Leitsatz (amtlich)
Wird ein privates Wirtschaftsgut eines Arbeitnehmers aus in seiner Berufssphäre liegenden Gründen durch Einwirkung Dritter zerstört, so kann der Wertverlust als Werbungskosten bei seinen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit berücksichtigt werden.
Normenkette
EStG § 9 Abs. 1 S. 1; FGO § 96 Abs. 1
Tatbestand
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) war im Streitjahr 1976 als Polizeibeamter tätig. In der Nacht vom 18. auf den 19. November 1976 hatte er seinen Pkw auf dem seiner Wohnung gegenüberliegenden Parkplatz abgestellt. Morgens gegen 5 Uhr wurde das Fahrzeug durch Brand völlig zerstört. Nach dem Brandort-Befundbericht der Polizei ist von einer vorsätzlichen Brandstiftung auszugehen. Die Kriminalpolizei gab den Vorgang an die Staatsanwaltschaft mit dem Bemerken weiter, es sei zwar anzunehmen, daß eine bestimmte Tätergruppe diese Tat ausgeführt habe. Diese Tätergruppe habe die Inbrandsetzung aber nicht zugegeben. Die Staatsanwaltschaft stellte das Verfahren ein, weil der Täter nicht habe ermittelt werden können.
In seinem Antrag auf Lohnsteuer-Jahresausgleich für 1976 machte der Kläger den Verlust des Pkw als Werbungskosten geltend, wobei er von dem ermittelten Schadensbetrag den ihm von der Versicherung ersetzten Betrag abgezogen hatte. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) versagte den Werbungskostenabzug.
Die Klage hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG) führte im wesentlichen aus: Werbungskosten seien alle durch das Dienstverhältnis veranlaßten Aufwendungen; um solche handele es sich im Streitfall. Nach der Beweisaufnahme sei hinreichend nachgewiesen, daß der Zeuge B selbst oder durch einen Komplizen das Fahrzeug des Klägers in Brand gesetzt habe. Der Kläger habe als Polizeibeamter früher gegen B wegen Verkehrsordnungswidrigkeiten ermittelt. Dabei habe B erklärt, er warne die Beamten, durch derartige Anzeigen ihre persönlichen Haßgefühle gegen ihn abzureagieren. Deshalb liege es nahe, daß B seine Haßgefühle durch die Brandstiftung befriedigt habe. Das gelte um so mehr, nachdem B gegenüber dem Kläger bei einem zufälligen Zusammentreffen bereits eine entsprechende Drohung ausgesprochen habe, wie der Kläger in der mündlichen Verhandlung glaubhaft bekundet habe. Schließlich spreche die Aussageverweigerung des B bei seiner Vernehmung durch den ersuchten Richter für seine Täterschaft. Sonst hätte es nahegelegen, die Tat zu bestreiten.
Daß der Schaden nicht unmittelbar während eines beruflichen Einsatzes entstanden sei, hindere den Werbungskostenabzug nicht. Der Kläger habe glaubhaft versichert, daß ihm B privat unbekannt sei. B habe deshalb keinen Anlaß gehabt, dem Kläger als Privatmann einen Schaden zuzufügen. Zwar nutze der Kläger das Fahrzeug beruflich und privat. Die Zerstörung des Pkw sei aber allein aus beruflichem Anlaß erfolgt.
Bei der Ermittlung der als Werbungskosten abziehbaren Aufwendungen sei vom Unterschiedsbetrag zwischen dem Zeitwert des Pkw vor dem Unfall und dem Verkaufserlös abzüglich erstatteter Beträge durch Dritte auszugehen.
Das FA macht mit der Revision geltend, die Vorentscheidung verletze § 96 der Finanzgerichtsordnung (FGO) und § 9 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Es führt dazu aus: Der Beweiswürdigung des FG könne nicht gefolgt werden. Das FG müsse im Rahmen der freien Beweiswürdigung die volle Überzeugung vom Vorliegen des Sachverhalts haben. Die Behauptung des Klägers, B habe ihm gelegentlich die Tat schon angekündigt, sei weder durch Zeugen noch durch andere Beweismittel erwiesen. Reichten die Beweismittel aber nicht aus, gehe das bei Tatsachen, die eine Steuerermäßigung begründen sollen, zum Nachteil des Begehrenden aus.
