Bei Tätigkeiten mit Archivgut ist für Beschäftigte nicht mit gesundheitlichen Gefährdungen durch Biostoffe zu rechnen, wenn Archivgut sachgerecht unter geeigneten baulichen und raumklimatischen Bedingungen gelagert wird.
Führen veränderte Lagerbedingungen, beispielsweise durch Gebäudenässe, verbunden mit Temperaturerhöhungen, zu einer Kontamination von Archivgut aufgrund günstiger Wachstums- und Vermehrungsbedingungen für Biostoffe, können diese Gesundheitsgefährdungen für Beschäftigte in Archiven zur Folge haben. Auch können sich gesundheitliche Gefährdungen ergeben, wenn bereits durch Biostoffe kontaminiertes Archivgut durch Beschäftigte bearbeitet werden muss.
Hat die Gefährdungsbeurteilung nach § 5 Arbeitsschutzgesetz ergeben, dass das Archivgut mit Biostoffen (Schimmelpilzen, aber auch ggf. Hefen, Bakterien und Viren) kontaminiert ist, ist die Gefährdungsbeurteilung für nicht gezielte Tätigkeiten in Archiven nach den §§ 4 und 6 BioStoffV durchzuführen. Eine Gefährdung kann sich durch sensibilisierende oder toxische, aber auch durch infektiöse Wirkungen der Biostoffe ergeben.
Der Eintrag von Biostoffen erfolgt zumeist über die Luft oder durch die Übernahme bereits kontaminierten Archivguts.
Hauptursachen für massive Wachstums- und Vermehrungsprozesse von Schimmelpilzen, Hefen und Bakterien in Archiven sind bauliche Unzulänglichkeiten (zum Beispiel Gebäudenässe, Wärmebrücken, undichte Dächer, unzureichende Luftwechselraten, schwer zu reinigende Räume), zu hohe Raumtemperaturen und Raumluftfeuchten, mangelnde Sauberkeit sowie zu hoher Wassergehalt des Archivguts bzw. zu hohe oberflächennahe relative Luftfeuchte am Archivgut [1].
4.1 Beurteilung vorhandener Biostoffe hinsichtlich möglicher infektiöser, sensibilisierender oder toxischer Wirkungen
Schimmelpilze und Bakterien:
Tabelle 1: Einstufung von Biostoffen, die in kontaminierten Archiven nachgewiesen wurden:
Biostoff |
Übertragungsweg |
Risikogruppe |
Bemerkungen zu toxischen (T) oder sensibilisierenden (A) Wirkungen |
Schimmelpilze z. B. Aspergillus, wie Penicillium spp. Alternaria spp. Mucor spp. |
Einatmen von kontaminiertem Staub |
1 und 2 |
T: Mykotoxine; Glucane A: Schimmelpilzsporen Hyphen |
Actinomyceten |
Inhalation |
1 |
A |
Schimmelpilze wachsen in Form von mikroskopisch kleinen, verzweigten Fäden (Hyphen). Sie können mit bloßem Auge erkennbare Geflechte (Myzel) von teilweise beträchtlicher Größe bilden. Wasser- und Stockflecken, pulvriger oder pelziger Belag in Verbindung mit Verfärbungen und Materialabbau lassen auf Befall schließen.
Schimmelpilze sind gemäß ihrem Infektionsrisiko in der Regel in die Risikogruppe 1, in wenigen Fällen auch in die Risikogruppe 2 (siehe Tabelle 1) eingestuft. Von epidemiologisch untergeordneter Bedeutung hinsichtlich der Häufigkeit sind Infektionskrankheiten (z. B. Aspergillom) durch Schimmelpilze. Diese treten insbesondere dann auf, wenn bereits eine allgemeine oder lokale Schwächung des Immunsystems aufgrund anderer schwerwiegender Erkrankungen vorliegt.
Durch Schimmelpilze können Sensibilisierungen hervorgerufen werden. Längerer intensiver Kontakt mit Schimmelpilzen in hoher Konzentration, insbesondere bei bestehender Veranlagung (Atopie), kann zu einer Sensibilisierung bis hin zu schwerwiegenden allergischen Erkrankungen führen. Verantwortlich dafür sind insbesondere die an Schimmelpilzsporen oder Schimmelpilzfäden gebundenen Allergene. Die Allergene können auch an den umgebenden Staub abgegeben werden.
Nach vorliegendem Erkenntnisstand spielen Mykotoxine bei Tätigkeiten mit kontaminiertem Archivgut keine Rolle. Zwar gibt es Hinweise zur möglichen inhalativen Aufnahme einzelner Mykotoxine, jedoch werden die dafür erforderlichen Konzentrationen in Archiven nicht erreicht.
Einige Bakterienarten, darunter vor allem Aktinomyzeten, können ein allergenes Potenzial haben.
Durch einen Feuchteeintrag infolge eines Hochwasserereignisses oder einer Leckage einer Abwasserleitung ist auch mit dem Auftreten von Fäkalkeimen zu rechnen.
In Einzelfällen kann es möglich sein, dass Nagetiere oder Vögel aufgrund baulicher Unzulänglichkeiten in ein Archiv eindringen. Diese können selbst, durch ihre Ausscheidungen oder über ihre Ektoparasiten (z. B. Flöhe und Zecken) Krankheitserreger übertragen. Infektionen mit diesen Erregern dürften sehr selten vorkommen.
4.2 Tätigkeitsbezogene Gefährdungen
Bei der Ermittlung von Art, Ausmaß und Dauer der Exposition der Beschäftigten gegenüber sensibilisierenden oder toxischen Biostoffen sind folgende Tätigkeiten, die mit direktem Hautkontakt und/oder Aerosolbildung verbunden sind, als gefährdende Tätigkeiten zu werten:
- das Erfassen, Bewerten, Aussondern, Kassieren, Übernehmen, Verwahren und Erhalten (Reinigen, Dekontaminieren, Verpacken, Verfilmen, Digitalisieren, Konservieren und Restaurieren), das Ausheben und Reponieren, Erschließen, Nutzbarmachen und Erforschen von mit Biostoffen kontaminiertem Archivgut in feuchtem oder noch ungereinigtem Zustand,
- Probennehmen von Mikroorganismen,
- Reinigen von Räumen (...