Einsatz von Portfolios in Vertrieb und Marketing

Auch im Sektor Vertrieb und Marketing lassen sich Portfoliotechniken sinnvoll einsetzen. Beispielsweise bietet sich die Darstellung von Kunden in einem Portfolio mit den Dimensionen "Kundenattraktivität" sowie "Eigene Positionierung" an. Für die effektive Anwendung muss dabei zwischen Unternehmen mit geringer Anzahl an Kunden sowie Unternehmen mit mittlerer bis hoher Kundenanzahl unterschieden werden.

5.1 Portfoliodarstellung für Unternehmen mit geringer Kundenanzahl

Unternehmen mit geringer Anzahl an Abnehmern (Key Account Management) können gezielt einzelne Kunden anhand von Scoring-Modellen bewerten und analysieren. Dabei stellt jeder Kunde eine eigene Blase dar, deren Größe durch den Istumsatz des Kunden definiert ist.

 
Praxis-Tipp

Vorgehen bei deutlichen Größenunterschieden

Falls zwischen den Umsätzen ausgeprägte Größenunterschiede bestehen, kann es durchaus Sinn machen, den Umsatz zunächst in Spannen aufzuteilen und dann in einen Punktwert umzurechnen. Dieser Punktwert bestimmt dann die Größe der Blase. Dadurch wird verhindert, dass ein oder zwei Kunden durch die schiere Blasengröße das komplette Portfolio dominieren und alle anderen Kunden überdecken.

Aus der Positionierung im Portfolio können nun Handlungsempfehlungen abgeleitet werden. Abbildung 6 stellt ein solches Kundenportfolio schematisch dar.

Abb. 6: Konzept des Kundenportfolios

 
# Kundenattraktivität Erklärung
1 Umsatz/DB Istumsatz bzw. DB des Kunden, entweder des letzten Geschäftsjahres oder aggregiert über die letzten Jahre
2 ∅ Umsatz pro Bestellung Kleine Bestellmengen führen zu relativ hohen Zusatzkosten pro Bestellung und sind dadurch i. d. R. nicht von Vorteil
3 Potenzial des Kunden Potenzial des Kunden entweder monetär (Umsatz/DB) bewertet oder durch die Anzahl eingesetzter Produkte
4 Potenzielles Bedarfswachstum Durchschnittliches erwartetes Wachstum z. B. über die nächsten 5 Jahre
5 Preisdurchsetzbarkeit Durchschnittliche Durchsetzung von Nettopreisen im Vergleich zum Bruttolistenpreis
6 Bonität/Zahlungsverhalten Durchschnittliche Dauer von Rechnungsstellung bis Zahlungseingang oder Bonitäts-Rating
7 Loyalität Erfasst z. B. im Rahmen von Kundenzufriedenheitsstudien
8 Customer Lifetime Value Berechneter Wert des Kunden bspw. in Form eines Kapitalwerts über seinen kompletten Lebenszyklus

Tab. 9: Mögliche Kriterien der Kundenattraktivität

 
# Eigene Positionierung Erklärung
1 Umsatz/DB Istumsatz bzw. DB des Kunden, entweder des letzten Geschäftsjahres oder aggregiert über die letzten Jahre
2 Lieferanteil beim Kunden (Kundendurchdringung) Share of Wallet: Welchen Anteil habe ich an den beim Kunden eingesetzten Produkten?
3 Dauer der Kundenbeziehung Als Indikator für die Intensität der Beziehung
4 Auftragskontinuität Als Indikator für die Intensität der Beziehung
5 Kundenzufriedenheit Erfasst z. B. im Rahmen von Kundenzufriedenheitsstudien
6 Image beim Kunden Erfasst z. B. im Rahmen von Kundenzufriedenheitsstudien

Tab. 10: Mögliche Kriterien der eigenen Positionierung

Kriterien zur Operationalisierung der Dimensionen

Hinsichtlich der Kriterien zur Bestimmung der Kundenattraktivität gibt es eine Vielzahl an Optionen. Angefangen vom bestehenden Istumsatz bis zur komplexen Berechnung des Customer Lifetime Value ist alles möglich. Wie am Beispiel der GE-Matrix bereits aufgezeigt wurde, macht es wiederum Sinn, zunächst definierte Spannen für die Kriterien vorzugeben, um daraus einen konkreten Punktwert zwischen 1 und 5 abzuleiten. Potenzialorientierte Kriterien sind für die Kundenattraktivität dabei aussagekräftiger als Merkmale, welche auf Istdaten basieren (wie Umsatz oder DB). Diese können eher für die Bewertung der eigenen Positionierung herangezogen werden. Mögliche Kriterien für die Dimension Kundenattraktivität sind in Tab. 9 gelistet. Ansätze zur Bewertung der eigenen Positionierung werden in Tab. 10 aufgeführt.

5.2 Portfoliodarstellung für Unternehmen mit mittlerer bis hoher Kundenanzahl

Unternehmen mit mittlerer bis hoher Kundenanzahl können nicht ohne Weiteres jeden einzelnen Kunden in einem manuellen Prozess bewerten. Dennoch können auch diese Unternehmen von der Darstellung ihrer Kunden in einem Kundenportfolio profitieren. Zur Visualisierung der hohen Kundenanzahl im Portfolio müssen diese zunächst in Gruppen zusammengefasst werden. Dafür stehen zwei Ansätze zur Verfügung:

  1. Die Kunden werden im Vorfeld durch eine A-priori-Segmentierung zusammengefasst.
  2. Die Kunden werden unmittelbar auf Basis der Ausprägung ihrer Dimension in das Portfolio eingeordnet.

Zusammenfassung durch A-priori-Segmentierung

Eine A-priori-Segmentierung bietet sich z. B. auf Basis der Branchenzugehörigkeit oder der Unternehmensgröße an. Die einzelnen Kundensegmente werden dann hinsichtlich der Dimensionen "Kundenattraktivität" und "Eigene Positionierung" bewertet. Eine A-priori-Segmentierung ist von Vorteil, wenn man gezielt seine Positionierung in einer fest definierten Kundengruppe untersuchen möchte. Oftmals steht in der Praxis aber im ersten Schritt die Identifikation der attraktiven Kunden im Vordergrund. Eine Charakterisierung der attraktiven Segmente erfolgt...

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