Warum Festpreise nicht für jede Kanzlei die beste Lösung sind
Was haben Stefan Lami, Ronald Baker – beides Autoren zum Thema Honorargestaltung in der Steuerberatungsbranche - und StB Philipp Penkatzki gemeinsam? Alle sind glühende Verfechter von Fixpreisen für Steuerberatungsleistungen und gleichermaßen überzeugt, dass man auf die Erfassung von Arbeitszeiten – als Grundlage für die Ermittlung eines angemessenen Honorars – gut verzichten kann.
Zuletzt hat StB Philipp Penkatzki im Haufe-Podcast „Verhör(t) - Steuerthemen auf der Spur“ die Vorteile seines Modells geschildert. Durch die Einführung von Festpreisen habe sich in seiner Kanzlei der Verwaltungsaufwand reduziert und Prozesse konnten vereinfacht werden. Die Bearbeitung des Rechnungserstellungsprozess konnte an fachfremde Mitarbeiter delegiert werden und schaffe so bei den Steuerfachkräften zusätzliche Entlastung.
Bei der Preisfestsetzung stellt Penkatzki den Nutzen bzw. Mehrwert für den Mandanten, sowie das in der Kanzlei vorhandene Wissen und Erfahrung in den Vordergrund. Das rein stundenbasierte Modell tausche lediglich Zeit gegen Geld und limitiere so den maximalen Gewinn, sagt Penkatzki. Zudem belohnt sich die Kanzlei für Bemühungen zur Steigerung der Effizienz und steigert so die eigene Marge.
Nicht wenige Vertreter des Berufsstands werden diesem, durchaus radikalen Ansatz, wenig abgewinnen können und als unternehmerisches Harakiri betrachten. Nicht zu wissen, wie lange man für einen Auftrag gebraucht hat, und somit keine auftragsbezogenen Informationen zu kennen, verhindert eine genaue Steuerung des Unternehmens Steuerberatungskanzlei. Zudem wird der Einwand vorgebracht, dass bei der Anwendung von Festpreisen bzw. Pauschalen „immer einer verliert“: Der Mandant, weil die Kanzlei auf den geplanten Aufwand einen Sicherheitszuschlag einpreist, oder die Kanzlei, wenn der zeitliche Aufwand dann doch höher lag als ursprünglich geplant.
Gleichzeitig regen der Erfahrungsbericht und die aktuellen Diskussionen dazu an, eingefahrene Denkmuster zu hinterfragen und das Thema Preisgestaltung aus einer anderen Perspektiven zu betrachten. Die Frage, wie eine zukunftsfähige Honorarstrategie - maßgeschneidert für die eigene Kanzlei und Persönlichkeit - aussehen kann, gewinnt aufgrund der aktuellen und zukünftig zu erwartenden Entwicklungen in der Branche spürbar an Relevanz.
Warum sich Kanzleien gerade jetzt mit ihrer Honorarstrategie beschäftigen sollten
„Wir werden in den nächsten Jahren den größten Umbruch erleben, den die Branche bisher gesehen hat“, konstatierte ein Berater in einem Workshop hinsichtlich der zukünftigen Entwicklung des Geschäftsmodells von Steuerberatungskanzleien. Um den wirtschaftlichen Erfolg der eigenen Kanzlei auch in Zukunft sicher zu stellen, sollten Kanzleiinhaber folgende Entwicklungen näher betrachten:
- KI und Automatisierung auf dem Vormarsch: Nachdem der technische Fortschritt in der Vergangenheit vor allem Auswirkungen auf körperliche Tätigkeiten hatte, zeigt sich spätestens seit der Verfügbarkeit von generativen KI-Modellen und der Integration von KI-Funktionen in Standardsoftware, wie mächtig die Auswirkungen auf die Wissensarbeit aktuell schon sind und zukünftig noch sein werden. Angesichts der steigenden Effizienz durch KI-Tools könnte auch das stundenbasierte Modell in Steuerberatungskanzleien untergraben werden. Ein weiteres Argument für StB Philipp Penkatzki auf Festpreise zu setzen, da diese die Vergütung von der Zeit entkoppeln und das Geschäftsmodell widerstandsfähiger und zukunftsfähiger. Der amerikanische Pricing-Berater Tim Williams prophezeit gar, dass die künstliche Intelligenz (KI) der „letzte Nagel in den Sarg der Stundenabrechnung“ sein wird.
