Zusammenfassung

Ungefähr ein Fünftel aller Aufträge sind Verlustaufträge. Der vorliegende Beitrag zeigt, wie eine effektive und effiziente Auftragskalkulation dazu beitragen kann, dies zu verhindern.

Die eigentlichen Ursachen liegen zunächst in technischen Fragestellungen, die Vor-, Zwischen- und Nachkalkulationen müssen technisch einwandfrei durchgeführt werden und die besondere Problematik des kundenindividuellen Auftragsgeschäfts berücksichtigen.

Noch wichtiger ist aber die organisatorische Implementierung von Fragestellungen wie dem Claim Management oder dem Multiauftrags-Controlling.

1 Muss jeder fünfte Auftrag mit Verlust abgeschlossen werden?

Verlustaufträge sind keine Seltenheit

Verlustaufträge sind in Industriegüterunternehmen mit auftragsbezogener Einzelfertigung keine Seltenheit, sondern gehören zum Tagesgeschäft. Untersuchungen bringen immer wieder das gleiche Ergebnis: Je nach Branche und Konjunkturlage werden zwischen 10 % und 40 % aller kundenbezogenen Aufträge mit Verlusten abgeschlossen.

Allgemeine Merkmale des Auftragsgeschäfts

Muss dies so sein? Prinzipiell natürlich nicht, allerdings gibt es strukturelle Besonderheiten des Auftragsgeschäfts, die das Verlustrisiko gegenüber der Serienfertigung erheblich erhöhen. Beim Auftragsgeschäft handelt es sich um den klassischen Fall der Einzelfertigung. Es ist i. a. R. durch folgende Merkmale gekennzeichnet:

  • einmalige Ausführung (jeder Auftrag ist ein Unikat),
  • hohe technische Komplexität der Aufträge,
  • lange Angebots- und Abwicklungszeiten,
  • intensive Mitwirkung der Kunden an der Planung und Produktion,
  • hohe Auftragssummen und damit
  • hohe Anforderungen an die Finanzierung sowie
  • Diskontinuität des Auftragseingangs.

In der Bauindustrie, im Anlagenbau, im Schiffsbau oder bei großen Forschungs- und Entwicklungsaufträgen kommen häufig noch weitere komplexitäterhöhende Faktoren hinzu:

  • die Internationalität der Aufträge mit Auswirkungen wie z. B. Wechselkursrisiken und
  • das Konsortialgeschäft, in dem die Auftragsabwicklung in einem virtuellen Netz von Zulieferern erfolgt.

Nicht alle der vorgenannten Merkmale müssen für jeden Auftrag gleichermaßen zutreffen, damit vom Auftragsgeschäft gesprochen werden kann. In vielen Branchen der Investitionsgüterindustrie ist sogar ein Nebeneinander von unterschiedlichen Fertigungsarten üblich.

 
Praxis-Beispiel

Fertigung von Dieselmotoren bei Rolls-Royce Power Systems unter der Marke MTU

Fertigungsarten in der Investitions­güterindustrie

Bei einigen kleineren Dieselmotoren erfolgt die Fertigung in Kleinserien auf Lager, bei größeren als Auftragsfertigung. Aber auch die Auftragsfertigung sich ist heterogen. Einerseits gibt es kundenindividuelle Produkte, die auf Basis eines Modularisierungskonzeptes aus standardisierten Baugruppen gefertigt werden, wodurch sich die technische Komplexität und das wirtschaftliche Risiko dieser Aufträge deutlich verringern. Anderseits ist bei der Fertigung von Dieselmotoren für Kreuzfahrtschiffe jeder Auftrag ein wirkliches Unikat und das Ergebnis eines umfassenden technischen Engineering in der Planungsphase.

Um die prinzipielle Problematik der Auftragskalkulation transparent zu machen, konzentrieren wir uns im Folgenden auf das typische kunden­individuelle Auftragsgeschäft der Investitionsgüterindustrie, wie es z. B. im Anlagenbau oder Schiffsbau oder in der Bauindustrie vorkommt. Gerade in der Bauindustrie ist es offensichtlich, dass die meisten Bauaufträge eine eigene Planungsphase beinhalten. Weitere Unternehmensbeispiele, an die man dabei denken kann, sind neben Rolls-Royce Power Systems

  • die Blohm + Voss Werft, die Luxusyachten herstellt,
  • die GEA, ein Systemhersteller für Anlagen der Nahrungsmittel- und Energieindustrie, oder
  • die SMS Group, ein Anlagenbauer im Bereich der Hütten- und Walzwerkstechnik, der letztlich ganze Stahlwerke für Unternehmen wie Acelor oder Shanghai Baosteel konstruiert und als Konsortialführer vor Ort baut.

2 Der Auftrags-Life-Cycle

Durch die Einzigartigkeit jedes Auftrags und die langen Angebots- und Abwicklungszeiten durchläuft jeder Auftrag mehrere Phasen.

2.1 Phasen eines Baugroßauftrags

Am Beispiel eines Bauauftrags lassen sich diese illustrieren (s. Abb. 1). Letztlich handelt es sich bei jedem größeren Bauauftrag um einen klassischen Prozess.[1] Prozessauslöser beim Auftragnehmer ist hier die Anfrage eines Kunden (Meilenstein "Planungsbeginn" in Abb. 1).

Der Auftragnehmer tritt in die Akquisitionsphase ein, in der er eine Vorselektion vornimmt. Er entscheidet z. B. anhand von Kapazitäten darüber, ob er in die nächste Phase, die Angebotserstellung, eintritt. Die Angebotsphase beinhaltet eine detaillierte technische Planung des Auftrags und die Vorkalkulation und verursacht bereits erhebliche Personalkosten.

Meilenstein nach der Angebotsphase ist die Auftragserteilung, nach der zunächst die Arbeitsvorbereitung und -kalkulation und nachfolgend die Bauausführung beginnen.

Nach Abnahme und den üblichen Verhandlungen über Nachbesserungen bzw. Preisreduktionen erfolgen die Schlussrechnung sowie eine Auftragsevaluation, u. a. auf Basis einer Nachkalkulation. Der abgeschlossene Bauauftrag tritt nun in eine Gewährleistu...

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