Kommt nun der "harte" Brexit?

Das Votum der Bürger des Vereinigten Königreiches (UK) hat eine Phase großer Unsicherheit eröffnet, die nicht zuletzt die Unternehmen trifft. Es war lange Zeit unklar, ob ein "harter" Brexit Wirklichkeit werden wird oder ob ein Kompromiss für die zukünftige Zusammenarbeit zwischen UK und EU gefunden werden könnte. Diese Unsicherheit ist bis heute immer noch nicht beseitigt.

Zwar liegt ein Entwurf eines Übergangsvertrages vor, der von der EU-Kommission und den Regierungen von UK und der verbleibenden EU-Staaten abgeschlossen worden ist. Der Vertragsentwurf muss noch durch die Parlamente der EU-Staaten und des UK in Kraft gesetzt werden. Während die Zustimmung der EU-Staaten als sicher erscheint, ist dies bei dem Parlament des UK äußerst zweifelhaft.

Entwurf des Übergangsvertrages sieht im Ergebnis lediglich eine Übergangsfrist vor

Es kann keine Rede davon sein, dass die Veröffentlichung des Entwurfs des Übergangsvertrages den Unternehmen planerische Sicherheit gewährt. Grund dafür ist insbesondere, dass der Vertragsentwurf im Ergebnis lediglich eine Übergangsfrist bis zum 31.12.2020, ggf. noch darüber hinaus, festlegt, aber keine Regelungen darüber enthält, wie die Beziehungen zwischen EU und UK danach geregelt werden sollen.

Durch diesen Vertragsentwurf, der umfangreiche Verpflichtungen für UK enthält, wird keines der anstehenden Probleme gelöst. Zu nennen sind insbesondere die Irland/Nordirland-Grenze und die künftigen Beziehungen zwischen UK und EU. Der Vertragsentwurf gewährt lediglich 2 Jahre (oder länger) Zeit, Lösungen zu finden. Wieso das möglich sein soll, wenn dies in den bisherigen Verhandlungen nicht gelungen ist, bleibt unklar.

Mögliche weitere Entwicklungen

Zum gegenwärtigen Zeitpunkt ist es völlig offen, ob und wann der Vertragsentwurf im britischen Parlament zur Abstimmung gestellt wird. Noch unklarer ist, ob der Entwurf eine Zustimmung finden wird. Nach den Entwicklungen der letzten Tage und den vorliegenden Berichten ist dies eher unwahrscheinlich. In dieser Situation gibt es eine Reihe von Möglichkeiten, wie die weitere Entwicklung verlaufen könnte. Zu nennen sind:

  • Ein "Exit vom Brexit". Der EuGH hat entschieden, dass die Regierung des UK den Austrittsantrag einseitig zurücknehmen kann, ohne auf die Zustimmung der EU bzw. der anderen EU-Mitglieder angewiesen zu sein (C-621/18). In diesem Fall würde sich keine Änderung der gegenwärtigen Rechtslage ergeben. Das EU-Recht würde weiterhin in UK ohne zeitliche Beschränkung gelten. Angesichts der gespaltenen Stimmung in UK und der positiven Volksabstimmung für einen Brexit halten wir es jedoch für äußerst unwahrscheinlich, dass es zu einem solchen Szenario kommt.
  • Das britische Parlament stimmt dem Übergangsvertrag zu. In diesem Fall wird UK bis zum Ende der Übergangsfrist am 31.12.2020 bzw. später so behandelt, als sei es noch Mitglied der EU, allerdings ohne Stimmrecht. Für die Übergangszeit würde sich steuerrechtlich nichts ändern. Zum Ende der Übergangsfrist würde sich aber wieder die Frage stellen, ob eine Lösung der offenen Probleme gefunden werden konnte. Für die Steuerpflichtigen würde dies bedeuten, dass sie bis zum 31.12.2020 Zeit haben, sich auf den Brexit vorzubereiten.
  • Das britische Parlament lehnt den Überleitungsvertrag ab. Das ist aus gegenwärtiger Sicht das wahrscheinlichste Szenario. Die kurzfristige und überraschende Absage der Abstimmung im Parlament beweist, dass es gegenwärtig keine Chance für eine Zustimmung des Parlaments gibt. Auch ein Termin für eine neue Abstimmung ist noch nicht angesetzt worden. Gegenwärtig muss daher als wahrscheinlichstem Szenario davon ausgegangen werden, dass ein "harter" Brexit am 29.3.2019 Wirklichkeit werden wird.
  • Denkbar ist, dass das britische Parlament den Überleitungsvertrag nicht ablehnt, sondern die Zustimmung von Änderungen abhängig macht. Angesichts der definitiven Verlautbarungen aus der EU, dass es keine Nachverhandlungen geben werde, ist dieses Szenario recht unwahrscheinlich. Bloße nicht bindende Absichtserklärungen zu dem Irland/Nordirland-Problem dürften nicht ausreichen, die britischen Parlamentarier zu einer Zustimmung zu bewegen.
  • Darüber hinaus sind weitere Szenarien möglich. So ist auch nach dem gescheiterten Misstrauensvotum weiterhin eine Auflösung des Parlaments und Neuwahlen sowie eine neue Volksabstimmung denkbar. Folgen dieser Maßnahmen sind gegenwärtig nicht abzuschätzen. Auch dürfte die Zeit bis zum 29.3.2019 kaum ausreichen, solche Maßnahmen durchzuführen. Die Gefahr eine "harten" Brexits wäre dadurch nicht gebannt.

