BWL-Lehrbuchklassiker erweitert Autorenteam
Alfred Biel: Herr Prof. Dr. Brösel, Sie sind nun Mitautor des führenden deutschen BWL-Lehrbuchs, des „Wöhe“. Das ist eine Autorenschaft mit hohem Wert, aber wohl auch doppelwertig.
Prof. Dr. Gerrit Brösel: Ja, insofern sind die Arbeiten am „Wöhe“ Lust und Last zugleich. Die mir von Herrn Kollegen Döring gewährte Möglichkeit ist für mich persönlich eine große Ehre und eine hohe Verantwortung. Ich bin mir jedoch sicher, dass das vorgelegte Ergebnis von den Lesern sehr positiv aufgenommen wird!
Sie sind ordentlicher Professor der Betriebswirtschaftslehre an der FernUniversität in Hagen. Die Wissensaneignung an Ihrer Universität erfolgt im Vollzeit- oder Teilzeitstudium u. a. anhand von didaktisch aufbereiteten Studienbriefen, Übungsaufgaben, Online-Seminaren, Wikis, Blogs, sog. virtuellen Klassenzimmern sowie der Lernplattform Moodle. Inwieweit hat dieser Hintergrund eine Rolle gespielt für Ihre Ernennung als Mitautor des „Wöhe“?
Brösel: Herr Döring sagte mir, wichtige Suchkriterien wären das Alter, die fachliche Ausrichtung, die wissenschaftliche Verortung sowie die Erfahrungen mit Lehrbüchern gewesen. Für mein Alter kann ich nichts; für die fachliche Ausrichtung und die wissenschaftliche Verortung ist vor allem mein Doktorvater Professor Manfred Jürgen Matschke [Greifswald; die Redaktion] verantwortlich. Erfahrungen mit Lehrbüchern hatte ich schon vor meiner Zeit in Hagen. Allerdings ist die Tätigkeit an der FernUniversität eine glückliche Fügung in dreierlei Hinsicht:
- Der „Wöhe“ zeichnet sich seit jeher durch ein hohes Niveau im Hinblick auf die Didaktik aus. Auch in der Lehre an der FernUniversität in Hagen ist dies naturgemäß eminent wichtig.
- Als Lehrbuchautor kennt man seine Leser nicht, sondern stellt nur Vermutungen über deren Erwartungen an. Hier sehe ich Parallelen zur FernUniversität. Es ist schwierig, sich auf die „Hörer“ einzustellen, denn man sieht – im Unterschied zu Präsenzveranstaltungen – nicht deren Fragezeichen in den Augen. Man hat also keinen zweiten Versuch, einen Sachverhalt auf einem anderen Wege zu erklären. Diese Herausforderung schult im Hinblick auf das Schreiben von didaktisch ausgerichteten Texten.
- Einige der mir im Rahmen meiner Tätigkeit an der FernUniversität zur Verfügung stehenden Instrumente sind zum Teil jetzt schon für erfolgreiche Lehrbücher von Bedeutung. Die anderen werden es noch, denn ich bin mir sicher, dass sich das Produkt „Lehrbuch“ in den nächsten Jahren verändern wird und um weitere der von Ihnen genannten Instrumente zu ergänzen ist, um erfolgreich zu sein.
Sie befassen sich intensiv mit der Gestaltung von didaktisch ausgereiftem Lehrmaterial. Welche Anforderungen sind an ein gutes Lehrbuch zu stellen?
Brösel: Ein Lehrbuch sollte das behandelte Themengebiet in der gebotenen Tiefe und Breite behandeln. Dieses richtet sich nach der Zielgruppe und dem Einsatzgebiet: Student oder Praktiker, Bachelor oder Master, Grundlagenwerk oder Spezialisierung. Insofern ist die Frage nicht pauschal zu beantworten. Der Autor muss sich schließlich Gedanken darüber machen, wem was wie vermittelt werden soll. Im Hinblick auf den „Wöhe“ soll gelten: Einfachheit geht vor Vollständigkeit! Dabei sind vor allem folgende zwei Aspekte zu beachten:
- Einfachheit darf nicht zur Niveaureduzierung führen, sondern es geht „nur“ darum, komplexe Sachverhalte in verständlicher Sprache zu vermitteln.
- Einfachheit darf auch nicht zur Fehlerhaftigkeit führen. Ein Beispiel: Wenn ein Instrument sechs Prämissen verlangt, kann das nicht auf drei Prämissen reduziert werden, nur weil sich der Leser drei Sachen besser merken kann als sechs.
Ein gutes Lehrbuch lebt zudem von vielen weiteren Aspekten, von möglichst kurzen griffigen Beispielen und Anwendungsfällen, dem Layout, den Zusatzmaterialien für die Dozenten einerseits und für die Studenten andererseits, wobei diese an Bedeutung gewinnen werden. Hier hat der „Wöhe“ ja nicht nur das Übungsbuch zu bieten, sondern z. B. auch mit dem kostenlosen Dozentenmaterial und der kostenlosen App aufgerüstet.
