Tätigkeiten mit Infektionsgefährdung: DGUV-Empfehlung

In vielen Berufen spielt der Schutz vor Infektionskrankheiten eine zentrale Rolle. Das sind vor allem Tätigkeiten, bei denen enger Kontakt mit Menschen und Tieren zum Alltag gehört – also jederzeit Ansteckungsgefahr für die Beschäftigten besteht. Die DGUV-Empfehlung „Tätigkeiten mit Infektionsgefährdung“ will diese Gefährdung auf ein Minimum reduzieren.

Die DGUV-Empfehlung „Tätigkeiten mit Infektionsgefährdung“ soll vor Infektionskrankheiten durch Biostoffe wie Mikroorganismen, Zellkulturen oder Parasiten schützen. Wirkungsweise und Krankheitsbilder, hervorgerufen durch Biostoffe, sind sehr unterschiedlich. Sie hängen eng mit den Eigenschaften der Erreger zusammen. Sie richtet sich an Tätigkeiten, bei denen der enge Kontakt mit Menschen, Tieren und Pflanzen einen zentralen Bestandteil der täglichen Arbeit ausmacht. Die Empfehlung ist daher insbesondere für vier Berufsfelder relevant: In der Gesundheits- und Pflegebranche und (teilweise) medizinischen Laboratorien geht es vor allem um den Schutz vor Hepatitis A und B sowie allen anderen impfbaren Erkrankungen. Im Erziehungswesen soll vor Erkrankungen durch Kinderkrankheiten vorgebeugt werden. In „grünen Branchen“ wie der Forstwirtschaft, der Tierpflege oder dem Garten- und Landschaftsbau steht dagegen die Vorbeugung gegen zum Beispiel Tetanus oder Borreliose im Vordergrund. Beschäftigte in der Abfallentsorgung und -verwertung schließlich müssen gegen alle möglichen Arten von Infektionsgefährdungen geschützt sein.

Welche Vorsorgearten sind möglich?

Eine Pflichtvorsorge muss durchgeführt werden bei gezielten Tätigkeiten mit einem biologischen Arbeitsstoff der Risikogruppe 4 der Biostoffverordnung (BioStoffV) oder mit 39 weiteren Risikostoffen, die man der Verordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge (ArbMedVV) entnehmen kann.
Sie muss ferner durchgeführt werden bei gezielten Tätigkeiten mit biologischen Arbeitsstoffen der Risikogruppe 4 sowie bei Kontaktmöglichkeiten zu infizierten Proben, Verdachtsproben, erkrankten/krankheitsverdächtigen Personen oder Tieren einschließlich deren Transport.
Weiterhin muss eine Pflichtvorsorge durchgeführt werden bei nicht gezielten Tätigkeiten mit biologischen Arbeitsstoffen in
•    Forschungseinrichtungen und Laboratorien, Einrichtungen für Pathologien;
•    Tuberkuloseabteilungen und anderen pulmologischen Einrichtungen;
•    Einrichtungen zur medizinischen Untersuchung, Behandlung und Pflege von Menschen;
•    Einrichtungen zur vorschulischen Betreuung von Kindern,
•    Notfall- und Rettungsdiensten;
•    Kläranlagen und in der Kanalisation;
•    Einrichtungen zur Aufzucht von Vögeln oder zur Geflügelschlachtung;
•    Tollwutgefährdeten Bezirken;
•    Freiflächen in Wäldern, Parks, Gartenanlagen, Tiergärten und Zoos.
Hat der Arbeitgeber keine Pflichtvorsorge zu veranlassen, muss er dem Beschäftigten eine Angebotsvorsorge anbieten bei

  • gezielten Tätigkeiten mit biologischen Arbeitsstoffen der Risikogruppe 3 der Biostoffverordnung und nicht gezielten Tätigkeiten, die der Schutzstufe 3 der Biostoffverordnung zuzuordnen sind oder für die eine vergleichbare Gefährdung besteht.
  • gezielten Tätigkeiten mit biologischen Arbeitsstoffen der Risikogruppe 2 der Biostoffverordnung und nicht gezielten Tätigkeiten, die der Schutzstufe 2 der Biostoffverordnung zuzuordnen sind oder für die eine nicht vergleichbare Gefährdung besteht – es sei denn, nach der Gefährdungsbeurteilung und aufgrund der getroffenen Schutzmaßnahmen ist nicht von einer Infektionsgefährdung auszugehen.

Welche Fristen müssen eingehalten werden?

Die erste Vorsorge muss innerhalb von 3 Monaten vor Aufnahme der Tätigkeit veranlasst oder angeboten werden. Die zweite Vorsorge muss nach Aufnahme der Tätigkeit veranlasst werden, dabei gelten folgende Regelungen:

  • spätestens nach 6 Monaten bei Tätigkeiten mit Exposition gegenüber atemwegssensibilisierend oder hautsensibilisierend wirkendenden Gefahrstoffen bzw. sensibilisierend oder toxisch wirkenden biologischen Arbeitsstoffen sowie bei Feuchtarbeit, 
  • spätestens nach 24 Monaten bei Tätigkeiten in Tropen, Subtropen und sonstigen Auslandsaufenthalten mit besonderen klimatischen Belastungen und Infektionsgefährdungen, 
  • spätestens nach 12 Monaten bei allen anderen Vorsorgeanlässen.

