3.8.1 Eigenschaften und Phasen des Anlagengeschäfts

Das Anlagengeschäft wird durch folgende Eigenschaften charakterisiert:

  • der Unikatcharakter des Auftrags,
  • eine Diskontinuität der Auftragseingänge,
  • ein hohes finanzielles Volumen von Einzelaufträgen,
  • eine hohe technische Komplexität,
  • lange Fertigungszeiten und
  • eine projektbezogene Organisation.

Bei der Implementierung des Risikomanagementsystems muss ein Anlagenbauer deshalb einen eigenen Weg einschlagen. Insbesondere ist es notwendig, dass Projektrisiken neben den Unternehmensrisiken ausgewiesen werden.

Unterscheidung nach Projektphasen

Die Risiken werden wie bei den anderen Unternehmen thematisch gegliedert (vgl. Abb. 2), müssen aber ergänzend noch im zeitlichen Ablauf des Projekts betrachtet werden. Dabei werden drei Phasen unterschieden:

  1. Akquisition
  2. Auftragsabwicklung
  3. After Sales

Grundsätzlich können die Risiken in allen Projektphasen auftreten, ihre Bewertung muss aber schon vollständig bei der Angebotserstellung, d. h. in der Akquisitionsphase, stattfinden. Zur Risikobewertung wird ein Beurteilungsbogen, der die projektspezifischen kommerziellen und technischen Risiken aufzeigt, eingesetzt. Durch dieses Vorgehen wird zudem erreicht, dass der Bearbeiter in der frühen Phase der Angebotsevaluierung schon für alle Risiken sensibilisiert wird, die häufig erst viel später zum Tragen kommen. Dies zeigt sich z. B. ganz deutlich am Gewährleistungsrisiko, das auch noch Jahre nach der Übergabe an den Kunden zu erheblichen Gewährleistungsansprüchen führen kann. Da lange Gewährleistungslaufzeiten und komplexe technische Neuentwicklungen die Risikobewertung erheblich erschweren, sind mehrere Maßnahmen zur Verbesserung und Detaillierung der Bewertung einzuleiten. Systematisch aufbereitete Erkenntnisse aus abgewickelten Projekten liefern dazu einen ersten Beitrag (Installation einer Erfahrungsdatenbank).

3.8.2 Anteil neuartiger Lösungen am Gesamtprojekt bewerten

Die von den Kunden geforderten technischen Leistungswerte der Anlage verursachen je nach Grad der Komplexität und Grad der Neuartigkeit unterschiedlich hohe Risiken. Zur Bewertung dieser Risiken bestimmt man zuerst den Wertanteil der neuartigen technischen Lösung am Gesamtauftragswert und bewertet die dem Kunden zugesicherten Eigenschaften anhand der folgenden fünf Kriterien:

  1. Quantität
  2. Qualität
  3. Verbrauchswerte
  4. Emissionen
  5. Verfügbarkeit

Die einzelnen Eigenschaften werden dann zur Bewertung einer der drei folgenden Kategorien zugeordnet:

  • Standardeigenschaften
  • Bereits erreichte Eigenschaften
  • Bisher nicht erreichte Eigenschaften

Das so ermittelte Risikopotenzial drückt aus, wie wahrscheinlich es ist, dass die dem Kunden zugesicherten Eigenschaften nicht eingehalten werden können.[1]

[1] Vgl. zur Berechnung eines Risikoindex (BP-14 Index): Baetge/Jerschensky, (1999), S. 171–176.

3.8.3 Gegensteuerung mit Standard- und Ad-hoc-Maßnahmen

Die Erstbewertung der Risiken in der Akquisitionsphase wird in regelmäßigen Abständen, je nach Projekt innerhalb von 2–6 Wochen, überprüft. Um die Einzelrisiken besser überwachen zu können, werden Indikatoren zur Früherkennung der Risiken eingesetzt. Überschreitet ein Risikoindikator eine vorher definierte Wertgrenze, so hat der Projektleiter Maßnahmen zu ergreifen. Die Maßnahmen unterscheiden sich dabei in Standardmaßnahmen und Ad-hoc-Maßnahmen. Standardmaßnahmen liegen bereits ausgearbeitet vor und können bei Risikoeintritt sozusagen fertig aus der Schublade eingesetzt werden. Für sie bedarf es deshalb auch keiner weiteren Genehmigung. Solche Maßnahmenpläne eignen sich v. a. dann, wenn bei Risikoeintritt schnell gehandelt werden muss und keine Zeit für eine langwierige Genehmigungsprozedur vorhanden ist. Standardmaßnahmen kommen z. B. bei folgenden Risiken zum Einsatz:

  • Baustellenbrand,
  • Grenzschließung im Ausland,
  • Liquiditätsprobleme eines Großkunden.

Im Gegensatz dazu werden Ad-hoc-Maßnahmen erst bei der Risikoüberschreitung ausgearbeitet.

3.8.4 Risikoberichte, Visualisierung, Projektbewertungen

Da sich der Informationsbedarf von verschiedenen Anspruchsgruppen im Unternehmen sehr stark unterscheidet, ist das Berichtswesen zur besseren Übersicht über die Chancen und Risiken in drei Stufen zu gliedern: Gesamtdarstellung, Projektdarstellung, Indikatordarstellung (vgl. Abb. 11).

Abb. 11: Stufenweise Visualisierung von Projektrisiken

Gesamtdarstellung zeigt Chancen und Risiken

In der Gesamtdarstellung sieht die Unternehmensführung auf einen Blick, wie viele und welche Projekte ein hohes Risiko tragen. Aus der Darstellung ist aber auch zu entnehmen, ob das eingegangene Risiko auch entsprechende Chancen ermöglicht. Das Chancenpotenzial besteht dabei in einer höheren Rendite bzw. in einer Verbesserung des Ergebnisbeitrags. Im Rahmen des Risikomanagements entstehen auf diese Weise wertvolle Informationen über die zukünftige Entwicklung des Unternehmens, da die Risiken und die Chancen der einzelnen Projekte ersichtlich werden.

Regelmäßiger Review ermöglicht rechtzeitige Reaktion

Der Projektleiter kann sich mit der Projektdarstellung einen ersten Überblick über die Projektrisiken verschaffen. Um die Einzelrisiken eines Projekts besser interpretieren zu können, kann er sich ergänzend die Entwicklung des zugeordneten Frühindik...

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