BGH hat Aufrechnungsverbots-Klausel der Sparkassen gekippt

Die Klausel, wonach der Bankkunde gegen Forderungen einer Sparkasse nur mit unbestrittenen oder rechtskräftig festgestellten Forderungen aufrechnen darf, ist unwirksam. Sie beißt sich mit halb-zwingendem Widerrufsrecht zugunsten des Verbrauchers. Damit hat der BGH erneut den Bankkunden den Rücken gestärkt.

Eine bayerische Sparkasse hatte in ihren AGB folgende Klausel, die auch andere Banken gleichlautend verwenden:

„Der Kunde darf Forderungen gegen die Sparkasse nur insoweit aufrechnen, als seine Forderungen unbestritten oder rechtskräftig festgestellt sind.“

Ein Verbraucherschutzverband sah hierin eine ungerechtfertigte Benachteiligung des Verbrauchers und klagte auf Unterlassung.

OLG sah nur deklaratorische Klausel und auch keine Benachteiligung

LG und OLG entschieden unterschiedlich. Während das zunächst angerufene LG den Verbraucherschützern recht gab, wies das OLG die Klage ab. Nach Auffassung des OLG Nürnberg unterliegt die beanstandete Klausel nicht einmal der rechtlichen Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB.

  • Die Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB setze voraus, dass die beanstandete AGB eine von den allgemeinen Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen beinhalte.
  • Eine rein deklaratorische Klausel, die lediglich die Rechtslage wiedergebe, unterliege nach höchstrichterlicher Rechtsprechung dieser Inhaltskontrolle nicht  (BGH, Urteil v. 08.05.2012 , XI ZR 61/11).
  • Nach Auffassung des OLG enthält die vom Verbraucherschutzverband beanstandete Klausel keine von den allgemeinen Rechtsvorschriften abweichende Regelung.
  • Im übrigen würde die Klausel nach Auffassung des OLG auch einer Inhaltskontrolle gemäß § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB standhalten, da sie keine unangemessene Benachteiligung des Kunden enthalte.

BGH sieht Abweichung der AGB von grundlegenden Rechtsvorschriften

Der BGH kam zu einem komplett anderen Ergebnis. Der Senat befand zunächst, dass die Aufrechnungsverbotsklausel eine Abweichung von den Vorschriften der §§ 355 ff BGB enthält. Diese Abweichung machte der BGH an den Regelungen für das Widerrufsrecht fest. Bei den gesetzlichen Vorgaben für das Widerrufsrecht handle es sich um sogenanntes „halb-zwingendes“ Recht zu Gunsten des Verbrauchers.

  • Wichen AGB zum Nachteil des Kunden von solchem halbzwingendem Recht ab, bedeute dies eine Benachteiligung des Bankkunden.
  • Eine solche Benachteiligung führe grundsätzlich zur Unwirksamkeit einer Bestimmung in den AGB, da eine solche Benachteiligung als unangemessen im Sinne des § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB zu werten sei. 

AGB bewirkt unzulässige Erschwerung des Widerrufsrechts

Vorliegend begründete der BGH diese Schlussfolgerung damit, dass

  • das Aufrechnungsverbot auch solche Forderungen erfasse, die einem Verbraucher im Rahmen eines Rückabwicklungsverhältnisses nach einem Widerruf erwachsen.
  • In diesen Fällen müsse der Verbraucher der Bank seine Ansprüche aus dem Abwicklungsverhältnisses aber gemäß § 355 Abs. 3 BGB wirksam und unmittelbar entgegensetzen können.
  • Nach dem Diktum des Senats wird diese Möglichkeit dem Verbraucher durch das Aufrechnungsverbot der beanstandeten Klausel aber versagt.
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Damit bedeutet die Klausel im Ergebnis eine unzulässige Erschwerung der Ausübung des Widerrufsrechts, so dass die Klausel den Verbraucher in unangemessener Weise  benachteiligt.

(BGH, Urteil v. 20.03.2018, XI ZR 309/16).

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Hintergrund:

Halb-zwingendes Widerrufsrecht

Die Regelung des § 355 BGB ist halb-zwingendes Recht. Lediglich zugunsten des Verbrauchers darf von dieser Vorschrift abgewichen werden (vgl. BGH, Urteil v. 13.01.2009, XI ZR 118/08, NJW-RR 2009, 709, 710 Rz. 17; OLG Düsseldorf, Urteil v. 07.04.2011 - I-6 U 134/10, juris Rz. 41; Bamberger/Roth/Grothe, a.a.O., § 355 Rz. 2; Erman/Saenger, BGB, 13. Aufl., § 355 Rz. 1; Masuch in MünchKomm/BGB, a.a.O., § 355 Rz. 4; Palandt/Grüneberg, a.a.O., § 355 Rz. 2; Staudinger/Kaiser, BGB [2012], § 355 Rz. 94).

Mit dem am 13.06.2014 in Kraft tretenden § 361 Abs. 2 BGB in der Fassung des Gesetzes zur Umsetzung der Verbraucherrechterichtlinie und zur Änderung des Gesetzes zur Regelung der Wohnungsvermittlung vom 20.9.2013 (BGBl. I, 3642) hat der Gesetzgeber diese halbzwingende Wirkung - deklaratorisch - festgestellt.

Aus: Deutsches Anwalt Office Premium