5.1 Grundsätzliches zu den Sorgfaltspflichten

 

Rz. 30

In Abschn. 2 des LkSG wird i. E. beschrieben, welche Sorgfaltspflichten von den Unternehmen umzusetzen sind. Unternehmen sind gem. § 3 Abs. 1 LkSG dazu verpflichtet, die im Gesetz definierten Sorgfaltspflichten in angemessener Weise zu beachten, um Risiken vorzubeugen, diese zu minimieren oder im Fall von bereits eingetretenen Verletzungen diese zu beenden.

 

Rz. 31

Wichtig sind 2 grds. Prinzipien: Erstens verlangt das Gesetz keine Erfolgspflicht oder Garantiehaftung der Unternehmen in dem Sinn, dass in den jeweiligen Lieferketten keine Menschenrechte oder umweltbezogenen Pflichten verletzt werden. Geschuldet ist lediglich eine Bemühenspflicht, welche allerdings angesichts der detaillierten Anforderungen bzgl. der einzelnen Sorgfaltspflichten auch signifikante Anstrengungen von den Unternehmen fordert.[1] Zweitens verlangt das Gesetz von den Unternehmen nur, "angemessene" Maßnahmen zu ergreifen.

 

Rz. 32

Der Angemessenheitsgrundsatz wurde in § 3 Abs. 2 LkSG ausdrücklich verankert und bemisst sich anhand der folgenden dort aufgeführten Kriterien:

  1. Zunächst ist die Art und Weise der Geschäftstätigkeit des Unternehmens in Ansatz zu bringen. Hier ist die individuelle Unternehmens- und Risikosituation zu berücksichtigen. Der Gesetzgeber stellt darauf ab, ob das jeweilige Produkt und die spezifische Produktionsstätte ein besonderes Risikoprofil mit sich bringen. Je höher das Risiko, desto wichtiger wird die Überwachung der Lieferkette. Man wird länder-, branchen- und warengruppenspezifische Risiken bewerten müssen und hat als Unternehmen angesichts des Angemessenheitsgrundsatzes durchaus einen flexiblen Ermessens- und Handlungsspielraum.[2] Dieser Spielraum wird auch bei behördlichen Kontrollen anerkannt werden. Die Behörde prüft, ob ein Unternehmen zum Zeitpunkt der Entscheidung, d. h. ex ante, angemessen gehandelt hat. Die Unternehmensentscheidung wird nicht aus einer Ex-post-facto-Sicht bewertet.[3]
  2. Sodann richtet sich die Angemessenheit einer Maßnahme nach dem konkreten Einflussvermögen des Unternehmens auf den Verursacher eines Risikos oder einer Verletzung. Die Größe des Unternehmens, das Auftragsvolumen und insbes. die Nähe zum Risiko sind entscheidende Kriterien, auf die abzustellen sein wird. Die Anforderungen an die umzusetzenden Maßnahmen sind insoweit abhängig von der Nähe und den Einflussmöglichkeiten des Unternehmens.[4]
  3. Als weiteres Kriterium i. R. d. Angemessenheitsprüfung wird auf die typischerweise zu erwartende Schwere und Umkehrbarkeit der Verletzung sowie die Wahrscheinlichkeit des Eintritts einer Verletzung abgestellt. Die Bewertung von Schwere und Wahrscheinlichkeit erfolgt bspw. anhand der Zugehörigkeit eines Unternehmens zu einem Hochrisikosektor, der tatsächlichen und ordnungspolitischen Rahmenbedingungen des Produktionsorts, des Umgangs mit giftigen Stoffen in der Produktion oder einer mangelhaften Nachhaltigkeitsperformance der Lieferanten.[5]
  4. Als 4. Kriterium verlangt das LkSG eine Bewertung der Art des Verursachungsbeitrags des Unternehmens. Hier ist zu differenzieren, ob das Unternehmen das Risiko unmittelbar alleine oder gemeinsam mit einem anderen Akteur verursacht hat oder nur eine mittelbare Beteiligung gegeben ist. Die Art des Verursachungsbeitrags wird regelmäßig eng verknüpft sein mit dem Kriterium des unternehmerischen Einflussvermögens. Der Gesetzgeber sieht eine mittelbare Verursachung bspw. dann als gegeben an, wenn ein Unternehmen die Produktanforderungen gegenüber seinem Zulieferer kurzfristig verändert, ohne die Lieferzeiten oder den Einkaufpreis anzupassen, und der Zulieferer in Folge gegen ILO-Kernarbeitsnormen verstößt, um den kurzfristigen Änderungswünschen zu entsprechen.[6]
 

Rz. 33

Aus der Gesetzesbegründung ist eindeutig ersichtlich, dass von den Unternehmen keineswegs etwas rechtlich oder tatsächlich Unmögliches verlangt werden könne, insbes. keine Handlungen, die gegen die im Produktionsland geltenden Gesetze verstoßen. Das real existierende Ausmaß der Einflussmöglichkeiten auf die Zulieferer wird entsprechend berücksichtigt, was mit der Bemühenspflicht korrespondiert.[7]

In den §§ 410 LkSG finden sich die konkreten Sorgfaltspflichten, welche von den Unternehmen nach Maßgabe der allgemeinen wie speziellen Regelungen einzuhalten sind.

[1] Vgl. Stöbener de Mora/Noll, NZG 2021, S. 1240.
[2] BT-Drs. 19/28649 v. 19.4.2021, S. 42.
[3] Bundesministerium für Arbeit und Soziales, Fragen und Antworten, www.csr-in-deutschland.de/DE/Wirtschaft-Menschenrechte/Gesetz-ueber-die-unternehmerischen-Sorgfaltspflichten-in-Lieferketten/FAQ/faq.html, abgerufen am 3.1.2023.
[4] BT-Drs. 19/28649 v. 19.4.2021, S. 42.
[5] BT-Drs. 19/28649 v. 19.4.2021, S. 42 f.
[6] BT-Drs. 19/28649 v. 19.4.2021, S. 43.
[7] Vgl. Stöbener de Mora/Noll, NZG 2021, S. 1240 f.

5.2 Risikomanagement und Menschenrechtsbeauftragte

 

Rz. 34

Die Unternehmen sind gem. § 4 Abs. 1 LkSG verpflichtet, ein angemessenes und wirksames Risikomanagement zur Einhaltung der Sorgfaltspflichten einzurichten. Das einzurichtende Risikomanagementsystem soll die Interessen der Beschäftigten de...

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