Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz als Compliance-Thema

Zur Karnevalszeit ist die persönliche Korrektheit im Kollegenkreis besonders in den Karnevalshochburgen in Gefahr. Von der zotigen Bemerkung über plumpe Anmache bis zur aufdringlichen Berührung glauben manche Kollegen, sich an Karneval mehr als sonst herausnehmen zu dürfen. Rechtlich liegen sie damit voll daneben.

Die meisten Statistiken, so auch die Internationale Arbeitsorganisation der EU (ILO), gehen davon aus, dass ca. jede zweite Frau am Arbeitsplatz bereits mehr oder weniger gravierend sexuell belästigt (Klage wegen sexueller Belästigung am Arbeitsplatz) worden ist.

Fürsorgepflicht, des Arbeitgebers

Die größeren Unternehmen haben inzwischen in der Mehrzahl Compliance-Regeln implementiert, in denen definiert wird, was eine sexuelle Belästigung ist und die spezifische Sanktionen an Verstöße knüpfen.

Aber auch in jedem anderen Unternehmen trifft den Arbeitgeber eine Fürsorgepflicht, durch verbindliche Compliance-Regeln und deren peniblen Überwachung dafür Sorge zu tragen, dass sexuelle Belästigungen von Mitarbeitern unterbleiben.

Sexuelle Belästigungen sind gesetzlich definiert

Was eine sexuelle Belästigung ist, definiert § 3 AGG. Dabei grenzt das AGG die sexuelle Belästigung von der allgemeinen Belästigung ab, die davon geprägt ist, durch Einschüchterung, Anfeindungen oder Erniedrigung die betreffende Person in ihrer Würde zu verletzen. Die sexuelle Belästigung ist demgegenüber gekennzeichnet durch ein unerwünschtes, sexuell motiviertes Verhalten. Hierzu gehören

  • die unerwünschte sexuelle körperliche Berührung,
  • Bemerkungen sexuellen Inhalts,
  • das unerwünschte Zeigen oder sichtbare Anbringen von pornographischen Darstellungen.
  • Auch bereits das dichte Herantreten an eine Mitarbeiterin und der dauerhaft unverschämte Blick in den Ausschnitt können eine sexuelle Belästigung darstellen. 

Große Zahl von Einzelfallentscheidungen

In Rechtsprechung existiert inzwischen eine Reihe von Einzelentscheidungen, anhand derer sich das Vorliegen einer sexuellen Belästigung gut eingrenzen lässt. Als sexuelle Belästigung wurden gewertet:

  • Das Anfassen einer weiblichen Mitarbeiterin am Gesäß (BAG, Urteil v. 9.6.2011, 2 AZR 323 /10).
  • Pornographische Bilder am Arbeitsplatz verbunden mit einer Aufforderung zu sexuellen Handlungen (ArbG Düsseldorf, Urteil v. 19.6.1997, AuR 97/447).
  • Das Angrapschen einer weiblichen Mitarbeiterin an die Brust (BAG Urteil v. 20.11.2014, 2 AZR 651/13).
  • Heimliches Fotografieren des Gesäßes (LAG Rheinland-Pfalz, Urteil v. 3.11.2009, 3 Sa 357/09).
  • Obszöne und vulgäre Äußerungen (BVerwG, Urteil v.  4.4.2001, 1 D 15/01). 

Der Arbeitgeber ist zu effektiven Präventionsmaßnahmen verpflichtet

Gemäß § 12 Abs. 1 AGG ist der Arbeitgeber verpflichtet, das in seiner Macht Stehende zu tun, um die betroffenen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen vor sexuellen Belästigungen zu schützen. Der Arbeitgeber hat eine Stelle einzurichten, bei der betroffene Mitarbeiter/Mitarbeiterinnen sich beschweren können. Dies kann auch der Arbeitgeber selbst sein. Darüber hinaus hat der Arbeitgeber wirksame Sanktionen an die Verletzung dieser Regeln zu knüpfen. Hierbei steht ihm ein abgestuftes Instrumentarium von der Abmahnung über die Versetzung oder Umsetzung bis hin zur ordentlichen oder fristlosen Kündigung zur Verfügung (BAG, Urteil v. 13.10.2014, 2 AZR 865/13). Diese Verpflichtung trifft den Arbeitgeber auch zur Abwendung sexueller Belästigungen von dritter Seite, also beispielsweise durch Geschäftspartner.

Belästigte Arbeitnehmer haben umfassende Rechte

Gemäß § 13 Abs. 1 AGG haben die Betroffenen

  • das Recht, sich bei den betrieblichen Stellen und beim Betriebsrat zu beschweren (§ 85 BetrVerfG)
  • darüber hinaus ist der Arbeitgeber unter Umständen verpflichtet, eine Entschädigung zu zahlen, falls er seiner Verpflichtung zur Abwendung von Belästigungen nicht hinreichend nachgekommen ist.
  • Im Falle eines Untätigbleibens des Arbeitgebers bei bereits erfolgter Belästigung ist der Arbeitnehmer bzw. die Arbeitnehmerin berechtigt, zur Abwendung einer möglichen Wiederholungsgefahr seine/ihre Tätigkeit ohne Verlust des Anspruchs auf Zahlung des Arbeitsentgelts einzustellen (Leistungsverweigerungsrecht).
  • Außerdem kann das Opfer verlangen, dass der Betriebsrat sich für die Ergreifung von Präventionsmaßnahmen, beispielsweise für die Erteilung einer Abmahnung (§ 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVerfG) oder für eine Kündigung (§ 102 BetrVerfG) einsetzt.

Zu beachten ist neuerdings, dass bei einem einmaligen, nicht allzu gravierenden „Ausrutscher“ eine fristlose Kündigung des betreffenden Arbeitnehmers unverhältnismäßig sein kann (BAG, Urteil v. 20.11.2014, 2 AZR 651/13).

Sexuelle Belästigungen auch im Karneval verboten

Im Ergebnis ist jeder Arbeitgeber gut beraten, einen klaren Verhaltenskodex für das Miteinander von männlichem und weiblichem Personal aufzustellen. Bereits das Unterlassen der Schaffung klarer Regeln, kann im Fall einer Belästigung Entschädigungsansprüche gegenüber dem Arbeitgeber auslösen.

Die Aufnahme solcher Regeln in die Unternehmens-Compliance, die Schaffung eines entsprechenden Überwachungs- und Sanktionsinstrumentariums kann entscheidend dazu beitragen, ein gesteigertes Problembewusstsein bei Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen zu schaffen, und somit in erheblichem Umfang zur Prävention und zum Schutz vor sexuellen Belästigungen beitragen. Diese Regeln sind uneingeschränkt während des ganzen Jahres zu beachten - aber auch an den Karnevalstagen.