Bitte geben Sie unseren Leserinnen und Lesern einen kurzen Überblick über die Änderungen und Anpassungen in der 26. Auflage.
Brösel: Gerne. Zwar lag mit der 25. Auflage ein gut bestelltes Feld vor, allerdings resultiert aus den Entwicklungen in Theorie und Praxis sowie im Hinblick auf die Didaktik und veränderte Lerngewohnheiten ein permanenter Veränderungsbedarf, der sich über das gesamte Lehr- und Übungsbuch ergießt. Als wesentliche Veränderungen in der Wirtschaft waren z. B. die Regelungen zum Mindestlohn, die sich mit der Digitalisierung ergebende ‚Industrie 4.0‘, veränderte Rechnungslegungsvorschriften sowie die anhaltende Niedrigzinsphase auszumachen. Vor diesem Hintergrund haben Herr Döring und ich bezüglich der 26. Auflage des Lehrbuchs die Ausführungen auf jeder Seite auf den Prüfstand gestellt. Den Lehrbuchtext haben wir darüber hinaus beispielsweise um die Kapitel zum Risikomanagement und Risikocontrolling sowie zur ‚Industrie 4.0‘ erweitert. Der sich aus der voranschreitenden Digitalisierung ergebende Trend zur Zunahme unternehmensin- und -externer Vernetzung machte schließlich auch eine intensive Anpassung der Ausführungen zur Informationswirtschaft erforderlich. Das Kapitel ‚Personalwirtschaft‘ wurde neu gefasst, um die aktuellen Herausforderungen des Personalmanagements im stark regulierten Hochlohnland Deutschland und die diesbezüglichen Lösungsmöglichkeiten zu verdeutlichen.
Wenn man stichprobenweise die in 2013 erschienene 25. und die im Spätsommer 2016 veröffentlichte 26. Auflage miteinander vergleicht, fallen zahlreiche Unterschiede ins Auge. Sie haben bereits einige markante Unterschiede angesprochen. Weitere Stichworte sind z. B. Entscheidungen in der Spielsituation, Aspekte der wertorientierten Unternehmensführung, Rechtsformen, Reihenfolge- und Maschinenbelegungsplanung usw. Dies drängt die Frage auf, hat sich in diesen drei Jahren die Allgemeine Betriebswirtschaftslehre in Theorie und Praxis so schnell verändert oder liegt es eher an neueren, genauen betriebswirtschaftlichen Erkenntnissen?
Brösel: Die Veränderungen haben Sie sehr gut beobachtet. Aber zu den Gründen muss ich antworten: weder – noch. Vielmehr ist es so: Wenn ich meine eigenen Bücher nach zwei, drei Jahren überarbeite, dann habe ich mich in der Zwischenzeit weiterentwickelt. Da sehe ich bei fast jeder Formulierung Verbesserungspotenzial. Sehr gut ist mir dann nicht gut genug. So war es auch im Hinblick auf die Überarbeitung des „Wöhe“. Und zudem: Vier Augen sehen oftmals mehr als zwei.
Trotz vieler Ergänzungen und Verbesserungen ist die 26. Auflage mit 991 Seiten dünner als die 25. Auflage mit 1.018 Seiten. Die Autoren haben also rund 30 Seiten gekürzt. Wie ging dies?
Brösel: Uns ist es gelungen, viele Seiten zu entschlacken und einige Inhalte kürzer und prägnanter darzustellen. Ich denke, dass es uns mit der Neuauflage noch besser gelungen ist, den Spagat zu vollziehen, Sachverhalte in der gebotenen Gründlichkeit, aber auch in einer vertretbaren Einfachheit zu formulieren. Dies hat – gerade auch aus didaktischen Aspekten – zu einer geringfügigen Verkürzung des Lehrtextes geführt. Aber der „Wöhe“ verkauft sich auch deshalb so gut, weil er von vielen als Nachschlagewerk genutzt wird. Den Kürzungen sind also auch Grenzen gesetzt.
Zeitgleich zur 26. Auflage des Lehrbuchs erscheint auch die 15., überarbeitete und aktualisierte Auflage des Übungsbuches zur Einführung in die Allgemeine Betriebswirtschaftslehre. Den Angaben zufolge enthält das Übungsbuch 500 klausurerprobte Übungen mit Musterlösungen sowie 300 Multiple-Choice-Aufgaben mit dazugehörigen Lösungen, ferner 600 Wiederholungsfragen mit dazugehörigen Seitenverweisen auf das Wöhe-Lehrbuch. Angesichts dieser Menge und Vielfalt der Aufgaben und Lösungen stellt sich die Frage, ob sich Studierende und Praktiker darauf verlassen können, dass die Lösungen, insbesondere die rechnerischen Lösungen, korrekt sind?
