Dauerbrenner Corona-Hilfen: Steuerberater zwischen Rechtsunsicherheit und Mandantendruck
Steuerberaterin Claudia Thaller-Birkigt ist sehr sauer. „Der Frust ist riesengroß“, sagt die Partnerin der Kanzlei WNP Dr. Wasmer Thaller & Partner aus Dresden, „wir werden zur Nacharbeit gezwungen und uns wird unterschwellig unterstellt, wir hätten Beihilfe zum Subventionsbetrug geleistet.“
Die Novemberhilfe hat sie für viele Mandanten beantragt – um dasselbe nach rückwirkenden Änderungen erneut zu tun. „Und das alles, ohne extra zu berechnen“, berichtet Thaller-Birkigt. Das habe ein Learning gebracht, die Dezemberhilfe beantragte sie erst nach der dritten Runde FAQs. „Meine Mandanten haben das akzeptiert. Obwohl viele kleinere Hotelbetriebe und Gastronomen darunter waren, bei denen es um die Existenz ging, haben wir kein Mandat verloren.“
Respekt im Umgang vermisst
Sie erzählt von Kollegen, denen weniger Verständnis entgegengebracht wurde. „Anbrüllen mussten sie sich lassen“, so Thaller-Birkigt. Neben den zwischenmenschlichen Entgleisungen prangert sie die Ignoranz der Verwaltung an. „Ich verstehe nicht, wie man in den letzten beiden Wochen vor Fristende Wartungsarbeiten im Portal durchführen kann – weniger Respekt für die Leute, die hier Hilfstätigkeiten für den Staat durchführen, geht nicht.“
Auf die Frage, was sie mehr ärgere, die unprofessionelle Vorgehensweise oder die Gleichgültigkeit von Politik und Verwaltung, sagt sie: „Mich regt bis heute das Klein-klein der Staatssekretäre, Juristen und Wortklauber auf, einfach die Tatsache, dass sie uns nichts an die Hand gegeben haben. Wir haben keine Rechtssicherheit und die Schulungen konnten nicht mit dem Änderungstempo mithalten.“
Unterstützung nur noch bei rechtlicher Kontinuität?
Besonders problematisch fand sie die Ausgestaltung der Wirtschaftshilfen nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts, das die Umwidmung der Gelder aus dem Coronabudget in den Klimaschutzfond untersagte. „Irgendwann hätte unsere Berufsvertretung sagen müssen: 'Es ist genug, wir machen hier nur noch unter der Bedingung mit, dass es verbindlich keine Änderungen mehr gibt.'“ Das sei aber nicht geschehen, und auch Rechtsmittel habe die Branche kaum. „Wenn Sie vor dem Verwaltungsgericht klagen, haben Sie keine Chance, solange alle gleich – schlecht – behandelt werden“, erklärt die gebürtige Oberbayerin.
Ob dies tatsächlich der Fall ist, wird sich zeigen. Die Verwaltung hat bis 2027 Zeit, alle Schlussabrechnungen zu prüfen und die Bescheide zu erlassen. Begonnen habe man offenbar mit den kleineren Fällen, wie WP/StB Heiner Röttger von der HLB Schumacher GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, Steuerberatungsgesellschaft in Münster, feststellt. Er selbst ist nicht unmittelbar in der Antragstellung engagiert, fungiert aber als Koordinator der Hilfen innerhalb der Kanzlei. „Neben den zwei Groß-Anträgen, die ich selbst gestellt habe und bei denen es um etliche Millionen geht, laufen auch alle E-Mails aus den anderen Fällen über meinen Schreibtisch“, berichtet er.
Massenweise Rückfragen bei den kleineren Fällen
Er beobachtet Interessantes: „Während wir bei den Kleinstanträgen einen enormen Aufwand mit regelmäßigen, unseres Erachtens unverhältnismäßig umfangreichen Rückfragen sehen, haben wir bei den großen bislang noch gar nichts gehört.“ Er sei gespannt, wie das laufen werde und hat keine These, woran es liegt, dass die größeren Anträge bislang keine Rolle bei der Verwaltung spielten. Sicher sei: „Wenn Du einmal in dem Pingpong-Spiel der Rückfragen bist, kommst du nur schwer wieder raus. Ich gehe davon aus, dass uns das Thema noch Jahre beschäftigen wird.“
Man merke, dass der Verwaltung ebenso wie fast allen anderen Branchen die Fachkräfte fehlten, und die Bearbeitungszeiten dadurch lang seien. Seine Lösung: „Wir versuchen, belastbare Anträge zu stellen und alles akribisch zu dokumentieren, damit wir auch mit einem längeren zeitlichen Versatz schnell auskunftsfähig sind.“ Neben der gedehnten Zeitschiene empfindet er das fehlende Augenmaß als Problem. „Ein bisschen Ermessen und die Nutzung des entsprechenden Spielraums wären nicht schlecht“, sagt Röttger.
