Deutsch-französischer Klimaschutztag: Grenzenlos grün?
„Wir teilen die Mosel, den Rhein und auch Hochwasser. Wir müssen Klimawandelfolgen gemeinsam ertragen“, mit diesen Worten eröffnete Sebastian Thul, Staatssekretär im saarländischen Umweltministerium, die Veranstaltung. Er betonte die Notwendigkeit eines gemeinsamen Engagements beider Länder für den Klimaschutz. Gastgeberin Sabine Busse, Geschäftsführerin der Hager Group, knüpfte daran an: „Deutschland und Frankreich können gemeinsam Vorreiter einer nachhaltigen und wettbewerbsfähigen Wirtschaft in Europa sein.“ Die Wahl des elsässischen Obernai als Veranstaltungsort war symbolisch: Hier betreibt der Hersteller von Elektroinstallationsmaterial ihren größten Produktionsstandort.
Raus aus dem Tunnel, hin zur systemischen Betrachtung
Die inhaltliche Klammer des Tages war die Rolle der Kreislaufwirtschaft als Element auf dem Weg zu Klimaneutralität. Dr. Susanne Kadner von UnternehmerTUM/Circular Republic rief dazu auf, „den Klimaschutz mit der Ressourcendebatte zusammenzubringen“ und forderte eine Abkehr von der sogenannten „Carbon Tunnel Vision“. Sie hob hervor, dass auch Rohstoffabhängigkeiten – insbesondere gegenüber China – durch konsequente Circular-Economy-Ansätze verringert werden könnten.
Auch Elisabeth Bröring vom Recyclingunternehmen MWT unterstrich das wirtschaftliche Potenzial dieser Strategien: „Circular Economy ist kein ESG-Thema, sondern ein Profitabilitätsthema.“ Benjamin Kampmann vom Kunststoffunternehmen Pöppelmann beschrieb die Kreislaufwirtschaft als größten Hebel in der Klimastrategie seines Unternehmens und zugleich Treiber für Produktinnovationen.
Was Deutschland und Frankreich voneinander lernen können
Die Veranstaltung bot deutschen und französischen Akteur:innen eine Plattform für gegenseitiges Lernen. Das brachte einige spannende Impulse hervor. So sind Ausschreibungen in Frankreich beispielsweise meist konkreter. Lebenszyklusanalysen von Produkten (LCAs) werden dort ganz selbstverständlich eingefordert, sagte ein Teilnehmer. Darüber hinaus motiviert die französische Gesetzgebung viel stärker zum Reparieren, das durch einen Reparaturbonus explizit belohnt wird. Auf deutscher Seite zeigte sich hingegen eine andere Dynamik im Umgang mit erneuerbaren Energien. Eine französische Teilnehmerin bemerkte kritisch: „In Frankreich ruhen wir uns vielleicht etwas zu sehr auf unserem ‚grünen‘ Atomstrom aus.“
Welche Rahmenbedingungen sind für klimaneutrales Wirtschaften nötig?
Die Speaker formulierten auch Wünsche an die Politik. Unter anderem: In Arbeitsgruppen zur Ausgestaltung neuer Regelungen sollten mehr Praktiker beteiligt werden. Denn nur durch Fachlichkeit und praktische Erfahrungen können Regularien vermieden werden, die Fehlanreize setzen oder deren Anforderungen kaum umzusetzen sind.
In der Podiumsdiskussion „Europa auf Klimakurs“ plädierte Lars Baumgürtel, CEO der ZINQ Group, dafür, den ökologischen Nutzen und die Gesamtqualität von Produkten stärker in den Fokus zu rücken – beispielsweise durch Instrumente wie den Digitalen Produktpass oder die Ökodesign-Verordnung des Green Deals. Deutlich weniger Potenzial misst Baumgürtel den Berichterstattungspflichten zu: „Wenn ich mir die Unternehmensberichterstattung anschaue, kann ich sagen: Unternehmen lügen. Produkte lügen selten oder nie.“
Dr.-Ing. Julia Hobohm, Geschäftsführerin der Gemeinsames Rücknahmesystem Servicegesellschaft, betonte, dass die Klimaziele im Zuge des Green Deals erreichbar sein müssen und durch Zwischenziele motivieren sollen. Vor allem jedoch sollten notwendige Veränderungen sozial gestaltet werden. Philipp Andree von Klimaschutz-Unternehmen e. V., fasste es prägnant zusammen: „Klimaschutz und Kreislaufwirtschaft werden von Menschen gemacht“ – beiderseits des Rheins und weltweit.
Fazit: Grenzen überwinden – gemeinsam handeln
Der erste deutsch-französische Klimaschutztag hat gezeigt: Grenzüberschreitender Dialog ist nicht nur möglich; er ist essenziell für eine nachhaltige Zukunftsgestaltung in Europa. Während Themen wie Kreislaufwirtschaft oder politische Rahmenbedingungen differenziert beleuchtet wurden, blieb eines stets präsent: Nur durch Zusammenarbeit lassen sich globale Herausforderungen bewältigen.
Dass jedoch selbst im Herzen Europas Grenzen spürbar bleiben – etwa durch kurzfristige Zugunterbrechungen aufgrund deutscher Grenzkontrollen –, zeigt auf: Der Weg zu einer klimagerechten Welt mag lang sein, doch genau deshalb braucht es Veranstaltungen wie diese als Brückenbauer zwischen Nationen und Ideenwelten.
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