Feel-Good-Management in der Steuerberatung
Feel-Good-Management: Mehr als Obstkörbe und Fitnessstudio-Mitgliedschaften
Frau Dine, was ist das Ziel Ihres „Feel-Good”-Konzepts?
Wir wollen Kanzleien befähigen, weit über oberflächliche Maßnahmen wie Obstkörbe oder Fitnessstudio-Mitgliedschaften hinauszugehen.
Für uns bedeutet „Feel-Good” eine ganzheitliche Unternehmenskultur, die sowohl intern als auch extern attraktiv ist.
Es geht darum, die Arbeitgebermarke zu stärken und ein Wir-Gefühl, Transparenz, Vertrauen und wertschätzende Kommunikation zu schaffen. Das beinhaltet zwar eine bewusste Fokussierung auf das Wohlbefinden der Mitarbeitenden, aber vor allem auf das Wohlbefinden der Kanzleiführung. Es geht darum, Bedürfnisse zu erkennen, auf sie einzugehen und entsprechend handlungsfähig zu sein.
Weshalb halten Sie das Wohlbefinden der Kanzleiführung für so wichtig?
Kanzleileitungen sollten unbedingt Zufriedenheit ausstrahlen. Es ist wichtig, dass sie signalisieren, dass sie mit der richtigen Vision ihre Kanzlei zukunftsfähig aufstellen möchten, anstatt abwartend und mit dem Alltagsgeschäft ablenkend ihren Weg ins Ungewisse weiter zu beschreiten. Das ist nicht einfach, Druck ist in der Steuerberaterbranche zwar nicht neu. Allerdings hat sich dieser mittlerweile immens erhöht, da in immer kürzerer Zeit Veränderungen in der Gesetzgebung vorgenommen werden und umgesetzt werden müssen. Außerdem spricht die Branche seit vielen Jahren über den Fachkräfte- und Personalmangel. Kanzleileitungen sind weniger Unternehmer, sondern eher Verwalter.
Selten gibt es eine Strategie und wenn es sie gibt, wird diese oft nur unzureichend bis schlecht umgesetzt. Es bestehen starke Defizite im Bereich der Mitarbeiterführung, was zu Unzufriedenheit, Demotivation und Frust führt – bei der Kanzleileitung ebenso wie bei den Mitarbeitenden. Das Feel-Good-Management deckt hier die Indikatoren auf, welche zu diesen Situationen geführt haben. Danach erarbeiten wir Lösungen.
Warum besonders Steuerkanzleien ein Feel-Good-Management brauchen, darüber schreibt Melita Dine in diesem Gastbeitrag.
KI und Feel-Good-Management: Ein Change of Mindset ist gefragt
Krisen und neue Technologien haben die Situation ja zuletzt noch unübersichtlicher gemacht. Was kann und muss Feel-Good-Management in einem solch volatilen Arbeits- und Wirtschaftsumfeld leisten können?
Durch den Einsatz von Technologien wie KI und Automatisierung können Steuerberaterinnen und Steuerberater ihren Mitarbeitenden einerseits ein modernes Arbeitsumfeld bieten, das ihre Effizienz steigert und sie bei der Bewältigung ihrer Aufgaben unterstützt. So ist es mittlerweile möglich, etwa die komplette Buchhaltung durch die KI erledigen zu lassen. Anderseits hat die Einführung dieser neuen Technologien oft auch Schattenseiten und wirft Fragen auf: Wo liegen die Grenzen einer KI? Wer hat Erfahrungswerte im Umgang und welche Auswirkungen hat die KI auf die Verhaltensweisen der Mitarbeiter und auf das Arbeitsumfeld? KI erfordert ein Change im eigenen Mindset. Wir müssen lernen, mit KI umzugehen.
Beim Einsatz von ChatGPT muss beispielsweise gelernt werden, die richtigen Fragen zu stellen, um den gewünschten Output zu bekommen. Zusätzlich bedarf es der nachträglichen Kontrolle und Anpassung der Ergebnisse. Wachsamkeit ist gefordert. Junge Menschen wachsen mit diesen Technologien auf und erachten den Umgang damit als selbstverständlich. Alle anderen aber müssen diesen Umgang erst erlernen. Dabei tritt schnell Überforderung ein und anstelle von Arbeitserleichterung kommt es zu neuen Stolpersteinen.
Wo setzt hier Feel-Good an?
Der Feel-Good-Manager hilft dabei, die Stressfaktoren zu senken.
Gerade in schweren Zeiten ist Feel-Good-Management ein wichtiger Anker, der für innere Stabilität in einem Unternehmen sorgt.
