Tipps zur FAIT-Prüfung: "Lebe es und hole dir dann den Titel"
Herr Friedemann, Sie waren bei den mündlichen Prüfungstagen in Stuttgart – wie ist es gelaufen?
StB André Friedemann: Tatsächlich musste ich diesmal intensiver ran als üblich, da ich den Vorsitzenden vertreten habe. Das bedeutet, dass ich ausnahmsweise auch das Gebiet des Verfahrensrechts prüfen musste – obwohl ich sonst die praktischen Fragen übernehme und das auch aus Überzeugung tue. Das hängt damit zusammen, dass ich selbst durch und durch Praktiker bin, vom Fachangestellten über den Bilanzbuchhalter zum Steuerberater gelangt bin.
Welche praktischen Fragen sind es denn, die Prüflinge beantworten können müssen?
Wenn wir jetzt mal die 70 Prozent Theorie zu GOBD usw. ausblenden, die hauptsächlich Gegenstand der schriftlichen Prüfung sind, dann will ich vor allem erkennen, dass die Prüflinge wirklich aktuell im Thema sind. Was ist RaBe? Wie funktioniert die digitale Unterschrift in Kanzleialltag? Was lässt sich mit der Steuerberaterplattform schon erledigen? Wie lässt sich Mandantensoftware durch Schnittstellen einbinden? Wer darauf keine Antworten weiß, ist in meinen Augen (noch) kein FAIT.
Das erklärte Ziel der Fortbildung war nicht unbedingt die Qualifizierung für die praktische Umsetzung von Digitalisierungsprojekten. Vielmehr ging es darum, ein eigenes Berufsbild zu schaffen, dessen Kompetenznachweis über einen eigenen Titel erreicht werden soll.
Weshalb gibt es für diese prüfungsrelevanten Inhalte keine gezielte Vorbereitung?
Das liegt ein wenig in der Natur der Sache mit praktischen, aktuellen Aspekten und hängt außerdem mit dem Konzept als solchem zusammen. Denn das erklärte Ziel der Fortbildung war nicht unbedingt die Qualifizierung für die praktische Umsetzung von Digitalisierungsprojekten. Vielmehr ging es darum, ein eigenes Berufsbild zu schaffen, dessen Kompetenznachweis über einen eigenen Titel erreicht werden soll. Letztlich hat eine Kanzlei, die eine FAIT einstellt, eine Erwartungshaltung – und da reicht es nicht, dass jemand drei Mandanten erfolgreich auf Unternehmen online umgestellt hat. Als Arbeitgeber will ich mich darauf verlassen können, dass mein FAIT sich mit Digitalisierung und Automatisierung auskennt und von den damit verbundenen Dingen wirklich etwas versteht.
Welche sind das aktuell genau – oder anders gefragt: Wie werden die Ausbildungsinhalte der Zeit und der rasant fortschreitenden Entwicklung in diesem Bereich angepasst?
Das passiert permanent, wir haben etwa in diesem Jahr in der schriftlichen Prüfung auch Fragen zu KI gehabt. Auch in der mündlichen Prüfung hat jemand einen Vortrag zu diesem Thema gehalten. Das ist auch wichtig, denn auch die Finanzverwaltung schläft nicht. NRW nutzt seit April 2025 z.B. ChatGPT und ein KI-Modul zur Plausibilitätsprüfung. Aber zum ersten Teil der Frage: Zu den 70 Prozent der Fortbildung, die vom Konzept her theoretische Inhalte sind, geht es um Alltime-Klassiker könnte man sagen, wie etwa die Verfahrensdokumentation. Aber wir gehen auch immer wieder auf die schon angesprochenen aktuellen Themen ein, mehr Dynamik geht nicht, würde ich fast sagen.
Gibt es Gemeinsamkeiten unter denjenigen, die die Fortbildung zum FAIT absolvieren? Oder ist es eine eher heterogene Gruppe?
Wir sehen eine riesige Bandbreite, die Durchfallquote liegt schätzungsweise bei 20 Prozent. Manche kommen mit einem Wahnsinns-Know-how angesichts dessen du dir denkst: Hoffentlich fragt der nicht zurück! Andere stehen ganz am Anfang, wollen erst einmal ihre Kanzleileitung überzeugen, auf Digitalisierung zu setzen und haben vielleicht einen einzigen Mandanten umgestellt. Letztere haben es schwer, da die Prüfung wirklich darauf abzielt, herauszufinden, ob jemand auch praktisch fit ist oder nicht.
Und das erreicht man nicht über eine nur theoretische Vorbereitung über die einschlägigen Lehrgangswerke. Wir prüfen mündlich sicherlich niemanden aufgrund von Quoten raus, der schriftlich bestanden hat. Aber wenn er oder sie mir zum Beispiel nichts zur Automatisierung oder Schnittstellen sagen kann, dann tue ich mich schwer, ihm oder ihr diesen Titel zuzuerkennen.
Welche Tipps haben Sie für Prüflinge insbesondere im Hinblick auf die mündliche Prüfung?
