung – zwingend notwendig ist, um die gesetzlichen Anforderungen gerecht werden. Es wird zudem verdeutlicht, dass die aggregierten Risiken ein enges Zusammenspiel zwischen Controlling und Risikomanagement erfordern und das Risikoaggregationsmodell – die stochastische Planung – so zu einer gemeinsamen Plattform wird, mit dem bei der Vorbereitung wesentlicher Entscheidungen deren Implikationen für Ertrag und Risiko abgewogen werden können. Genau dies ist wiederum eine Anforderung aus § 93 AktG (Business Judgement Rule), der eine angemessene Informationsgrundlage der Entscheidungsvorbereitung fordert – insbesondere also Informationen über die aus den Entscheidungen entstehenden zusätzlichen Risiken.[3] Die Beurteilung der Implikationen von Strategieänderung, Investitionen oder Akquisitionen für das zukünftige Ertrag-Risiko-Profil ist zudem gerade die Kernaufgabe eines Controllings, das sich als Instrument der betriebswirtschaftlichen Rationalitätssicherung und Entscheidungsvorbereitung verstehen sollte.[4]

[1] Nur dies wird hier vereinfachend als Insolvenzursache angenommen.
[2] Vgl. diesbezügliche Forderung im IDW PS 340.
[3] Siehe Gra...

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