Sich verstanden fühlen und einen Ansprechpartner haben, welcher sich die Sorgen und Bedarfe der Mitarbeitenden anhört und versteht – darum geht es. Die Gefühlswelt und die Indikatoren für Stress sind bei jedem Mitarbeiter unterschiedlich. Folglich geht jeder mit diesen Themen anders um.
Kann Feel-Good-Management wirklich so umfassend wirken? Geht es denn nicht auch um essenzielle Aspekte wie Vergütung, Arbeitszeit, Familie und Beruf?
Indirekt beeinflusst Feel-Good all diese Aspekte. Mit durchdachten Strukturen und Prozessen werden Abläufe optimiert, die wiederum zu Zeitersparnis führen, die für die Familie bleibt. Lust auf das, was man tut sowie gefördert und gefordert werden führt auch oftmals zu dem Wunsch, weitere Ziele zu erreichen. Das bringt den Mitarbeiter auf das nächste Level, etwa durch Weiter- oder Fortbildung. Und somit kann auch nicht zuletzt der Aspekt der Vergütung positiv durch Feel-Good-Management beeinflusst werden.
Eine "One Size Fits All" Lösung gibt es nicht im Feel-Good-Management
Wie läuft Ihre Beratung ab?
Wir schicken derzeit noch keine Feel-Good-Manager in die Kanzleien, sondern bilden die Kanzleileitungen selbst weiter. Wurde erkannt, dass es im Unternehmen Handlungsbedarf gibt, führen wir entsprechende Analysegespräche mit der Führungsebene. Die hierarchische Herangehensweise von der Kanzleiführung bis zu den Mitarbeitern ist zwingend notwendig. Was wichtig ist: Es gibt bei uns keine allgemeingültigen Standardmodelle mit beliebigen Inhalten, sondern nur eine individuelle konzeptionell und inhaltlich exakt auf den jeweiligen Kanzleikosmos zugeschnittene Beratung und ein anschließendes Training.
Dabei stellt die Kanzleiführung einen oder je nach Größe der Kanzlei mehrere Mitarbeitende für die Fortbildung ab, die vier Monate dauert. Am Ende liegt ein erarbeitetes Konzept vor, welches speziell und individuell auf die jeweilige Kanzlei zugeschnitten ist.
Wie kamen Sie zu dem, was Sie tun? Was treibt Sie selbst an? Wie sieht Ihr persönliches „Feel-Good-Management“ aus?
Ich kenne die Unzufriedenheit sowohl als Angestellte als auch als Unternehmerin. Im Angestelltenverhältnis habe ich in verschiedenen Unternehmen in meiner beruflichen Karriere die Erfahrung gemacht, dass viel über den Umsatz geht. Ich wurde an Zahlen gemessen und weniger an meiner Persönlichkeit. Die Defizite in der Mitarbeiterführung, die fehlenden oder die schlecht geführten Mitarbeitergespräche haben mich selbst oft demotiviert. Dagegen haben das offene Ansprechen von Problemen und die Praxis, Dinge beim Namen zu nennen, die Menschen oft überfordert.
Es fehlte mir eine Unternehmenskultur, mit der ich mich identifizieren konnte. Ich bin meinen eigenen Weg gegangen, mit dem Bewusstsein, in kein Unternehmen so wirklich hineinzupassen. Das wiederum hat mich motiviert, mit meiner Persönlichkeit, mit meinen Qualifikationen, mit meiner Mischkultur aus zwei Ländern mein eigenes Unternehmen aufzubauen – mit dem Ziel, Menschen zu erreichen, die diese Werte mit mir teilen, sich angesprochen fühlen und dadurch ein Feel-Good empfinden. Dieser Weg war nicht immer einfach. Dennoch kann ich heute sagen, dass ich froh und dankbar bin, Menschen um mich herum zu haben, die mit Herzensblut dabei sind und mit mir meine Vision und Werte teilen.
Wir wollen Menschlichkeit vorleben und zeigen, dass es gerade im Businessleben auch anders geht.
Zur Person
Melita Dine ist Systemischer Coach & Change Managerin, Keynote-Speakerin sowie Expertin für Feel-Good-Management. Als Geschäftsführerin der GeBeCe - Gesellschaft für Beratung & Mentoring mbH berät sie exklusiv die tax-GeBeCe. Diese hilft Steuerkanzleien, ein gelebtes Feel-Good-Management zu etablieren, indem der Team-Spirit der Mitarbeitenden gefördert und klare Strukturen geschaffen werden.
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