Einkommensteuervorauszahlungen bei getrenntlebenden Ehegatten

Das FG München hat sich mit der Frage beschäftigt, welche Aufteilungsgrundsätze gelten, wenn gesamtschuldnerisch festgesetzte Vorauszahlungen – nach dem das Finanzamt von der Trennung der Ehegatten erfahren hat – von einem Gemeinschaftskonto ohne Tilgungsbestimmung geleistet werden.

Zahlt ein Ehegatte gesamtschuldnerisch festgesetzte Vorauszahlungen, dienen diese der Tilgung der zu erwartenden Steuerschulden beider Ehegatten, unabhängig davon, ob die Eheleute später zusammen oder einzeln veranlagt werden. Sie sind deshalb zunächst auf die festgesetzten Steuern beider Ehegatten anzurechnen. Sofern nach Abrechnung der für beide Eheleute festgesetzten Steuern von den geleisteten Vorauszahlungen noch ein Rest verbleibt, ist dieser nach Köpfen zu erstatten (BFH, Urteil v. 22.3.2011, VII R 42/10).

Das FG München musste im Urteilsfall klären, ob die vom BFH aufgestellten Grundsätze auch dann gelten, wenn gesamtschuldnerisch festgesetzte Vorauszahlungen nach Bekanntwerden der Trennung von einem Gemeinschaftskonto ohne Tilgungsbestimmung geleistet werden.

Beispiel: Zurechnung der Vorauszahlungen nach dem Bekanntwerden der Trennung

A und B trennten sich im November 2017. Mit Abgabe der Einkommensteuererklärung 2017 im Juli 2018, in der A und B noch die Zusammenveranlagung wählten, erfuhr das Finanzamt von der Trennung.

Bis zum Zeitpunkt der Kenntniserlangung zahlten die Ehegatten von einem Gemeinschaftskonto (ohne besondere Tilgungsbestimmung) gesamtschuldnerisch festgesetzte Vorauszahlungen i. H. von 4.000 EUR (Vorauszahlungen für das 1. und 2. Quartal).

Auch nach dem Bekanntwerden der Trennung wurden zum 10.9. und 10.12.2018 (3. und 4. Quartal) Vorauszahlungen von jeweils 2.000 EUR von dem Gemeinschaftskonto (ebenfalls ohne besondere Tilgungsbestimmung) überwiesen.

Bei den Einzelveranlagungen 2018 ergab sich für A eine festzusetzende Steuer von 10.000 EUR. Für B wurde keine Steuer festgesetzt.

Ständige BFH-Rechtsprechung zur Zuordnung von Vorauszahlungen

Nach der ständige Rechtsprechung des BFH kann das Finanzamt als Zahlungsempfänger – in Ermangelung entgegenstehender ausdrücklicher Absichtsbekundungen – solange die Ehe besteht und die Eheleute nicht dauernd getrennt leben, aufgrund der zwischen Ehepartnern bestehenden Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft im Allgemeinen davon ausgehen, dass derjenige Ehegatte, der die Zahlung auf die gemeinsame Steuerschuld bewirkt, mit seiner Zahlung auch die Steuerschuld des anderen mit ihm zusammen veranlagten Ehegatten begleichen will. Ob die Eheleute sich später trennen oder einer der Ehegatten nachträglich die Einzelveranlagung beantragt, ist für die Beurteilung der Tilgungsabsicht unerheblich, weil es nur darauf ankommt, wie sich die Umstände im Zeitpunkt der Vorauszahlungen darstellen (BFH, Urteil v. 30.9.2008, VII R 18/08, BStBl. 2009 II S. 38).

Der BFH hat mittlerweile auch klargestellt, dass die Rechtsprechung zur Tilgungsvermutung bei Zahlung eines Ehegatten auf die Gesamtschuld der Ehepartner auch dann gilt, wenn die Ehe zum Zeitpunkt der Zahlung nicht mehr bestand, dies für das Finanzamt aber nicht erkennbar war. Es kommt dabei auch nicht darauf an, ob zum Zeitpunkt der Zahlung noch die Voraussetzungen für eine Ehegattenveranlagung erfüllt sind, sondern ob der der Vorauszahlungsbescheid an beide Ehegatten gerichtet war, sodass eine Gesamtschuld nach § 44 AO vorlag (BFH, Urteil v. 13.5.2015, VII R 38/14).

Daher ist in Trennungsfolgejahren die Zuordnung der Vorauszahlungen genauso wie bei einer Einzelveranlagung von Ehegatten vorzunehmen (s. BMF, Schreiben v. 14.1.2015, BStBl. 2015 I S. 83, Rz. 3.6).

  • Für den Fall eines Erstattungsüberhangs ist der übersteigende Betrag hälftig zuzuordnen.
  • Beim Nachzahlungsüberhang ist zunächst eine hälftige Aufteilung zwischen den Ehegatten vorzunehmen.
  • Nur soweit diese Aufteilung zu einem Erstattungsanspruch (nur) eines Ehegatten führt, während der andere Ehegatte eine Abschlusszahlung zu leisten hat, sind die Vorauszahlungen abweichend von der bei Ehegatten üblichen Aufteilung nach Köpfen dem Ehegatten mit der Abschlusszahlung zuzurechnen.

Zuordnung der Vorauszahlungen vor Bekanntwerden der Trennung

Im o.g. Beispielsfall sind die vor dem Bekanntwerden der Trennung geleistet Vorauszahlungen (für das 1. und 2. Quartal i.H. von 4.000 EUR) daher allein A, d.h. dem Ehegatten mit der Abschlusszahlung, zuzurechnen.

Zuordnung der Vorauszahlungen nach Bekanntwerden der Trennung

Die Vorauszahlungen für das 3. und 4 Quartal sind A und B demgegenüber jeweils hälftig zuzuordnen.

Zwar führt die hälftige Aufteilung zu einem Erstattungsanspruch von B (2.000 EUR), während A eine höhere Abschlusszahlung (4.000 EUR) zu leisten hat, dennoch sind nach Ansicht des FG München die Vorauszahlungen A nicht allein zuzurechnen (Urteil v. 29.1.2019, 12 K 715/17).

Ab dem Zeitpunkt, zu dem das dauernde Getrenntleben dem Finanzamt bekannt geworden ist, kann zwar von dem Erfahrungssatz ausgegangen werden, dass der zahlende Ehegatte nur auf eigene Rechnung leisten will (BFH, Urteil v. 25.7.1989, VII R 118/87, BStBl. 1990 II S. 41).

Dies führt hier im Umkehrschluss jedoch dazu, dass die beiden Zahlungen für das 3. und 4. Quartal 2018 A und B jeweils hälftig zuzurechnen sind. Denn sie stammen von einem Gemeinschaftskonto, welches zum Zeitpunkt der Zahlung beiden gemeinsam zuzurechnen war. Bei den Überweisungen wurde explizit keine individuelle Tilgungsbestimmung abgegeben. Zahlende sind demgemäß A und B jeweils zur Hälfte.

Praxis-Tipp: Revisionsverfahren anhängig

Gegen die Entscheidung des FG München läuft ein Revisionsverfahren vor dem BFH (Az. VIII R 13/19). Je nach Interessenslage können vergleichbare Fälle offen gehalten werden, bis der BFH entschieden hat




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