Stichtag für die Ermittlung der Anschaffungskosten eines Gebäudes

Ist für die Ermittlung der Anschaffungskosten eines Gebäudegrundstücks der Zeitpunkt des tatsächlichen Übergangs von Besitz, Gefahr, Nutzen und Lasten maßgeblich oder ist auf den Tag des Vertragsabschlusses abzustellen?

Mit dieser Frage hat sich das FG Münster befasst. Im entschiedenen Fall erwarb der Kläger mit notariell beurkundetem Kaufvertrag vom 17.11.2017 das mit einem Mehrfamilienhaus bebaute Grundstück X-Straße in N-Stadt. Der Kaufpreis in Höhe von 2.400.000 EUR sollte nach § 2 des Kaufvertrags zu 400.000 EUR auf den Grund und Boden entfallen und im Übrigen auf das Gebäude. Nach § 4 sollten der Gefahrenübergang und der Übergang der Nutzen und Lasten am Tag, der dem Tag der vollständigen Kaufpreiszahlung folgt, erfolgen. Die vollständige Kaufpreiszahlung erfolgte am 29.3.2018.

Wegen der Aufteilung der Anschaffungskosten auf Grund und Boden und Gebäude kam es zum Streit mit dem Finanzamt. Der Kläger vertrat die Auffassung, für die Aufteilung sei der Zeitpunkt der ursprünglichen mündlichen Vereinbarung maßgebend.

FG hat Gutachten eingeholt

Das FG hat ein Sachverständigengutachten eingeholt, das die Werte von Grund und Boden und Gebäude für drei Zeitpunkte, nämlich den von Klägerseite behaupteten Zeitpunkt der ursprünglichen (mündlichen) Vereinbarung, den Zeitpunkt des Vertragsschlusses und den Zeitpunkt des Gefahrübergangs, ermittelt.

Der sich nach der vertraglichen Vereinbarung ergebende Bodenwert weicht erheblich von den Bodenrichtwerten und dem vom Gutachter ermittelten Bodenwert ab.

Wertverhältnisse am Tag des Gefahrübergangs

Das FG Münster geht davon aus, dass für die Frage einer erheblichen Abweichung die Wertverhältnisse am Tag des Gefahrübergangs maßgeblich sind. Die Prüfung, ob die vertraglich vereinbarten Werte steuerlich anzuerkennen sind, dient der Sicherung der Tatbestandsmäßigkeit der Besteuerung. Daher ist nach allgemeinen Grundsätzen der Stichtag für die Ermittlung der Anschaffungskosten der Tag der Lieferung, bei Grundstücken also in der Regel der Zeitpunkt des tatsächlichen Übergangs von Besitz, Gefahr, Nutzen und Lasten maßgeblich.

Soweit in Rechtsprechung und Literatur teilweise auf die Verhältnisse am Tag des Vertragsschlusses abgestellt wird, folgt das FG dem nicht (FG Münster Urteil vom 22.09.2022 - 8 K 2748/20 E). Der maßgebliche Stichtag ist somit der 30.3.2018, weil der Gefahrübergang einen Tag nach Kaufpreiszahlung (erfolgt am 29.3.2018) eingetreten ist.

Revision zugelassen

Das FG hat die Revision zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zugelassen, weil unterschiedliche Auffassungen über den maßgeblichen Stichtag bei einer Aufteilung der Anschaffungskosten bestehen.

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