- Veränderte Zusammenarbeit und neue Mandantenerwartungen: Die Erwartungen, die Mandanten an ihre Kanzleien stellen, unterliegen einem spürbaren Wandel. Zum einen beobachten wir seit Längerem eine zunehmende „Demokratisierung“ steuerlicher Informationen: Online-Plattformen, Social Media und insbesondere generative KI-Systeme wie ChatGPT machen steuerliche Inhalte immer leichter zugänglich. Tatsächlich hat KI bereits Prüfungen zum Steuerfachangestellten bestanden und wird vereinzelt für Einschätzungen steuerlicher Fragen von Mandanten genutzt. Ein vollständiger Ersatz persönlicher Beratung ist jedoch nicht zu erwarten – vielmehr verändert sich die Rolle des Steuerberaters. Künftig wird es stärker um Coaching, Einordnung, Qualitätssicherung und individuelle Begleitung gehen. Gleichzeitig wünschen sich Mandanten immer häufiger Transparenz und Planbarkeit in Bezug auf die Kosten. Diese Entwicklung unterstreicht die Relevanz klarer, nachvollziehbarer und gegebenenfalls auch pauschaler Honorarmodelle.
- Wachsender Kostendruck: „Wir haben seit Jahren stark steigende Personalkosten und fürchten, dass dies zulasten unserer Rendite geht“, teilte mir kürzlich ein Berater in einem Beratungstermin mit. In der Tat, so bestätigt es auch die letzte STAX-Befragung, ist der Anteil der Personalkosten am Umsatz in den vergangenen Jahren stark angestiegen – von 32 Prozent im Jahr 2012 auf fast 44 Prozent im Jahr 2024. Und auch in den nächsten Jahren ist davon auszugehen, dass sich die Personalsituation und damit auch Kostenentwicklung wegen der demografischen Entwicklung nicht ändern wird. Sicherlich liegen in vielen Kanzleien Potenziale zur Verbesserung der Produktivität brach. Diese zu heben ist zwingend notwendig und sollte auch nachhaltig verfolgt werden. Jedoch ist die Realisierung von Effizienzgewinnen häufig sehr aufwändig und entfaltet ihre Wirkung auf die Rendite zeitverzögert. Hingegen haben Preissteigerungen „die stärkste Wirkung auf Gewinne“, so konstatieren Hermann Simon und Martin Fassnacht in ihrem Buch Preismanagement (erschienen bei Springer Gabler). Gleiches gilt auch für die Steuerberatungsbranche.
Was sollten Kanzleiinhaber tun, um den beschriebenen Herausforderungen zu begegnen?
So verschaffen sich Kanzleiinhaber einen Überblick zu Abrechnungsvarianten und Klarheit im Vergütungsrecht
Bevor eine Entscheidung darüber getroffen wird, wie eine Kanzlei ihre Leistungen künftig abrechnet, ist es ratsam, sich mit den verschiedenen Abrechnungsvarianten intensiv auseinanderzusetzen und die jeweiligen Vor- und Nachteile sorgfältig gegeneinander abzuwägen. Der Kenntnisstand zu den Regelungen des Gebührenrechts ist, so meine Beobachtung aus vielen Workshops und Einzelberatungen, in vielen Kanzleien ausbaufähig. Diese Lücken lassen sich über die Teilnahme an Seminaren und die regelmäßige Sichtung von aktuellen Fachpublikationen schließen.
Bei genauer Betrachtung der StBVV zeigt sich – insbesondere im internationalen Vergleich – ein Alleinstellungsmerkmal des deutschen Gebührenrechts: Dies beinhaltet nämlich einen wertbasierten Ansatz, in Form von Gegenstandswert und dem Wert des Interesses - analog der Idee des Value-Based-Pricing. Eine reine Zeitgebühr kommt nur in wenigen Fällen zur Anwendung, so beispielsweise bei der Prüfung von Steuerbescheiden. Bei der Ermittlung der Gebühr für eine Steuerberaterleistung greift das sogenannte Dreieck der Angemessenheit: Der zeitliche Aufwand ist dabei lediglich eines von drei Kriterien zur Bemessung eines angemessenen Honorars, neben Bedeutung der Angelegenheit in Form des Gegenstandswerts und der Schwierigkeit der Tätigkeit.
