Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Eheleute, die beide Arbeitnehmer sind, und die keine getrennte Besteuerung nach § 46 Abs. 2 Ziff. 4 EStG 1958 beantragen, sind nach § 46 Abs. 2 Ziff. 1 EStG 1958 zusammen zu veranlagen, wenn ihre nicht lohnsteuerpflichtigen Einkünfte zusammen mehr als 800 DM betragen haben.
Normenkette
EStG §§ 26b, 46 Abs. 2 Ziff. 1; EStR Abschn. 218
Tatbestand
Die Steuerpflichtigen sind im Betrieb des Vaters der Ehefrau beschäftigt. In den Jahren 1956 bis 1959 wurden ihnen von den versteuerten Löhnen nur Teilbeträge ausgezahlt. Der größere Teil wurde ihnen gutgeschrieben und vom Vater verzinst, und zwar für den Ehemann von 1956 bis Ende 1959 insgesamt 10.705,76 DM, für die Ehefrau in der gleichen Zeit insgesamt 2.672,34 DM. Die Zinsen für diese stehengebliebenen Gehaltsteile betrugen im Jahr 1958 zusammen 1.318 DM und 1959 1.248 DM. In ihren Steuererklärungen gaben die Steuerpflichtigen an, die Zinsen entfielen zu gleichen Teilen auf sie, eine Veranlagung komme aber nicht in Betracht, weil die nicht lohnsteuerpflichtigen Einkünfte aus Kapitalvermögen jedes Ehegatten weniger als 800 DM betragen hätten. Das Finanzamt veranlagte trotzdem die Steuerpflichtigen, da nach seiner Auffassung die Voraussetzungen des § 46 Abs. 2 Ziff. 1 EStG 1958 erfüllt waren. Der Einspruch hiergegen wurde als unbegründet zurückgewiesen.
Die Berufung der Steuerpflichtigen hatte zum Teil Erfolg. Das Finanzgericht meinte, die Voraussetzungen für eine Veranlagung von Arbeitnehmern nach § 46 Abs. 2 Ziff. 1 EStG 1958 seien bei einem Arbeitnehmerehepaar nach den Verhältnissen jedes Ehegatten zu prüfen. Es komme also darauf an, in welcher Höhe jedem Ehegatten Zinsen zuzurechnen seien. Bei dem großen Unterschied zwischen den stehengebliebenen Gehaltsteilen beider Eheleute sei ihrer Ansicht, auf jeden von ihnen entfalle die Hälfte der Zinsen, nicht zu folgen. Die Zinsen seien vielmehr auf die Eheleute im Verhältnis ihrer Gehaltsguthaben aufzuteilen. Die Zinseinkünfte der Ehefrau lägen danach für beide Streitjahre unter 800 DM. Für sie komme infolgedessen eine Veranlagung nach § 46 Abs. 2 Ziff. 1 EStG 1958 nicht in Betracht. Dem Ehemann seien für 1958 1.120 DM und für 1959 1.000 DM von den Zinsen zuzurechnen. Nach Abzug des Werbungskosten-Pauschbetrags von 150 DM verblieben für beide Jahre 970 DM und 850 DM, so daß für den Ehemann die Voraussetzungen für eine Veranlagung nach § 46 Abs. 2 Ziff. 1 EStG 1958 vorlägen. Da die Steuerpflichtigen keine Erklärung über eine getrennte oder eine Zusammenveranlagung abgegeben hätten, seien sie nach § 26 Abs. 3 EStG 1958 zusammen zu veranlagen. Wenn auch nach § 26 b Satz 2 EStG 1958 bei einer Zusammenveranlagung alle Einkünfte der Eheleute zusammenzurechnen seien, hätten trotzdem die weniger als 800 DM betragenden Zinsen der Ehefrau bei der Zusammenveranlagung außer Ansatz zu bleiben; denn der Steuervorteil, der sich für die Ehefrau aus § 46 Abs. 2 Ziff. 1 EStG 1958 ergebe, dürfe ihr nach den vom Bundesverfassungsgericht über die Besteuerung von Ehegatten aufgestellten Grundsätzen durch die Zusammenveranlagung mit ihrem Ehemann nicht verloren gehen. Das habe allerdings zur Folge, daß von den Zinseinnahmen des Ehemannes nur ein Werbungskosten-Pauschbetrag von 150 DM und nicht 300 DM nach § 9 a Ziff. 2 EStG 1958 abzuziehen sei.
Der Vorsteher des Finanzamts rügt unrichtige Anwendung der §§ 26 b und 46 Abs. 2 Ziff. 1 EStG 1958. In Abschn. 218 EStR 1958 werde bei einer Zusammenveranlagung von Arbeitnehmer-Ehegatten der in § 46 Abs. 2 Ziff. 1 EStG 1958 genannte Betrag von 800 DM auf die Summe der den Eheleuten zugeflossenen nicht lohnsteuerpflichtigen Einkünfte bezogen. Dieser Betrag sei kein echter Freibetrag, sondern eine aus Vereinfachungsgründen eingeführte Freigrenze. Wenn die nicht dem Steuerabzug vom Arbeitslohn unterliegenden Einkünfte von Eheleuten zusammen höher seien als 800 DM, müßten alle Einkünfte in die Zusammenveranlagung der Eheleute einbezogen werden.
Entscheidungsgründe
Die Rb. führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung.
