Keine Konzeptentwicklung parallel zum technologischen Fortschritt

Der finale Kritikbereich betrifft die im BSC-Konzept nicht vollzogene Weiterentwicklung parallel zum technologischen Fortschritt. Das ist deshalb kritisch, weil die massiven Produktivitätssteigerungen der letzten beiden Jahrzehnte im Kern auf der umfassenden Automatisierung der Produktionsprozesse, dem universellen Einsatz elektronischer Datenverarbeitung sowie der Möglichkeit einer verzögerungsfreien globalen Kommunikation basieren. Im Gegensatz zu den konventionellen, "linearen" Unternehmen werden in "digitalen" Unternehmen durch den Einsatz modernster Technologien Zeitaufwand und Kapitalintensität insb. in der Analyse und Verarbeitung von (strukturierten aber auch unstrukturierten) Steuerungsinformationen dramatisch reduziert. Diese Veränderungen bedeuten einen relevanten Paradigmenwechsel der auch die strategische Unternehmensführung und die dabei eingesetzten Instrumente betrifft.

2.3.1 Digitalisierung

RPA steigert die Qualität und reduziert die Personalintensität

In der Unternehmenssteuerung gehen die meisten Veränderungsimpulse aktuell vor allem aus der Kombination von Big Data mit Predictive Analytics sowie der sog. "Robotic Process Automation" (RPA) aus.[1] Operative, datengetriebene Entscheidungs- und Automatisierungsmodelle ersetzen immer häufiger den klassischen Controller. Der Einsatz von "Robotern" i. S. automatisierter Prozessabläufe setzt die klassische Aufbauorganisation im Controlling zunehmend unter Druck. Schon heute können bspw. im Bereich des Forecasting automatisiert ausreichend verlässliche und teilweise sogar akkuratere Szenarien für die Zukunft abgeleitet und entsprechend frühzeitig die richtigen Entscheidungen abgeleitet werden. Damit sinkt nicht nur die Zahl der erforderlichen Personen ("Head Count") im Controlling und damit die Personalintensität; vor allem steigt aufgrund der reduzierten Fehleranfälligkeit die Qualität und 24/7-Verfügbarkeit der internen Dienstleistungen. Ausgehend von durchgängig digitalisierten Prozessen besteht in den digitalen Organisationen gegenüber linearen Organisationen die Möglichkeit, sowohl die strategische als auch die operative Unternehmenssteuerung auf eine neue Ebene der Effektivität und Effizienz zu heben.

Excel ist noch immer das populärste BSC-Tool

Ungeachtet aller technologischen Fortschritte ist gleichwohl zu konstatieren, dass aus technologischer Sicht MS Excel noch immer das populärste "Tool" im BSC Einsatz ist. Das Gros der Unternehmen bildet die BSC in handgestrickten BSC-Lösungen ab und rapportiert diese parallel zu den etablierten Controllingberichten. Die Informationsverarbeitung und hier insb. die Aggregation der KPIs erfolgt auf Basis der Excel-Files die per Mail angefordert und dann manuell konsolidiert werden. Unternehmen wie bspw. Procos haben mit Lösungen wie "Strat & Go" zwar schon frühzeitig dedizierte BSC-Tools entwickelt und eine ebenfalls hohe Verbreitung vor allem im deutschsprachigem Raum erreicht, jedoch zahlen diese Tools nach wie vor zu den "linearen" Anwendungen, die allenfalls einfache statistische Verfahren unterstützen. Die Möglichkeiten einer prognostizierenden Analyse können in diesen vergleichsweise trivialen Anwendungen nicht genutzt und Effizienzpotentiale innerhalb der Organisation nicht gehoben werden.

[1] Vgl. Horváth & Partners, 2017, S. 32.

2.3.2 Integrierte Treibermodelle

Treibermodelle reduzieren die Planungskomplexität

Insbesondere im Rahmen der Planung und im Reporting setzen sich zunehmend treiberbasierte Ansätze durch. Weil die Komplexität der Berücksichtigung aller Einflussfaktoren auf definierte Zielgrößen rechnerisch nicht immer zeitnah und nachvollziehbar bewältigt werden kann, konzentrieren sich eine wachsende Anzahl von Unternehmen darauf, nur die wichtigsten Einflussfaktoren zu berechnen und auch nur noch diese in das Zentrum der Diskussionen zu stellen. Moderne statistische Verfahren unterstützen die "Data Scientist" dabei effektiv, wenngleich i. d. R. in einem zur BSC parallelen Prozess.

Abb. 2: Integriertes Treiber- und Simulationsmodell

Der Rückgriff auf Treibermodelle (sowohl in der Planung als auch im Reporting) birgt den Unternehmen den Vorteil, dass dadurch eine engere Verzahnung zwischen den Steuerungsebenen möglich ist. Die mathematisch verknüpften Steuerungsgrößen erlauben die Dekomponierung ("Drill-Down") von aggregierten Größen zu den sie beeinflussenden Faktoren. Diese ist im Ursprungskonzept der BSC nur dann realisiert, sofern ein entsprechendes Kaskadierungsverfahren mit "Muss-Zielen" und "Muss-KPIs" genutzt wird und auch die strategischen Ziele der Strategy Maps entsprechend verbunden sind. Ein weiterer Vorteil liegt darin, dass ein zugrunde liegendes Treibermodell als idealisiertes Abbild des Geschäftsmodells gelten kann, das dann in seinen spezifischen Einflüssen auf die Finanzkennzahlen bedarfsweise individualisiert wird. Weil derlei verzahnte Treibermodelle weit über die rein finanzielle Betrachtung hinausgehen, können diese im Rahmen von Simulationen die möglichen Einf...

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