Jede weitere Vorsorge einschließlich nachgehender Vorsorge muss spätestens 36 Monate nach der vorangegangenen Vorsorge veranlasst bzw. angeboten werden. Bei diesen Fristen handelt es sich um Maximalfristen, d.h. diese Fristen dürfen nicht überschritten werden, zulässig sind allein kürzere Fristen. Die Fristen sind zu verkürzen, wenn dies vom Arzt für notwendig gehalten wird.

Wie läuft die Vorsorge ab?

  • Der Betriebsarzt berät das Unternehmen.
  • Das Unternehmen erstellt ein Anforderungsprofil für die entsprechende Tätigkeit.
  • Der Unternehmer teilt dem Arzt den Anlass für die Eignungsbeurteilung mit und beauftragt ihn, diese durchzuführen.
  • Der durchführende Arzt muss sich im Vorfeld der Vorstellung die notwendigen Kenntnisse über den Arbeitsplatz des Beschäftigten sowie dessen gesundheitliche Risiken verschafft haben. 
  • Darauf folgen die Eingangsbeurteilung und Beratung einschließlich einer Anamnese. 
  • Bei der allgemeinen Anamnese fragt der Arzt vor allem nach folgenden Aspekten:
    • Vorerkrankungen,
    • Akute Beschwerden,
    • Mögliche Kontraindikatoren für Impfungen,
    • Früher durchgemachte und bestehende Infektionen oder Infektionskrankheiten,
    • Erkrankungen des Immunsystems oder das Immunsystem beeinflussende Erkrankungen und therapeutische Maßnahmen,
    • Abstand zu vorangegangenen Lebendimpfungen, Immunglobulingaben,
    • Geplante Blutspenden,
    • Schwangerschaft und Stillzeit,
    • Geplante Operationen,
    • Allergien gegen Impfinhaltstoffe,
    • Infektanfälligkeit,
    • Akzeptanzprobleme beim Tragen von PSA,
    • Beschwerden wie Schmerzen, Husten, Auswurf, Müdigkeit, Nachtschweiß.
  • Bei der Arbeitsanamnese erkundigt sich der Arzt vor allem nach den folgenden Aspekten:
    • Konkrete Tätigkeit,
    • Gezielte und nicht-gezielte Erregerkontakte,
    • Häufigkeit und Dauer der Exposition,
    • Unfälle wie Nadelstichverletzungen,
    • Kontakt zu Personengruppen mit erhöhter Prävalenz von Infektionskrankheiten.
  • Der Arzt führt nach eigenem Ermessen eine Untersuchung durch, die aber nicht gegen den Willen der zu untersuchenden Person stattfinden kann. Bei der körperlichen Untersuchung werden körperliche und klinische Faktoren untersucht. Dabei achtet der Arzt vor allem auf 
    • Haut, Hände
    • Mundschleimhaut
    • Lymphknoten
    • Leber
    • Herz
    • Lunge
  • Bei der klinischen Untersuchung werden in Abhängigkeit von der Gefährdungsbeurteilung, dem Tätigkeitsprofil und den Risikofaktoren im Einzelfall vor allem folgende Untersuchungen durchgeführt:
    • Blutbild
    • Serostatus, d.h. An- und Abwesenheit von bestimmten Antikörpern im Blutserum
    • Falls notwendig: Röntgenaufnahme des Brustkorbs
  • Der Arzt stellt dabei fest, ob eine weitergehende ärztliche Untersuchung erforderlich ist. Ist sie das seiner Meinung nach, kann sie aber dennoch vom Beschäftigten abgelehnt werden.
  • Im Anschluss an eine Untersuchung kommt es zu einem weiteren Beratungstermin. Neben der Beratung des Beschäftigten kann ggf. auch eine Beratung des Arbeitgebers stattfinden.
  • Zum Abschluss händigt der Arzt der untersuchten Person und dem Arbeitgeber eine Bescheinigung aus, in der Anlass und Beurteilung/Ergebnis zusammengefasst sind. 
  • Unter anderem aufgrund von gesundheitlichen oder tätigkeitsbezogenen Veränderungen des Beschäftigten oder aber wegen der Einführung neuer Arbeitsmittel und -verfahren kann es zu einem späteren Zeitpunkt zu einer anlassbezogenen erneuten Vorsorge im laufenden Beschäftigungsverhältnis kommen.

Bei welchen Befunden werden Maßnahmen empfohlen?

Bei der Beurteilung sind für den Arzt vor allem folgende Punkte von Relevanz:

  • Akute und chronische Handekzeme und Hauterkrankungen, die die Schutzfunktionen der haut gegenüber Infektionserregern beeinträchtigen oder die Dekontamination der Haut erschweren.
  • Verminderte Immunabwehr, beispielsweise bei angeborenen oder erworbenen Defekten der Abwehrkräfte.
  • Nicht vorhandener Impfschutz.
  • Auffälliger Serostatus.
  • Mögliche Exposition gegenüber nicht impfpräventablen Erregern, d.h. Erregern, gegen die eine Person nicht geimpft werden kann.
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