3.3.1 Subjektivität in der Anpassung der Vergleichsdaten

Als Vorteil des CCA-Modells gilt neben der Einfachheit des Verfahrens die Objektivität durch Marktorientierung. Ob diese Vorteile zum Tragen kommen, hängt von der Art der verfügbaren Vergleichsdaten ab. Je unterschiedlicher die Vergleichsunternehmen, umso mehr subjektive Anpassungen sind nötig.

 
Praxis-Beispiel

Unternehmenswert nach dem CCA-Modell

Zu bewerten ist ein Optikergeschäft O-G mit 20 Angestellten, mit

  • einem Jahresumsatz von 0,7 Mio. EUR (Vorjahr: 0,665 Mio. EUR),
  • einem Gewinn von 70 TEUR (Umsatzrendite 10 %),
  • einer Personalkostenquote von branchenüblichen 42 % (bei 1,6 Brillenverkäufen pro Mitarbeiter und Tag).

Zeitnahe Kaufpreise realer Transaktionen stehen nicht zur Verfügung. Es gibt nur ein börsennotiertes Vergleichsunternehmen, die F-AG. Dieses hat

  • einen Jahresumsatz von 0,7 Mrd. EUR (Vorjahr: 0,6 Mrd. EUR) und
  • einen Gewinn von 35 Mio. EUR (Umsatzrendite 5 %).
  • Das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) beträgt 25 (Vorjahr: 15).
  • Die Personalkostenquote liegt mit 28 % ein Drittel unter dem Zielunternehmen (bei 4 Brillen pro Mitarbeiter und Tag).

Käufer und Verkäufer beauftragen je einen Gutachter, die zu folgenden Unternehmenswerten für das Optikergeschäft kommen:

 
  Verkäufergutachter   Käufergutachter  
KGV (F-AG) aktuell 25 Mittelwert 20
Anpassung wegen Wachstumsrate 0 %, weil andererseits doppelte Umsatzrendite   – 20 % – 4
Anpassung wegen Personalkostenquote keine Anpassung, weil ohnehin Teil von Gewinn   wegen strategischer Konkurrenzfähigkeit ½ von 33 % = 16 % von 20 – 3
Bereinigtes KGV   25   13
x Gewinn (O-G)   x 70 TEUR   x 70 TEUR
= Ausgangswert   1.750 TEUR   910 TEUR
Fungibilitäts-abschlag 10 % – 175 TEUR 15 % – 137 TEUR
Kontrollprämie 20 % + 350 TEUR 15 % + 137 TEUR
Unternehmenswert   = 1.900 TEUR   = 910 TEUR

Bei schwachen Vergleichsdaten sind die Marktdaten bzw. der sich aus ihnen ergebende Multiplikator nur Ausgangspunkt. In der individuellen Anpassung wird das Verfahren willkürbehaftet. Das CCA-Verfahren ist deshalb nur dort relativ zuverlässig, wo eine hinreichende Zahl von Vergleichsunternehmen zur Verfügung steht, die mindestens z. T. ähnliche Selektionsparameter (Wachstumsrate usw.) wie das Zielunternehmen haben. Dies setzt entweder eine hohe Zahl börsennotierter Unternehmen (Similar Public Company) oder umfangreiche systematische Sammlungen über reale Transaktionen (Recent Acquisition) voraus. Beide Voraussetzungen sind in den USA eher gegeben als in Deutschland. Gleichwohl finden multiplikatororientierte Bewertungen auch in Deutschland ihr Anwendungsfeld, insbesondere dort, wo der Zukunftserfolg schwer fassbar oder wenig relevant ist, etwa bei der Bewertung von

  • Start-up Unternehmen mit Umsatz-Multiplikatoren, wenn mangels Historie eine Abschätzung zukünftiger Einzahlungsüberschüsse nur sehr schwierig möglich ist,
  • privaten Hörfunksendern oder Zeitschriftenverlagen mit Hörer-Abonnenten-Kennzahlen; bei fast immer strategisch motivierten Akquisitionen ist die Gewinnung von Marktanteilen wichtiger als die stand alone vorhandene Ertragskraft.

3.3.2 Relevanz der Messung: Preis und Wert

Insbesondere den Multiplikatorenverfahren wird vorgehalten, dass sie

  1. keine (fundamentalen) Werte, sondern nur (zufällige) Marktpreise ermitteln, die demzufolge
  2. nichts über den subjektiven Entscheidungswert eines Investors (in Abhängigkeit von Synergien usw.) aussagen.

Das zweite Argument betrifft die Unterscheidung sog. objektivierter Unternehmenswerte von sog. subjektiven Entscheidungswerten. Es greift bei Bewertungsanlässen, in denen es nach der Rechtsprechung nur auf den investorunabhängigen Verkehrswert ankommt (Familienrecht, gesellschaftsrechtliche Abfindungen), von vornherein nicht. Aber auch sonst ist die Bedeutung des Entscheidungswerts begrenzt: Ein Unternehmenskäufer kann bereit sein, mehr als den Marktpreis zu zahlen, weil er z. B. Synergien erwartet. Unter der Überschrift "Funktionenlehre" wird dies theoretisch aufgebläht. Tatsächlich geht es im Kern um eine triviale, jedermann z. B. aus Grundstücksarrondierungen bekannte Tatsache:

 
Praxis-Beispiel

Entscheidungswert

Bauträger B besitzt bereits die Grundstücke Bachstraße 1 bis 5 und 7 bis 10. Grundstück 6 gehört noch A. B plant eine Gesamtbebauung der Straße, woraus er (nach kalkulatorischer Eigenkapitalverzinsung und vor Kosten des Grundstücks 6) einen Gewinn von 5 Mio. EUR erwartet. Er erwirbt Grundstück 6 (Verkehrswert bzw. Marktpreis: 250 TEUR) für 1 Mio. EUR und realisiert mit der Bebauung der Straße einen Gewinn von 4 Mio. EUR.

In der Begrifflichkeit der Funktionenlehre hätte der Gutachter in der Beratungsfunktion einen Entscheidungswert (Preisobergrenze) von 5 Mio. EUR ermittelt. Man kann niemandem verbieten, diese 5 Mio. EUR gegen allgemeinen Sprachgebrauch als Grundstückswert zu bezeichnen. In der Realität wird der Erwerber jedoch regelmäßig nicht bereit sein, seinen operativen Gewinn an den Veräußerer abzuführen. Eine grobe Vorstellung vom Grenzpreis, für die man kein Gutachten benötigt, wird ausreichen. Die Preisverhandlungen werden eher beim Verkehrswert beginnen und dort enden, wo ...

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