Strategien realisieren sich über Projekte

Da sich Strategien heutzutage i. d. R. über Projekte realisieren und sich die Effektivität einer Strategie fast ausschließlich über die zur Implementierung initiierten Projekte ergibt, müsste die BSC eigentlich an der Zusammenstellung und fortlaufenden Priorisierung des Projektportfolios ansetzen und nicht nur über die verbesserte Messung einzuwirken versuchen. Eine Forderung, die von der BSC bisher nur eingeschränkt erfüllt wird.

Die vorherigen Aspekte der BSC-Diskussion repräsentieren deshalb nicht nur theoretische Problemstellungen, sondern führen in der unternehmerischen Praxis zu erheblichen Herausforderungen. Neben dem Aspekt der unzureichenden Unterstützung des strategischen Transformationsprozesses als erfolgskritischsten Teilprozess innerhalb der Phase der Strategieumsetzung zeigen sich die Defizite vor allem im Bereich der methodischen Unterstützung. Es fehlen konkrete Handlungsempfehlungen bezüglich des Implementierungs- und Anwendungsvorgehens, d. h. in Bezug auf das "wie" der Implementierung und das "was" der Inhalte sowie der möglichst effektiven Nutzung der BSC im Prozess der Unternehmensführung.

Während die einfache Grundstruktur der BSC keiner spezifischen Erläuterung bedarf, beginnen die Diskussionen über das "was und wie" in den Unternehmen schon im ersten kritischen Schritt, nämlich der Kennzahlenbestimmung. Neben der Frage, wie viele Indikatoren die BSC schlussendlich beinhalten soll, herrscht meist wenig Einigkeit über den anzuwendenden Prozess der Kennzahlenauswahl. Drängen Controller erfahrungsgemäß darauf, die Kennzahlen aus dem Pool bestehender und zentral erhobener Indikatoren zu verwenden, möchte bspw. das Business Development i. d. R. neue, bisher noch nicht im Fokus stehende Aspekte messen, um den "Change-Aspekt" der Strategie stärker zu betonen. Nachgelagerte Einheiten wie bspw. Länderorganisationen haben zusätzlich den Anspruch, dass nur Kennzahlen verwendet werden, die ihre Leistung "fair", d. h. faktisch so positiv wie möglich, widerspiegeln und die IT gibt ggf. noch die Beschränkung, dass alle späteren Kennzahlendaten nur aus dem zentralen Data Warehouse und nur nach Freigabe durch die IT-Verantwortlichen kommen dürfen.

Nach welcher Methode priorisiert der BSC-Projektleiter dann aber bspw. die einzelnen Kennzahlenvorschläge und wer stellt im operativen Betrieb dann die Qualität der gemeldeten Kennzahlenwerte sicher? Letztlich löst sich aufgrund der fehlenden Methodenunterstützung die Kennzahlendiskussion von der Strategiediskussion und der ehemals angestrebte Fokus auf die strategischen Aspekte der Kennzahlenauswahl wird wieder einem operativen Fokus geopfert, wie es praktisch bei jedem Projekt zur Erstellung eines Management Reportings der Fall ist. Im schlimmsten Fall wird aus dem ursprünglichen (unternehmensweiten) BSC-/Strategie- ein intern orientiertes IT-Projekt.

Defizite in der Projektauswahl

Ebenso kritisch ist der zur Realisierung des "translating strategy into action" notwendige Prozess der Bestimmung der Umsetzungsmaßnahmen. In einer Analyse über die Qualität der bekanntesten Methoden zur Implementierung einer BSC zeigte sich, dass keines der veröffentlichten Verfahren eine ausreichende Methodenunterstützung aufweisen konnte und sich besonders beim Aspekt der Projektpriorisierung signifikante Defizite feststellen ließen. Bei keinem der analysierten Verfahren wurden konkrete Techniken angeboten, wie einzelnen Maßnahmen (Actions) ihrem strategischen Nutzen nach priorisiert werden können oder wie eine Bewertung von Maßnahmen ganz unterschiedlichen Typs vorgenommen werden kann. Letztlich bleibt jedes Unternehmen auf sich alleine gestellt und muss sowohl die Auswahl der Maßnahmen, als auch den anschließenden Prozess des Übertrags in die Planung und Budgetierung nach hauseigenen und i. d. R. nicht auf die BSC zugeschnittenen Verfahren vornehmen.

Allein diese beiden Beispiele machen deutlich, dass die BSC zwar ein im Grunde einfach zu begreifendes Konzept darstellt, dass sich die Umsetzung der BSC im Unternehmen jedoch als im Detail sehr schwierige Aufgabe darstellt. Weil es der BSC bis heute an einer einheitlichen methodischen Unterstützung des Implementierungsprozesses fehlt und auch das grundlegende Problem der Trivialisierung des strategischen Unternehmensführungsprozess nicht adressiert wird, ist auch in Zukunft mit einer fundamentalen Kritik von Seiten der Wissenschaftler zu rechnen.

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