Was bedeutet nun ein "harter" Brexit unter der Annahme, dass UK mit dem 29.3.2019 aus der EU ausscheidet?

Mit dem 29.3.2019 würde UK nicht mehr zur EU gehören, sondern den Status eines Drittlandes haben. Aus Sicht der EU würde nur noch die Kapitalverkehrsfreiheit, Art. 63 AEUV, Anwendung finden, nicht mehr die Arbeitnehmer-Freizügigkeit, Art. 45 AEUV, die Niederlassungsfreiheit, Art. 49 AEUV, und die Dienstleistungsfreiheit, Art. 56 AEUV. Zwischen der EU und UK würden Zollschranken entstehen, wobei offen ist, ob überhaupt genügend Ressourcen für entsprechende Kontrollen sowohl von Seiten der EU-Staaten als auch von UK zur Verfügung stehen.

Das europäische Recht wäre in UK nicht mehr unmittelbar gültig, wobei dem Vernehmen nach UK jedoch plant, dieses Recht als nationales Recht bis zu einer Änderung durch das britische Parlament weiter anzuwenden. Der EuGH wäre nicht mehr zuständig; die Rechtsprechung würde ohne Bindung an die Entscheidungen des EuGH von den britischen Gerichten übernommen. Das dürfte auch für Verfahren gelten, die vor dem 29.3.2019 vor dem EuGH eingeleitet worden sind. Ab dem 29.3.2019 hat der EuGH auch für vor diesem Datum eingereichte Fälle keine Entscheidungsbefugnis mehr. Die Verfahren müssten eingestellt bzw. Vorabersuchen durch britische Gerichte zurückgezogen werden. Daher würden auch über Fälle, die sich vor dem 29.3.2019 ereignet haben, die britischen Gerichte in eigener Zuständigkeit entscheiden. Es ist offen, ob sie sich dabei an der Rechtsprechung des EuGH orientieren oder nur nach britischem Recht entscheiden würden.

Nationale Gesetzesvorhaben

Aus deutscher Sicht werden Gesetzesvorhaben, die die Übergangszeit regeln sollten, wohl nicht fortgesetzt. Betroffen ist davon insbesondere  der Entwurf des Brexit-Übergangsgesetzes (BT-Drs. 19/5313). Nach dessen § 1 soll UK während der Übergangszeit weiter als Mitglied der EU gelten. Kommt es nicht zu der Übergangszeit, ist dies hinfällig. Dagegen dürften die in dem Referentenentwurf zum Brexit-Steuerbegleitgesetz und die in dem Gesetzentwurf zum Vierten Gesetz zur Änderung des Umwandlungsgesetzes (BT-Drs. 19/5463) vorgesehenen Änderungen auch bei einem "harten" Brexit umgesetzt werden. In dem Brexit-Steuerbegleitgesetz wird die Nachversteuerung bzw. der Widerruf der Stundung allein aus Anlass des Brexits ausgeschlossen. Durch Ergänzung des UmwG soll den Ltd.‘s mit Geschäftsleitung in Deutschland die Möglichkeit gegeben werden, in eine Personengesellschaft umzuwandeln.

Rechtsfolgen eines "harten" Brexit in 100 Fällen

Selbst wenn das britische Parlament dem Agreement EU-UK doch noch zustimmen sollte, ist die Gefahr eines "harten" Brexits nicht "vom Tisch". Vielmehr ist dann nur Zeit gewonnen; die Frage eines "harten" Brexits kann sich dann am 31.12.2020 genauso stellen wie heute. In Ihren Haufe Steuer Office Produkten finden Sie aktuell unter dem Haufe Index 12414049 eine Fallsammlung zu den wesentlichen steuerlichen Fragen, die durch das Ausscheiden von UK aus der EU im Falle eines "harten" Brexit entstehen. Gegliedert sind die Fälle in 7 Abschnitte mit folgendem Inhalt:

  • Schutzumfang der europäischen Grundfreiheiten;
  • Ertragsteuern der Unternehmen;
  • Umwandlungen;
  • Umsatzsteuer;
  • Zollrecht;
  • Ertragsteuern der natürlichen Personen;
  • Erbschaftsteuer.

Die Fälle werden bei Änderung der rechtlichen Rahmenbedingungen zeitnah angepasst. 

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