(1) Aufgrund der hohen Gefährdung sind für die Durchführung der Gefährdungsbeurteilung bei Tätigkeiten der Schutzstufe 3 oder 4 besondere Anforderungen an die Fachkunde zu stellen. Deshalb ist der Arbeitgeber verpflichtet, sich von einer zu benennenden fachkundigen Person beraten zu lassen, es sei denn, es finden ausschließlich Tätigkeiten mit Biostoffen der Risikogruppe 3, die mit (**) gekennzeichnet sind, statt. Schwerpunkt bei der Gefährdungsbeurteilung ist neben der strikten Vermeidung einer Exposition der Beschäftigten auch die konsequente Aufrechterhaltung von Einschließungsmaßnahmen, um ein Entweichen hochpathogener Biostoffe zu verhindern.

 

(2) Insbesondere sind bei Tätigkeiten mit Biostoffen der Risikogruppe 3 und 4 mit einem möglichen doppelten Verwendungszweck ("dual use" Potenzial) Aspekte der biologischen Sicherheit (Biosecurity) zu berücksichtigen (siehe auch Positionspapier des ABAS "Biosecurity aus Sicht des Arbeitsschutzes – Bewertung der Schnittstellen" [16]). Ein Verlust und Missbrauch der Biostoffe ist zu verhindern. Anhang II der BioStoffV, in dem auf die Verordnung (EU) Nr. 2021/821 verwiesen wird, ist zu beachten. Im Hinblick auf die Fachkunde erfordert die Verwendung derartiger Biostoffe spezifische Kenntnisse für die Beurteilung ihrer Eigenschaften und in Bezug auf erforderliche Sicherungsmaßnahmen.

 

(3) Folgende Anforderungen müssen erfüllt sein, um die Gefährdungsbeurteilung fachkundig durchzuführen:

  1. Eine geeignete Berufsausbildung sowie Berufserfahrung, nachgewiesen durch:

    • den Abschluss eines Studiums (mindestens Master, Diplom oder vergleichbares Niveau) der Lebenswissenschaften, der Human- oder Veterinärmedizin oder den Abschluss eines naturwissenschaftlichen (Fach-)Hochschul- oder Universitätsstudiums mit mikrobiologischen Inhalten

      und

    • eine mindestens zweijährige Tätigkeit in der Schutzstufe 2 oder höher im Labor, in der Versuchstierhaltung oder in der Biotechnologie,

      und

    • dokumentierte praktische Erfahrung mit Tätigkeiten in der Schutzstufe 3 oder 4.
  2. Kompetenz im Arbeitsschutz, insbesondere zu Tätigkeiten der Schutzstufe 3 – Voraussetzungen hierfür sind Kenntnisse der

    sowie die Fähigkeit zur

    • Bewertung von Tätigkeitsabläufen und Expositionssituationen hinsichtlich der von den Biostoffen ausgehenden Gefährdungen,
    • Prüfung der Substitutionsmöglichkeiten (bezogen auf Biostoffe, Arbeitsverfahren und Arbeitsmittel),
    • Anwendung des Minimierungsgebotes,
    • Zuordnung der durchzuführenden Tätigkeiten zu gezielten und nicht gezielten Tätigkeiten sowie zur erforderlichen Schutzstufe,
    • Ermittlung, Festlegung und Wirksamkeitsprüfung der erforderlichen Schutzmaßnahmen (technische, organisatorische und persönliche Schutzmaßnahmen, insbesondere Persönliche Schutzausrüstung) nach dem Stand der Technik,
    • Beurteilung und Festlegung geeigneter Sicherungsmaßnahmen, z.B. im Hinblick auf Zugangs- und Zugriffsbeschränkung, Datensicherheit oder Personal,
    • Erstellung von Arbeitsanweisungen,
    • Festlegung von Sofortmaßnahmen bei Unfällen oder Zwischenfällen sowie Auswertung von Unfallursachen,
    • Erstellung eines innerbetrieblichen Notfallplans sowie eines Konzepts zur Gefahrenabwehr,
    • Ermittlung erforderlicher medizinischer Präventionsmaßnahmen,
    • Ermittlung und Festlegung von geeigneten Maßnahmen zur Inaktivierung, Sterilisation, Desinfektion und Abfallentsorgung,
    • Festlegung der erforderlichen arbeitsschutzrelevanten Hygienemaßnahmen.
 

(4) Fachkraft für Arbeitssicherheit, Betriebsarzt oder Betriebsärztin und ggf. weitere Personen (z.B. Beauftragte für die Biologische Sicherheit, Betriebstechniker) decken in der Regel Teilaspekte der erforderlichen Arbeitsschutzkompetenz ab und können insoweit zur Beratung bei der Durchführung der Gefährdungsbeurteilung hinzugezogen werden.

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