Selbst wenn dem FG hinsichtlich der Täterschaft des B gefolgt werde, sei kein objektiver Zusammenhang zwischen der Berufstätigkeit des Klägers und dem Racheakt erkennbar. Zwischen der Wertminderung und dem Beruf des Klägers könne ein objektiver Zusammenhang nur über die berufliche Nutzung des Kraftfahrzeugs hergestellt werden. Werde ein Wirtschaftsgut zeitweise beruflich, zeitweise privat genutzt, könne eine Wertminderung nur berücksichtigt werden, wenn sie im Zusammenhang mit der beruflichen Inanspruchnahme des Wirtschaftsguts eingetreten sei. Unstreitig sei das Fahrzeug des Klägers aber zerstört worden, als es nicht beruflich genutzt worden sei.
Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet.
Zutreffend ist das FG davon ausgegangen, daß die vom Kläger geltend gemachten Aufwendungen als Werbungskosten abziehbar sind; seine Würdigung, daß diese Aufwendungen beruflich veranlaßt sind, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
Nach § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG sind Werbungskosten Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen. Der Bundesfinanzhof (BFH) legt diese Vorschrift in ständiger Rechtsprechung dahin aus, daß Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit alle durch den Beruf veranlaßten Aufwendungen sind. Dabei ist eine berufliche Veranlassung anzunehmen, wenn objektiv ein Zusammenhang der Aufwendungen mit dem Beruf besteht und subjektiv die Aufwendungen zur Förderung des Berufs gemacht werden (vgl. zuletzt Urteile vom 15. Mai 1981 VI R 66/78, BFHE 133, 516, BStBl II 1981, 735; vom 28. November 1980 VI R 193/77, BFHE 132, 431, BStBl II 1981, 368). In beiden vorstehenden Entscheidungen wird aber eingeräumt, daß die subjektive Förderung kein in jedem Fall notwendiges Merkmal des Werbungskostenbegriffs ist, weil - wie in dem letztgenannten Urteil hervorgehoben wird - z. B. auch unfreiwillige Ausgaben und Zwangsaufwendungen nach dem objektiven Nettoprinzip als Werbungskosten berücksichtigt werden müssen.
Solche unfreiwilligen Aufwendungen sind gegeben, wenn die Ausgaben auf den Steuerpflichtigen von außen her zukommen oder ihm aufgezwungen werden, ohne daß er sich ihnen entziehen kann (vgl. v. Bornhaupt in Söhn - Herausgeber -: Die Abgrenzung der Betriebs- oder Berufssphäre von der Privatsphäre im Einkommensteuerrecht, 1980, 149, 177). Fehlt indessen, wie in solchen Fällen, die subjektive Förderungsabsicht des Steuerpflichtigen, so muß man allein auf den objektiven Zusammenhang der Aufwendungen mit dem Beruf abstellen. Dieser Zusammenhang kann sich aus den subjektiven Erwägungen dessen ergeben, der die Aufwendungen verursacht. Im Ergebnis ist das FG von diesem Rechtsstandpunkt auch ausgegangen. Die Vorentscheidung ist deshalb rechtlich nicht zu beanstanden. Die Angriffe des FA gegen die Beweiswürdigung des FG können keinen Erfolg haben.
Das FG hat den - nach den vorstehenden Ausführungen erforderlichen - objektiven Zusammenhang der Aufwendungen des Klägers mit seinem Beruf bejaht. Es hat sich dabei auf die Aussagen des Klägers, ferner auf eine in Polizeiakten enthaltene Erklärung des Zeugen B, er warne die ermittelnden Polizeibeamten, und schließlich auf die Aussageverweigerung des Zeugen B gestützt. Die Beweiswürdigung des FG ist nicht angreifbar; denn sie ist nur insoweit revisibel, als Verstöße gegen die Verfahrensordnung, gegen Denkgesetze oder gegen allgemeine Erfahrungssätze vorgekommen sind. Das heißt, eine auf einer Beweiswürdigung beruhende Entscheidung eines FG ist revisionsrechtlich nur zu beanstanden, wenn das FG zu seinem Ergebnis nicht kommen konnte (vgl. Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 10. Aufl., § 118 FGO Tz. 7). Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt.
