Kodex stärkt Pressefreiheit gegen Medienarbeit von Unternehmen

DAX-Konzerne wollen die verdeckten Versuche von Unternehmen stoppen, die Medien in ihrem Sinne zu manipulieren. Der Arbeitskreis „Corporate Compliance“ hat nun grundlegende Empfehlungen für die Medienarbeit der Konzerne in einem eigenen Kodex zusammengefasst. Er ist dem Respekt vor der Unabhängigkeit der Medien verpflichtet.

Mehr und mehr ist zu beobachten, wie Unternehmen Einfluss auf die Inhalte von öffentlichen und privaten Medien nehmen. Manche Unternehmen schrecken nicht einmal davor zurück, Journalisten Geschenke oder Rabatte zu gewähren.

 Drohung mit Entzug von Werbeaufträgen

Bei unliebsamer Berichterstattung wird versteckt mit dem Entzug von Werbeaufträgen gedroht. Insbesondere die Printmedien stehen durch die digitale Konkurrenz unter großem finanziellen Druck. Die wirtschaftliche Abhängigkeit von Werbekunden nutzen einige Unternehmen brutal aus.

Redaktionelle Beiträge werden gekauft

„Unternehmen können heute in einem Ausmaß redaktionelle Berichterstattung kaufen, wie das früher völlig undenkbar war. Und sie machen Gebrauch davon“. Dies äußerte kürzlich Jürgen Gramke gegenüber der Zeitschrift „manager magazin“ (Ausgabe 3/2015). Jürgen Gramke ist Vorsitzender des von den DAX Konzernen ins Leben gerufenen Arbeitskreises „Corporate Compliance“.

Deutsche Wirtschaft will Verantwortung für Pressefreiheit wahrnehmen

Die deutsche Wirtschaft möchte ein Signal dafür setzen, dass sie ihre Verantwortung für die freie Presse erkannt hat. Die von dem Arbeitskreis nunmehr erarbeiteten Empfehlungen sprechen denn auch eine deutliche Sprache und könnten durchaus geeignet sein, zum Schutz eines freien und verantwortlichen Journalismus beizutragen.

Kodex verlangt Respekt vor der freien Presse

Der jetzt als Empfehlung vorgeschlagene Medienkodex enthält Richtlinien für den Umgang von Unternehmen mit der freien Presse. Er richtet sich nicht an die Pressevertreter sondern direkt an die Unternehmen.

  • Der Kodex erfasst die Information der Öffentlichkeit über das Unternehmen (= Unternehmenskommunikation)
  • sowie die Werbung für das Unternehmen und dessen Produkte (Marketingkommunikation).

Der Kodex stellt in seiner Präambel die Pressefreiheit als ein konstituierendes Merkmal der freiheitlich-demokratischen Grundordnung heraus und verlangt von den Unternehmen Respekt vor der grundlegenden Aufgabe der Medien, die Öffentlichkeit wahrhaft und unabhängig zu informieren.

Grundsatz der Wahrhaftigkeit

Der Kodex trägt aber auch dem grundsätzlich Interesse der Unternehmen Rechnung, die Tätigkeit des Unternehmens in der Öffentlichkeit positiv darzustellen. Dennoch dürften Unternehmen vor diesem Hintergrund die Medien nicht unwahr oder irreführend informieren. Unternehmen dürften bei erwarteter kritischer Berichterstattung einzelne Journalisten nicht von allgemeinen Pressetermin ausschließen. Presseanfragen sind grundsätzlich zu beantworten, es sei denn eine Beantwortung ist aus Gründen der Vertraulichkeit nicht möglich.

Wahrung der Unternehmensinteressen ist legitim

Nach dem Kodex ist allerdings die Beeinflussung von Medien im Sinne des Unternehmens rechtens, solange sie nicht darauf abzielt, die Unabhängigkeit der Medien zu beeinträchtigen. Der Respekt vor der Unabhängigkeit der Medien soll nach dem Kodex aber nicht nur eine Leerformel bleiben, vielmehr werden konkrete Verhaltensanforderungen gestellt:

  • Verboten ist die Gewährung von direkten oder indirekten Vorteilen an Journalisten oder an Medienunternehmen, die darauf abzielen, die Freiheit der Berichterstattung zu beeinträchtigen.
  • Unzulässig ist es, Angehörige der freien Medien mit entgeltlichen Aufträgen für Beiträge der Unternehmenskommunikation, Moderation, Reden, Coaching und ähnlichem zu versorgen.
  • Die Unternehmen dürfen kritische Presse nicht mit dem Entzug von Werbeaufträgen sanktionieren oder dieser den Zugang zu Informationen vorenthalten.
  • Verboten sind Journalistenrabatte, Einladungen oder Geschenke.
  • Werbe- und Vermarktungsabteilung sind von der informatorisch/redaktionellen Arbeit bereits im Unternehmen zu trennen. 

Schritt in die richtige Richtung

Mögen manche Formulierungen des neuen Medien-Kodex etwas schwammig sein, so ist doch das Bemühen zu spüren, dem Spannungsfeld zwischen berechtigter Wahrnehmung von Unternehmensinteressen einerseits und einer redaktionell unabhängigen kritischen Medienberichterstattung andererseits gerecht zu werden.

Der Kodex richtet sich in erster Linie an börsennotierte Gesellschaften sowie Gesellschaften mit Kapitalmarktzugang gemäß § 161 Absatz 1 Satz 2 AktG. Der Arbeitskreis empfiehlt die Beachtung der Richtlinien aber auch nicht kapitalmarktorientierten Gesellschaften.

Abweichungen im Einzelfall sind grundsätzlich zulässig, jedoch sind sie konkret zu begründen nach dem Motto „comply or explain“. Die Empfehlungen sollen in den nächsten Wochen an die Fraktionschefs im Deutschen Bundestag, das BMJV und den Bundesverband der Deutschen Industrie weitergeleitet werden.

Selbstverpflichtung nicht ohne rechtliche Folgen

Werden die Empfehlungen angenommen, so stellt der Kodex in erster Linie eine Selbstverpflichtung der deutschen Wirtschaft dar. Die insoweit häufig verwendete Bezeichnung „soft law“ ist allerdings irreführend. In der Rechtsprechung werden an Verstöße gegen solche Codici durchaus gelegentlich Rechtsfolgen geknüpft.

  • So hat das LG Hannover wegen eines Verstoßes gegen die Corporate Compliance bereits einen Aufsichtsratsbeschluss einer AG für nichtig erklärt (LG Hannover, Urteil v. 11.3.2010, 23 O 124/09).
  • Auch der BGH hat in dem Verfahren Leo Kirch/Deutsche Bank einen Verstoß gegen eine Entsprechenserklärung der Bank gemäß § 161 Abs. 1 Satz 2 AktG als rechtserheblich gewertet (BGH, Urteil v. 16.2.2009, II ZR 185/07).

Die möglichen Rechtsfolgen solcher Selbstverpflichtungen sollten daher nicht unterschätzt werden.

Vgl. zum Thema Pressefreiheit auch:

BGH gibt Pressefreiheit Vorrang vor Persönlichkeitsrechten

Öffentliches Informationsinteresse geht vor, selbst wenn Info illegal beschafft wurde

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