Im Hinblick auf Festpreise oder Pauschalen ist hervorzuheben, dass der Gesetzgeber mit der Reform der StBVV zum 1. Juli 2025 die Möglichkeiten zur Vereinbarung solcher Modelle deutlich erweitert hat und nicht mehr auf die Bereiche Finanz- und Lohnbuchhaltung beschränkt. Die Festlegung der Höhe der Pauschale erfolgt in der Regel auf Basis des durchschnittlichen Zeitaufwands, zuzüglich eines Sicherheitszuschlags. Demgegenüber verfolgen Kanzleien wie die von Philipp Penkatzki den Ansatz, den Nutzen und Wert für den Mandanten in den Vordergrund zu stellen – und eben nicht den zeitlichen Aufwand. Die Lösung zum häufig genannten Kritikpunkt an Pauschalen, dass Mandanten diese quasi als Flatrate für alle Leistungen der Kanzlei betrachten, lässt sich durch eine klare Abgrenzung der Leistungsinhalte realisieren. Ohnehin sieht das Gebührenrecht die Schriftform für Pauschalen vor und in der Vergütungsvereinbarung sollte klar beschrieben sein, welche Leistungen in der Pauschale enthalten sind und welche zusätzlich berechnet werden.
Analyse des eigenen Honorarmodells
Kanzleien, die Handlungsbedarf bei der Weiterentwicklung ihrer Honorarstrategie sehen, sollten ihr bisheriges Abrechnungsverhalten systematisch analysieren. Häufig besteht das Gefühl, bei der Berechnung von Leistungen sprichwörtlich „Geld zu verschenken“. In meinen Beratungsprojekten identifiziere ich bei der Analyse des Abrechnungsverhaltens regelmäßig bislang ungenutzte Honorarpotenziale – je nach Ausgangslage liegt der mögliche Mehrumsatz zwischen 5 und 35 %. Besonders hervorzuheben ist: Dieser zusätzliche Umsatz wirkt sich in vollem Umfang auf den Gewinn aus. Zudem entfalten umgesetzte Preismaßnahmen ihre Wirkung nicht nur einmalig, sondern auch in den Folgejahren.
Bei der Analyse sollte der Blick jedoch auch auf angrenzende Themenfelder gerichtet werden, die eng mit der Honorarstrategie verknüpft sind. Deshalb empfiehlt sich eine fundierte Standortbestimmung, aus der konkrete Handlungsempfehlungen zu zentralen Fragestellungen in den Bereichen Strategie, Mandant, Prozesse, Finanzen sowie zur rechtlichen Absicherung hervorgehen . So werden Interdependenzen sichtbar: Möchte eine Kanzlei zukünftig eine konsequente Weiterberechnung von Zusatz- und Sonderleistungen auf den Weg bringen, hat dies einerseits Auswirkungen auf die Prozesse im Rahmen der Zeiterfassung. Andererseits könnten für den Mandanten unerwartete, zusätzliche Gebührenpositionen zu Unzufriedenheit und Rückfragen führen, was sich wiederum auf die Kanzleiprozesse auswirkt.
Honorarstrategie/-management dokumentieren und jährlich anpassen
Wenn sich eine Kanzlei nach eingehender Analyse für ein bestimmtes Abrechnungsmodell entschieden hat, sollte dieses zur Sicherstellung eines einheitlichen Vorgehensmodells und zur Transparenz innerhalb der Belegschaft, im QM-Handbuch schriftlich fixiert werden. Hierin finden sich Hinweise zur preislichen Positionierung im Markt sowie zum grundsätzlichen Gebührenansatz und zur individuellen Gebührenermittlung in Form eines Leistungskatalogs. Außerdem werden prozessuale Themen zur Zeiterfassung und Rechnungsschreibung beschrieben. Dies erleichtert das On-Boarding von neuen Mitarbeitern und sorgt für Einheitlichkeit bei der Kalkulation und Abrechnung von Leistungen. Außerdem fördert ein klares Honorarmodell die Preisstabilität und reduziert das Risiko, dass man Nachlässe gibt, wenn ein Mandant entweder besonders forsch auftritt, oder besonders sympathisch ist – beides haben mir schon mehrfach Kanzleiinhaber berichtet.
Den eigenen Weg zur optimalen Preisstrategie finden
Um den aktuellen Herausforderungen der Branche wirkungsvoll zu begegnen, sollten Kanzleien ihre Honorarstrategie konsequent überdenken. Festpreise oder Pauschalmodelle können dabei sinnvolle Ansätze sein. Gleichzeitig bietet die StBVV mit ihrer wertorientierten Struktur eine solide Grundlage, um Effizienzsteigerungen nicht zulasten von Umsatz und Rendite gehen zu lassen. Entscheidend ist, dass das Honorar-Modell zur Kanzlei und zu ihren Inhabern passt. Wer überzeugt hinter seinem Modell steht, kann es auch gegenüber Mandanten souverän vertreten. Dennoch sollten Kanzleien ihr Preismodell mindestens einmal jährlich kritisch hinterfragen und dabei neue Erkenntnisse sowie Veränderungen im Marktumfeld oder in der eigenen Arbeitsweise berücksichtigen.
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