Im Steuerprozeß gilt nach § 96 Abs. 1 FGO das Prinzip der freien Beweiswürdigung. Das Gericht entscheidet demnach nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis der Verhandlung gewonnenen Überzeugung. Dabei sind u. a. die Behauptungen, Einlassungen und Stellungnahmen der Beteiligten mitzuberücksichtigen, evtl. auch der persönliche Eindruck, den ein Steuerpflichtiger in der mündlichen Verhandlung hinterläßt (vgl. Tipke/Kruse, a. a. O., § 96 FGO Anm. 2). Das FG konnte demnach die Erklärung des Klägers, der Zeuge B habe bei einem zufälligen Zusammentreffen eine der Tat entsprechende Drohung ausgesprochen, verwerten. Es konnte dem Kläger insoweit ohne Rechtsverstoß Glauben schenken. Die Folgerung des FG aus der Aussageverweigerung des B, er oder seine Komplizen hätten die Brandstiftung begangen, ist gleichfalls vertretbar. Ebenso widerspricht der Schluß des FG nicht den Denkgesetzen oder allgemeinen Erfahrungssätzen, daß B, der der Polizei gegenüber zum Ausdruck gebracht hat, sie solle sich nicht von Haßgefühlen ihm gegenüber leiten lassen, seinerseits Haßgefühle gegenüber der Polizei und insbesondere gegenüber dem Kläger als dem gegen ihn ermittelnden Beamten gehabt und durch Brandstiftung befriedigt habe. Wenn das FG schließlich aus der Behauptung des Klägers, ihm sei B privat nicht bekannt, folgerte, daß B subjektiv den Kläger nur als Polizisten, nicht aber als Privatmann habe schädigen wollen, so ist auch dies möglich und vertretbar.
Zu Recht hat das FG auch entschieden, daß der Schaden am Pkw des Klägers nicht unmittelbar bei der Berufsausübung entstanden sein müsse, um als Werbungskosten berücksichtigt werden zu können. Denn nach dem Urteil in BFHE 132, 431, BStBl II 1981, 368 ist es für den Werbungskostenabzug von Aufwendungen nicht erforderlich, daß ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen der Berufstätigkeit und den Aufwendungen besteht. Es genügt auch - wie es hier der Fall war - ein mittelbarer Zusammenhang.
Schließlich ist die Höhe des Werbungskostenabzugs im Streitfall nicht zu beanstanden. Als Werbungskosten ist die Absetzung für außergewöhnliche technische oder wirtschaftliche Abnutzung nach § 9 Abs. 1 Nr. 7 i. V. m. § 7 Abs. 1 Satz 4 EStG anzusetzen. Sie bemißt sich bei einer beruflich veranlaßten Beschädigung eines Pkw nach dem Unterschiedsbetrag zwischen dem Zeitwert des Fahrzeugs vor und dem nach dem Unfall bzw. der Beschädigung (vgl. BFH-Urteil vom 9. November 1979 VI R 156/77, BFHE 129, 143, BStBl II 1980, 71). Dabei ist es, wie der Senat unter 3. der vorstehenden Entscheidung ausgeführt hat, für die Berücksichtigung dieser Absetzung unbeachtlich, in welchem Umfang das Fahrzeug üblicherweise privat und beruflich genutzt wird. Die außergewöhnliche Abnutzung kann sich nach diesem Urteil in vollem Umfang steuerrechtlich auswirken, wenn sie durch ein berufliches Ereignis herbeigeführt worden ist.
Fundstellen
Haufe-Index 74270 |
BStBl II 1982, 442 |
BFHE 1982, 479 |