Die Balanced Scorecard (BSC) ist seit knapp 25 Jahren oder eindrücklicher seit einem viertel Jahrhundert das in der Praxis am weitesten verbreitete Konzept zur Unterstützung der Implementierung von Strategien. Sie repräsentiert die vermeintliche "Best Practice" einer Studie zum Stand der in der Praxis eingesetzten Performance-Measurement-Systeme aus dem Jahre 1990.[1] Die von Schneiderman bei Analog Devices zuerst entwickelte und als Fallstudie in ein Forschungsprojekt von Nolan, Norton & Co eingebrachte "Corporate" Scorecard wurde nach Beendigung des Forschungsprojekts von den Studienleitern (Kaplan und Norton) unter dem angepassten Namen "Balanced" Scorecard vermarktet und seitdem in unzähligen Magazinen und Büchern in aller Welt publiziert.

Eigene Sparte der BWL

Verkürzt kann das bekannte Konzept der BSC skizziert werden als ein "set of measure that gives top management a faster but comprehensive view of the business. The Balanced Scorecard includes financial measures that tell the results of actions already taken. And it complements the financial measures with operational measures on customer satisfaction, internal processes, and the organization’s innovation and improvement activities – operational measures that are the drivers of future financial performance."[2] Die in der Praxis mit dem Konzept verbundene Aussage lautet entsprechend dem Titel der ersten Buchveröffentlichung verkürzt "translating strategy into action". Die BSC erfreut sich insbesondere bei Praktikern und Unternehmensberatern großer Beliebtheit und hat sich aufgrund der mit ihr verbundenen Vorträge, Seminare, Buch- und Artikelbeiträge, Beratungsmandate usw. zu einer eigenen Industrie innerhalb der Betriebswirtschaft entwickelt. Doch diese Positiveinschätzung wurde schon sehr früh kritisch hinterfragt:

Zitat

Strip away the declarations of victory by those who make their living from them and you will find, that the vast majority of so-called Balanced Scorecards fail over time to meet the expectations of their creators.[3]

Kritiker sehen Anpassungsbedarf

Diese kritische Einschätzung wird trotz der ursprünglich fast enthusiastischen und in bestimmten Regionen (bspw. im Mittleren Osten) noch immer anhaltenden Flut an positiven Veröffentlichungen von einer wahrnehmbaren Gruppe von Praktikern und zahlreichen Wissenschaftlern geteilt. Denn abgesehen von den das Konzept vermarktenden Autoren und den auf die BSC-Implementierung spezialisierten Beratungsunternehmen, stößt die BSC seit Jahren auch auf Kritik. Der Erfolgsbeitrag der BSC zur Steigerung der Unternehmensleistung (i. S. e. erfolgreichen Strategieimplementierung) wird von kritischeren Beobachtern differenzierter betrachtet und auf die erforderlichen Anpassungsbedarfe gegenüber dem Originalkonzept hingewiesen.

Der vorliegende Beitrag soll einerseits die für die Unternehmenssteuerung praxisrelevanten Aspekte der Diskussion zum 25-jährigen Jubiläum tiefer beleuchten. Ziel ist es dabei, die Diskussion zur BSC nach 25 Jahren Praxiserprobung auf eine solidere und objektivierte Basis zu stellen sowie bestehenden und zukünftigen Anwendern eine aktuelle Einschätzung der BSC zu ermöglichen. Die über die Jahre identifizierten Optimierungshebel sollen beschrieben werden, so dass die BSC in Version 2.0 auch die nächsten 25 Jahre zum Erfolg der Unternehmenssteuerung beitragen kann.

[1] Vgl. Kaplan/Norton, 1996, S. vii; Schneiderman, 2004, S. 1 ff.
[2] Kaplan/Norton, 1992, S. 1.
[3] Schneiderman, 1999, S. 6.

1.1 Popularität der Balanced Scorecard

Populärstes Managementkonzept

Gemäß der periodisch durchgeführten Studie von Bain & Co. bzgl. der populärsten Managementinstrumente und -trends, erlebte die BSC ihren Höhepunkt im Jahr 2006. Knapp 2/3 aller befragten Unternehmen nutzten die BSC oder planten deren Einsatz.

Abb. 1:Anwendungsverbreitung der Balanced Scorecard[1]

Veröffentlichungen heben 8 Vorteile heraus

Dieser hohe Verbreitungsgrad in den Unternehmen erklärt auch die sehr große Anzahl an Erfahrungsberichten, die auch heute noch gerne und zahlreich in praxisnahen Zeitschriften veröffentlicht werden. Die meisten dieser Beiträge beschwören die positiven Ergebnisse und Verbesserungen, die durch den Einsatz der BSC in den jeweiligen Unternehmen erzielt wurden. Kaplan und Norton selbst haben dazu mit einer Vielzahl von Artikeln beigetragen und dabei konstant die schier unglaublichen "breakthrough"-Resultate hervorgehoben, die mit der BSC realisiert werden können. Auf Basis der Veröffentlichungen lassen sich nachfolgende Vorteile herausstellen:

  1. Holistische Perspektive auf das Unternehmen als Ganzes.
  2. Förderung des Denkens in Ursache-Wirkungsbeziehungen anstelle eindimensionaler Analysen von Einzelaspekten.
  3. Interkonnektivität zwischen strategischen Zielen, Kennzahlen und Maßnahmen.
  4. Einbindung einer größeren Anzahl an Beteiligten in die Strategiediskussion.
  5. Moderne und handlungsmotivierende Darstellung.
  6. Möglichkeit der prospektiven Steuerung aufgrund der Einführung von Frühindikatoren.
  7. Höhere Verbindlichkeit bei strategischen Entscheidungen, da diese transpar...

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