Für den Vortrag empfehle ich, lieber ein leichteres Thema zu nehmen, in dem man sich dafür gut auskennt als ein super aktuelles Thema, bei dem man in der Fragerunde plötzlich blank ist. Die Präsentation sollte klar strukturiert, nicht zu vollgeladen und optisch ansprechend sein. Nicht nachvollziehbar finde ich im Übrigen, wenn jemand bei dem für 15 Minuten angesetzten Vortrag schon nach zehn Minuten fertig ist – dafür gab es eine Vorbereitungszeit von beinahe drei Monaten zwischen schriftlicher und mündlicher Prüfung.
Lassen Sie uns noch einmal konkret auf den Aspekt 'theoretische Ausbildung' versus 'Notwendigkeit praktischer Kenntnisse' schauen. Was empfehlen Sie FAIT-Interessierten in diesem Zusammenhang?
Es geht wirklich um die Umsetzung im Kanzleialltag. Vereinfacht ließe sich sagen: Lebe es und hole dir dann den Titel. Es gibt ja durchaus auch praktische Fortbildungen, die man absolvieren kann, um sich den Weg in die Umsetzung zu bahnen, das ist etwa der "Buchhaltroniker" des Unternehmens dekodi oder der "Fibutroniker" des ifo-Instituts. Der FAIT dagegen ist titelorient und eher einem Fachberatertitel vergleichbar, bei dem Sie die praktische Erfahrung ja etwa durch passende Mandate eigens nachweisen müssen.
Für viele ist der FAIT etwas, das sie aus persönlichen Engagement unbedingt machen möchten.
Wenn die FAIT ihren Titel dann in der Tasche haben – wie geht es dann für sie weiter?
Ein paar haben ihren alten Job tatsächlich schon gekündigt oder spielen mit dem Gedanken, wenn sie hier zur Prüfung kommen, das möchte ich nicht verschweigen. Denn für viele ist der FAIT etwas, das sie aus persönlichen Engagement unbedingt machen möchten. Die Kandidatin, die ich schon erwähnt habe, hat besagten einzigen Mandanten in ihrer Freizeit umgestellt – daran erkennen sie schon die Einsatzbereitschaft. Umgekehrt trifft diese nicht immer auf eine fruchtbare Umgebung, manche Kanzleien arbeiten noch wie in den 90er Jahren, ein Viertel hat schätzungsweise noch nie einen digitalen Beleg verarbeitet.
In solchen Fällen ist klar, dass es nicht passt. Bewegt sich die Kanzlei nicht, hat auch der FAIT kaum eine Chance, denn sein Wissen veraltet und ist in fünf Jahren ohne praktische Umsetzung und Weiterentwicklung nichts mehr wert. Deshalb ist die Veränderung häufig ein sinnvoller und nachvollziehbarer Schritt. Es gibt aber eine ganze Reihe von Kanzleien mit tollen Entwicklungen in den vergangenen Jahren, das möchte ich betonen.
In Ihrer eigenen Kanzlei gibt es keine FAIT – weshalb nicht?
Ich habe tatsächlich eine Mitarbeiterin für digitale Fragen, die ich seit längerer Zeit dazu bewegen will, sich den Titel zu holen. Sie sagt mir aber, sie hätte die Anerkennung und Wertschätzung in unser Kanzlei auch ohne. Nun haben wir eine frisch ausgelernten Steuerfachangestellten und einen Quereinsteiger, die beide demnächst diesen Weg einschlagen könnten, das freut mich sehr. Im September gehen zwei weitere Mitarbeiter nach Freiburg zum Buchhaltroniker. Denn das Thema geht nicht wieder weg, und ich möchte insbesondere meinen Kolleginnen und Kollegen hier in Südbaden zurufen: Macht Euch auf den Weg, schickt Eure Leute! Warum ich das betone? Im diesjährigen Prüfungszyklus waren ausschließlich Prüflinge aus Schwaben, niemand aus Baden. Lasst uns die badische Digital-Offensive starten!
Sie engagieren sich seit Beginn der Fortbildung vor vier Jahren in der Prüfungskommission – weshalb?
Mein Einstieg war eher zufällig, ein Kollege, der für die Aufgabe vorgesehen aber selbst verhindert war, sprach mich an, und ich habe sofort zugesagt. Ich war und bin auch bis dahin schon vielfältig aktiv, im Datev-IT-Club zum Beispiel, in verschiedenen Netzwerken, auf Messen etc. Meine Überzeugung ist es, dass man nicht immer nur jammern, sondern auch selbst aktiv werden sollte, um die Dinge voran zu bringen. Außerdem lernt man dazu, trifft immer wieder neue Leute, und es macht riesigen Spaß! Wir haben alle keine Zeit, aber das sind einfach wichtige Themen. Eines möchte am Ende auch noch betonen: Es sind auch immer wieder Anregungen für meine Kanzlei dabei! Insbesondere von den Vorträgen nehme ich sehr viel mit, was wir dann hier weiter vorantreiben.
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