Es ist nicht zu beanstanden, daß das Finanzgericht die den Steuerpflichtigen gutgeschriebenen Zinsen als Einnahmen aus Kapitalvermögen behandelt hat. Da das Einkommen der Steuerpflichtigen in den beiden Streitjahren weniger als 24.000 DM betrug, kommt eine Veranlagung nach § 46 Abs. 1 EStG 1958 nicht in Betracht.
Es braucht nicht festgestellt zu werden, in welcher Höhe die gutgeschriebenen Zinsen dem Ehemann und der Ehefrau zuzurechnen sind. Die Erwägungen des Finanzgerichts über die Aufteilung der Zinsen auf die beiden Eheleute sind zwar nicht zu beanstanden, sie sind aber ohne Bedeutung für die Entscheidung des Rechtsstreits.
Da die Steuerpflichtigen keine getrennte Veranlagung nach § 26 a EStG 1958 beantragt haben, sind sie zusammen zu veranlagen; dabei sind ihre sämtlichen Einkünfte zusammenzurechnen.
Es geht nicht an, die Zinseinnahmen der Ehefrau bei dieser Veranlagung außer Ansatz zu lassen. Hierfür fehlt eine gesetzliche Grundlage. Die Erwägungen des Finanzgerichts, das sich auf die Grundsätze des Bundesverfassungsgerichts zur Besteuerung von Eheleuten beruft, treffen nicht zu. Der vom Finanzgericht angeführte Beschluß des Bundesverfassungsgerichts 1 BvL 4/54 vom 17. Januar 1957 (BGBl 1957 I S. 186, BStBl 1957 I S. 193) betraf die frühere Form der Zusammenveranlagung nach § 26 EStG 1951, die zuletzt dem EStG 1955 zugrunde lag. Nachdem § 26 EStG 1957 eine übergangsregelung für die Ehegattenbesteuerung getroffen hatte, durch die der Gesetzgeber die durch den Beschluß des Bundesverfassungsgerichts entstandene Lücke im Gesetz geschlossen hatte, führten die §§ 26 ff. EStG 1958 die für die Streitjahre maßgebende, auf dem Grundsatz des Splittings beruhende Zusammenveranlagung ein, statt deren Eheleute jedoch die getrennte Veranlagung wählen können. Einen Antrag auf getrennte Besteuerung haben die Steuerpflichtigen nicht gestellt. Er hätte übrigens nach § 46 Abs. 2 Ziff. 4 EStG 1958 zur getrennten Veranlagung der beiden Steuerpflichtigen geführt, bei der für jeden von ihnen jeweils die sämtlichen Einkünfte, also auch die Zinseinkünfte in voller Höhe zugrunde zu legen gewesen wären; die Einkommensteuer wäre dann für jeden Ehegatten nach § 32 a Abs. 1 EStG 1958 festzusetzen gewesen, was vermutlich zu einer höheren Gesamtsteuerbelastung der Eheleute geführt hätte.
Daß die gesamten Zinsen der Steuerpflichtigen bei der Anwendung des § 46 Abs. 2 Ziff. 1 EStG zugrunde zu legen sind, ergibt sich aus dem System des seit 1958 geltenden Einkommensteuer- und Lohnsteuerrechts. Die Lohnsteuer der Steuerpflichtigen wurde für 1958 und 1959 nach einer Lohnsteuertabelle einbehalten, die nach den gleichen Grundsätzen aufgestellt war wie die auf dem System des Splittings beruhende Einkommensteuertabelle (ß 39 EStG 1958). Die Steuerpflichtigen wurden also bei der Lohnsteuer wie zusammen veranlagte Eheleute behandelt. Das ist für die Auslegung des § 46 EStG 1958 von entscheidender Bedeutung; denn dieser Umstand zwingt bei verheirateten Arbeitnehmern, die nicht dauernd getrennt leben, dazu, die nicht lohnsteuerpflichtigen Einkünfte beider Ehegatten ebenso wie bei nach § 26 b EStG 1958 zusammen veranlagten Eheleuten zusammenzurechnen. Das bedeutet, daß die Einkünfte von Eheleuten, die beide Arbeitnehmer sind, soweit diese Einkünfte nicht der Lohnsteuer unterlegen haben, zusammenzurechnen sind, für die Feststellung, ob diese Einkünfte mehr als 800 DM betragen haben (so auch Littmann, Das Einkommensteuer-Recht, 7. Auflage, 1962, Bem. 22 zu § 26 b). Die Verwaltungsanweisung in Abschn. 218 letzter Satz EStR 1958, die das gleiche bestimmt, ist demnach eine zutreffende Auslegung des Gesetzes. Gegen diese Regelung bestehen auch keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Der Gesetzgeber konnte diese Frage nach den Grundsätzen des Splitting-Tarifs auf diese Weise lösen. Das schließt nicht aus, daß auch eine andere Lösung möglich gewesen wäre.
Da die nicht lohnsteuerpflichtigen Einkünfte der Steuerpflichtigen in den beiden Streitjahren mehr als 800 DM betragen haben, sind die Voraussetzungen des § 46 Abs. 2 Ziff. 1 EStG 1958 erfüllt und die Steuerpflichtigen sind zusammen zu veranlagen, und zwar mit ihren sämtlichen Einkünften.
Die angefochtene Entscheidung, die auf einer anderen rechtlichen Beurteilung beruht, muß daher wegen Rechtsirrtums aufgehoben werden. Die Sache ist entscheidungsreif. Da die Einspruchsentscheidung rechtlich zutreffend ist, war die Berufung als unbegründet zurückzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 411152 |
BStBl III 1964, 244 |
BFHE 1964, 31 |
BFHE 79, 31 |