Brösel: Im Hinblick auf das Übungsbuch wurde im Rahmen des Autorenwechsels die Möglichkeit genutzt, alle Zahlen nachzurechnen. Allerdings sollten vor allem die verbalen Antworten als Lösungsvorschläge gesehen werden. Eine vorhandene Musterlösung schließt die Existenz von alternativen Lösungen nicht aus. Als Autor ist man jedoch auch auf die Rückmeldungen der Leser und Anwender des Buches angewiesen. Ich freue mich sehr darüber, wenn mir Leser ihre Anregungen und Anmerkungen sowie auch Fragen zukommen lassen. So reduziert sich zum einen die Anonymität und zum anderen verbessert es zukünftige Auflagen.
Der „Wöhe“ ist das erfolgreichste Lehrbuch der BWL. Ein Longseller im besten Sinne des Wortes. Ein Buch, das sich seit 1960 gut verkauft. Worin liegt der Erfolg dieses Klassikers der BWL?
Brösel: Der Erfolg des „Wöhe“ basiert auf dem Grundsatz, schwierige betriebswirtschaftliche Zusammenhänge verständlich zu erklären. Von diesem Grundsatz wurde auch in der 26. Auflage nicht abgewichen. Insofern beschränken sich z. B. die neuen Passagen zum Risikomanagement und zur ‚Industrie 4.0‘ auf die betriebswirtschaftlichen Grundzusammenhänge. Statistische oder informationstechnologische Ausführungen wurden in diesem Zusammenhang bewusst ausgeklammert.
Noch eine letzte, persönliche Frage: Dürfen wir wissen, wie es dazu kam, dass Sie Co-Autor des „Wöhe“ wurden?
Brösel: Mit dem „Wöhe“ hatte ich ja bereits zu Studienzeiten selbst gearbeitet. Damals noch in der 18. und 19. Auflage. Herrn Professor Ulrich Döring habe ich im September 2010 in den Räumen des Vahlen Verlags in München auf der Jubiläumsveranstaltung „50 Jahre Wöhe – Einführung in die Allgemeine Betriebswirtschaftslehre“ persönlich kennengelernt. Nach langjähriger Suche nach einem Nachfolger ist Herr Professor Döring dann im Jahr 2012 auf mich zugekommen, um die Möglichkeiten einer Zusammenarbeit auszuloten. Im Mittelpunkt der ersten persönlichen Gespräche stand ein grundsätzlicher Austausch über die Erfahrungen beim Erstellen von Lehrbüchern. Anschließend hatten wir mehrere Arbeitstreffen. Hierbei wurde die Basis für eine Unterstützung bei der 2013 erschienenen 25. Auflage des „Wöhe“ sowie für eine mögliche anschließende Autorenschaft gelegt. Das gegenseitige ‚Beschnuppern‘ endete schließlich 2014 mit der Vereinbarung einer langjährigen Autorenschaft im Hinblick auf das Lehr- und das Übungsbuch. Die folgenden zwei Jahre waren dann sehr arbeitsintensiv.
Sehr geehrter Herr Professor Brösel, herzlichen Dank für das Gespräch.
Bibliografische Angaben:
Lehrbuch: Wöhe, Günther / Döring, Ulrich / Brösel, Gerrit: Einführung in die Allgemeine Betriebswirtschaftslehre. 26., überarbeitete und aktualisierte Auflage. München: Vahlen 2016 – 991 Seiten, 32,90 EUR.
Autoren und Buch
Dr. Dr. h. c. mult. Günter Wöhe war o. Professor der Betriebswirtschaftslehre an der Universität des Saarlandes. Dr. Ulrich Döring ist o. Professor em. der Betriebswirtschaftslehre an der Universität Lüneburg. Dr. Gerrit Brösel ist o. Professor der Betriebswirtschaftslehre an der FernUniversität Hagen. Das Werk ist Teil der Reihe „Vahlens Handbücher der Wirtschafts- und Sozialwissenschaften“. Der „Wöhe“ gilt als das führende und erfolgreichste Lehrbuch der BWL in Deutschland. Der Titel erschien erstmalig 1960. Meldungen zufolge hat er bislang rund 1,5 Mio. Käufer gefunden.
Inhaltsübesicht
Standort und Geschichte der BWL – Aufbau des Betriebes – Produktion – Marketing – Investition und Finanzierung – Betriebswirtschaftliches Rechnungswesen.
Übungsbuch: Wöhe, Günther / Döring, Ulrich / Brösel, Gerrit: Übungsbuch zur Einführung in die Allgemeine Betriebswirtschaftslehre. 15., überarbeitete und aktualisierte Auflage. München: Vahlen 2016 – 648 Seiten, 22,90 EUR
Dieses Übungsbuch ergänzt und vertieft das Lehrbuch zur Allgemeinen Betriebswirtschaftslehre von Wöhe/Döring/Brösel. Insgesamt enthält der Band mehr als 500 Übungsaufgaben mit Musterlösungen, rund 300 Multiple-Choice-Aufgaben mit dazugehörigen Lösungen sowie über 600 Wiederholungsfragen mit dazugehörigen Seitenverweisen auf das Lehrbuch (Zahlenangaben gemäß Vorwort).
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