Auch Thaller-Birkigt kritisiert die Akribie: „Wenn ich als prüfende Dritte nun überspitzt formuliert, überall die zweite Stelle hinter dem Komma angeben oder bestätigen soll, dann ist das übertrieben.“ Nachweise, Belege, Fälligkeiten – all das waren Dinge, die zu Beginn bewusst ausgeklammert werden sollten, um den Unternehmen schnell Liquidität zur Verfügung zu stellen. „Dass wir irgendwann Verwendungsnachweise liefern müssen, war klar“, so die Beraterin, „aber die Art und Weise und die Kategorie der Fälligkeit schießen weit übers Ziel hinaus.“
Erhebliche Nebenberechnungen erforderlich
Auf Fälligkeiten abzustellen, findet auch WP/StB Röttger inhaltlich schwierig: „Die Unternehmen buchen in der GuV anders als der Gesetzgeber dies nun für die Corona-Hilfen möchte, das macht erhebliche Nebenrechnungen erforderlich.“ Außerdem kritisiert er, dass bei den Bewilligungsstellen unterschiedliche Rechtsauffassungen vertreten würden. Das kann Chance wie Risiko für die Unternehmen sein.
Auch im Hinblick auf die FAQ-Praxis und die damit verbundene häufige Änderung der rechtlichen Einschätzung äußert der Berater Kritik: „Das hat uns das Leben schwer gemacht. Wir mussten festhalten, wann welche Antworten galten, um die praktizierte Vorgehensweise zu rechtfertigen.“ Nicht eingehaltene Zusicherungen, insbesondere die Auskunft seitens der Verwaltung, Sachverhalte ließen sich später in der Schlussabrechnung korrigieren, was aber im Nachgang doch einen Änderungsantrag erfordert hätte, koste Mandanten Mittel, die ihnen eigentlich zugestanden hätten, klagt Thaller-Birkigt. Allein diese Tatsache hätte etliche Berater in Erklärungsnot gebracht.
Trotz vieler aufgezwungener, unschöner Extrarunden kann Röttger den Corona-Hilfen auch Positives abgewinnen: „Es war richtig und gut, dass man Unternehmen eine Liquiditätsbrücke gebaut hat, das Geld kam in der Regel zügig an und insofern hat das Instrument seinen Zweck erfüllt.“ Ob dies nun in allen Fällen gerecht gewesen sei? Gerechtigkeit gebe es ohnehin nicht, insofern könne man konstatieren, dass die Volkswirtschaft als solche profitiert habe. Auch die logistische Leistung des Gesetzgebers, auf die Schnelle ein Portal zu etablieren, lobt er.
Positives Fazit und zukünftige Vorsätze
Und während seine Berufskollegin von aufgelösten Mandanten berichtet, sagt Röttger retrospektiv: „Die großen Firmen sind mit dem Thema sehr professionell umgegangen, haben eigene Zuständigkeiten dafür initiiert. Emotional war das daher höchstens am Anfang, inzwischen ist das alles nicht mehr als ein Ärgernis.“
Aber auch das kann Folgen haben, zum Beispiel bei Thaller-Birkigt: „Ich sage klar: Wir werden in Zukunft keine Zusatzaufgaben mehr für den Staat übernehmen, das war uns eine Lehre. Mal sehen, wie das dann mit der Meldepflicht für Kassensysteme wird, die ja zum Jahreswechsel kommt.“ Auch von allem, was im Bereich Subventionen liege, halte sie lieber mehr Abstand als früher.
Doch es gibt auch für Thaller-Birkigt einen positiven Aspekt, nämlich die Vernetzung innerhalb des Kollegenkreises. „Wir haben uns auf Facebook gut ausgetauscht, das hat enorm geholfen“, sagt sie, „ich ziehe mich daran hoch, dass wir das gemeinsam durchgestanden haben, dass wir sachlich streiten konnten und aus panischen oftmals dankbare Mandanten wurden.“
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