3.1 Einzelfallanalyse der Kapitalflussrechnung

Cashflow-Analysen sind im Zusammenhang mit der wirtschaftlichen Beurteilung eines Unternehmens nicht mehr wegzudenken. Aktienanalysten, Banken, Bewertungsgutachtern, Ratingagenturen usw. ist die Cashflow-Betrachtung inzwischen wichtiger als die Aufwands- und Ertragsanalyse.

Dies liegt u. a. an der geringeren Manipulationsanfälligkeit des Cashflows. Das Jahresergebnis lässt sich über Abschreibungsmethoden, Rückstellungszuführungen und -auflösungen, Vorratsbewertungen und die Ausübung von Wahlrechten usw. bilanzpolitisch gestalten. Die Umsatzerlöse lassen sich durch eigenwillige Interpretationen des Umsatzrealisierungszeitpunktes manipulieren und ggf. auch fälschen. Auf den operativen Cashflow wirken sich hingegen Abschreibungen, Rückstellungsbewegungen sowie Änderungen der Vorratsbewertung und der Umsatzrealisierung nicht aus. Für die Kapitalflussrechnung zählt nur die Wahrheit des Kassenbestandes.

Ein weiterer Vorteil der Kapitalflussrechnung ist ihr integrierter Charakter. In einem einzigen Rechenwerk fließen operativer Erfolg und investive Verwendung mit Kapitalzuführungen und Kapitalrückführungen zusammen. Dies verschafft Einblicke in wesentliche Zusammenhänge:

 
Praxis-Beispiel

Einzelfallanalyse der Kapitalflussrechnung

Die GuV der Cash-GmbH zeigt ein erfolgreiches Jahr mit einem Überschuss von 3 Mio. EUR, den sich die Gesellschafter scheinbar moderat, nämlich nur zu 2/3 ausschütten lassen.

Die Kapitalflussrechnung führt zu kritischeren Urteilen und Fragen:

  • Einem Jahresüberschuss von 3 Mio. EUR steht nur ein operativer Cashflow von 1,5 Mio. EUR gegenüber, weil Vorräte und Forderungen stark gestiegen sind. Was ist die Ursache dieses Anstiegs und wie werthaltig sind die gestiegenen Forderungen und Vorratsbestände?
  • Im Verhältnis zum operativen Cashflow von 1,5 Mio. EUR ist bereits die Vorabausschüttung für das laufende Jahr mit 2 Mio. EUR bedenklich hoch. Zusammen mit der Ausschüttung für das Vorjahr werden 3 Mio. EUR an die Gesellschafter ausgekehrt, also doppelt so viel wie operativ erwirtschaftet wurde.
  • Als Folge ist der Finanzmittelfonds drastisch um 2/3 von zuvor 3 Mio. EUR auf jetzt nur noch 1 Mio. EUR geschrumpft. Die Bank wird bei den nächsten Finanzierungsrunden die Fortsetzung oder Umkehrung dieses Trends aufmerksam beobachten und weitere Finanzierungen ggf. an Bedingungen, z. B. Thesaurierung statt Ausschüttung von Gewinnen oder Covenant-Vereinbarungen, knüpfen.

3.2 Kennziffernrechnung

Kennziffernsysteme sind insbesondere bei Banken fester Bestandteil der Auswertung von Jahresabschlüssen und der Beurteilung der Bonität der Firmenkunden. Soweit dabei der "Cashflow" zu Kennziffern verarbeitet wird, ist in aller Regel tatsächlich der operative Cashflow gemeint. Im Rahmen einer Unternehmensbewertung steht insbesondere der Future-Cashflow im Mittelpunkt (DCF-Verfahren).

Vor allem folgende Kennziffern sind verbreitet:

a) Umsatz-Cashflow (auch: Cashflow-Umsatzrate)

 
Umsatz-Cashflow (in %) = (operativer) Cashflow × 100
Umsatz

Der Umsatz-Cashflow zeigt den prozentualen Cashflow-Erfolg. Anders als die Umsatzrendite (Jahresüberschuss/Umsatz) reagiert der Umsatz-Cashflow auf zunehmende Debitorenrisiken und nachlassende Auftragseingänge. Ist beispielsweise ein Umsatzwachstum nur noch über verstärkte Zahlungszielzugeständnisse zu erreichen, so mindert der entsprechende Aufbau der Debitoren den operativen Cashflow. Damit sinkt auch der Umsatz-Cashflow. Wird beispielsweise bei rückläufigen Umsätzen vermehrt auf Lager produziert, so sinkt der Umsatz-Cashflow früher und stärker als die Umsatzrendite. In die Renditebetrachtung geht die Bestandserhöhung an Erzeugnissen noch als Erfolg ein. Es fällt "nur" die Marge aus dem nicht realisierten Umsatz aus. In der Cashflow-Betrachtung wird der GuV-Ertrag aus der Bestandserhöhung durch einen entsprechenden Abzugsposten vollständig herausgerechnet.[1]

 
Praxis-Beispiel

Kennziffernrechnung

Ein Mobilfunkausrüster erstellt für eine Telefongesellschaft ein LTE-Netz. Das Auftragsvolumen beträgt 1,5 Mrd. EUR. Die Vereinbarung sieht vor, dass der Ausrüster der Telefongesellschaft einen Kredit von 2 Mrd. EUR gewährt, 1,5 Mrd. EUR eigentlicher Lieferantenkredit, 0,5 Mrd. EUR zur Deckung der operativen Anlaufverluste des LTE-Netzes. Der Gewinn aus dem Umsatzgeschäft beträgt bei Kosten von 1 Mrd. EUR 0,5 Mrd. EUR.

  • Die Umsatzrendite (aus dem Geschäft) beträgt 0,5 Mrd. EUR/1,5 Mrd. EUR = 33 %.
  • Bei einem operativen Cashflow von –1,0 Mrd. EUR (0,5 Mrd. JÜ –1,5 Mrd. Forderungsaufbau) ist der Umsatz-Cashflow hingegen negativ. Er beträgt –1,0 Mrd/1,5 Mrd. = – 66 %.
  • Der investive Cashflow aus Finanzinvestition ist –0,5 Mrd.

Wenn die Lieferantenforderung später tatsächlich ohne Einbußen realisiert wird, kehrt sich der Effekt in diesen späteren Jahren um.

b) Schuldentilgungsdauer (auch: Dynamischer Verschuldungsgrad)

 
Schuldentilgungsdauer (in Jahren) = (FK – PensionsRSt) – liquide Mittel[2]  
(operativer) Cashflow

Die Schuldentilgungsdauer informiert über die Fähigkeit des Unternehmens, das Fremdkapital aus dem operativ erwirtschaf...

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