Das Landgericht ist dieser Definition folgend zutreffend von einer objektiv groben Fahrlässigkeit des Baustellenleiters ausgegangen.

Gefährlichkeit der Arbeiten

Beim Fällen von Bäumen handelt es sich um eine gefährliche Tätigkeit. Vorliegend sollten Nadelbäume von 8–10 m Höhe und 30 cm Durchmesser gefällt werden. Dies ist keine leichte Arbeit und kann von Ungelernten ohne besondere Kenntnisse nicht ohne Weiteres ausgeführt werden. Im vorliegenden Fall handelt es sich zudem um eine Fällmethode, die besondere Gefahren birgt. Hierbei wird ein Seil zwischen dem Baum und einem Widerlager mittels eines Kettenzuges gespannt und anschließend die Wurzeln ausgegraben. Die Verseilung soll dazu dienen, dass der Baum in die Zugrichtung fällt, sobald die Wurzeln ausreichend locker sind.

Die Spannung muss daher hoch genug sein, damit sich der Baum leicht in Richtung des Widerlagers neigt. Um dies zu erreichen muss das Seil möglichst weit oben am Baum angebracht werden. Nur hier ist der Baum gut biegsam, anders etwa als weiter unten am Stamm. Wird bei dieser Methode das Seil zu weit unten angebracht, könnte eine zu große Spannung aufgebracht werden. Ist das Widerlager ungeeignet, besteht nicht nur das Risiko, dass beim Umfallen des Baumes Schäden entstehen. Vielmehr kann zusätzlich das Widerlager nachgeben, wodurch es ebenfalls zu ganz erheblichen Personen- und Sachschäden kommen kann. Ob es sich hierbei um eine anerkannte oder geläufige Methode handelt, ist insofern unerheblich.

Diese Gefahr wird noch durch die Verwendung eines Kettenzuges verstärkt. Durch den Kettenzug mit 1,5-t-Zugkraft können ganz erhebliche Kräfte ausgeübt werden. Für den Bedienenden ist das nicht mit besonderen Anstrengungen verbunden, sodass er – zumal wenn er ungeübt bzw. unerfahren ist – leicht zu große Kräfte anwenden kann. Der Kettenzug ist daher in diesem Sinne als besonders gefährliches Werkzeug einzustufen. Ausgehend von dieser besonderen Gefahrenlage ist die Annahme eines objektiv grob fahrlässigen Verhaltens des Baustellenleiters nicht zu beanstanden.

Soweit der Beklagte meinte, die Arbeiten seien objektiv ungefährlich gewesen, weil die Geschädigten nicht mit dem eigentlichen Baumfällen, sondern nur mit Vorbereitungshandlungen betraut gewesen seien, trifft diese Auffassung nicht zu. Es war im Prozess unstreitig, dass die Geschädigten zumindest beauftragt waren, Spannung auf die Zugvorrichtung aufzubringen. Allein dies ist aufgrund der vorgenannten Risiken bei Arbeiten mit einem Seilzug bei den hier gegebenen Umständen sowohl in der Beschaffenheit des Schornsteins/Untergrundes als auch in der Person der ausführenden Mitarbeiter objektiv äußerst gefährlich.

Qualifikation des Baustellenleiters

Den Baustellenleiter trifft zunächst auch aus objektiver Sicht ein Übernahmeverschulden. Er hätte den Auftrag zum Fällen der Bäume nicht annehmen, ihn jedenfalls aber nicht in eigener Verantwortung ohne Hinzuziehung fachkundiger Personen durchführen dürfen.

Aufgrund der geschilderten Gefahren hätten die Arbeiten nur von Arbeitern durchgeführt werden dürfen, die hinreichende Erfahrung im Umgang mit der Seiltechnik hatten. Werden diese Arbeiten von Ungelernten ausgeführt, so müssen diese von hinreichend qualifiziertem Personal unterwiesen werden. Der Baustellenleiter besaß nicht die erforderliche Qualifikation und Berufserfahrung, um andere in Baumfällarbeiten bzw. deren Vorbereitung mit dem Seilzug zu unterweisen.

Er war von Beruf Installateur bzw. Heizungsbauer. Er hatte an keinen Fortbildungen oder Schulungen teilgenommen, bei der er in der Arbeit des Baumfällens eingewiesen worden wäre. Auch verfügte er nicht über hinreichende praktische Erfahrung, aufgrund derer er qualifiziert erschien, andere anzuweisen, wie derartige Tätigkeiten zu verrichten sind. Derartige Erfahrungen ergeben sich weder aus der Tätigkeit bei Garten- und Landschaftsbauunternehmen in den Semesterferien 1992–1994, noch aus seiner Tätigkeit bei der Zeitarbeitsfirma oder aus etwaigen Fällarbeiten an den Tagen vor dem Unfall.

In den Semesterferien 1992–1994 hat der Baustellenleiter nur Hilfstätigkeiten nach Anweisung (Befestigung des Seils am Baum und Freigraben) erfüllt. Er hat diese Arbeiten nicht geleitet. Zudem lag diese Tätigkeit zum Zeitpunkt des Unfalls bereits mehr als 11 Jahre zurück. In der Zwischenzeit hat der Baustellenleiter keine Bäume mehr mittels der Seiltechnik gefällt. So hat er im Rahmen seiner Tätigkeit als Baustellen- und Projektleiter der Zeitarbeitsfirma keine Fällarbeiten der vorliegenden Art durchgeführt. Der vorliegende Auftrag war vielmehr der erste dieser Art, den der Baustellenleiter übernommen hat.

In den Tagen vor dem Unfall hatte der Baustellenleiter zwar andere Arbeiter angewiesen, wie sie mithilfe des Schornsteins und eines Seiles Bäume "flachzulegen" hätten. Daraus ergibt sich aber keine hinreichende praktische Erfahrung. Vielmehr hatte der Baustellenleiter lediglich seine Kenntnisse, die er in den Semesterferien erlernt hatte, angewandt, ohne genau zu wissen, i...

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