
Die DSGVO gibt seit Mai 2018 Auskunftsansprüche zu allen über eine Person gespeicherten Daten. Gleichzeitig wird der Rechtsschutz von Whistleblowern aktuell ausgebaut. Ein LAG-Urteil entschied nun, wer den Kürzeren zieht, wenn der DSGVO-Auskunftsanspruch eines Arbeitnehmers auf den Anspruch von Whistleblowern trifft, bei Meldungen anonym zu bleiben.
Das LAG Baden-Württemberg entschied zu einem Arbeitsrechtsstreit, bei dem sich zwei sehr aktuelle Schutzbereiche in die Quere kamen.
Verbitterter, langjähriger Kündigungsrechtsstreit
Der Arbeitgeber, ein weltbekannter Autohersteller, will sich seit 2014 von einem juristischen Mitarbeiter der Rechtsabteilung mit Führungsaufgaben aus Gründen trennen, die in der Gerichtsentscheidung nicht an die Oberfläche kommen.
Der Arbeitnehmer bestand trotz gescheiterten Gesprächen, Abmahnungen, (Änderungs-)Kündigungen und einer Mediation auf Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses. Außerdem versuchte er herauszufinden, woher die belastenden Informationen über ihn im Hinweisgebersystem stammten. Beim Arbeitsgericht scheiterte der Arbeitgeber mit seinem Trennungswunsch.
DSGVO verbesserte die Situation des Arbeitnehmers
Vor dem LAG kam dem Arbeitnehmer die mittlerweile in Kraft getreten DSGVO zur Hilfe.
- Im Wege der Anschlussbegründung präzisierte er sein Auskunftsbegehren,
- denn er konnte sich dabei nun auf den im Mai 2018 in Kraft getretenen Art. 15 Abs. 1 und 3 DSGVO stützen.
- Er verlangte nun auch die Herausgabe einer Kopie der ihn betreffenden BPO-Akte.
Die Beklagte hielt an der Kündigung und den Abmahnungen fest. Dem Auskunftsanspruch stellte sie sich unter Hinweis auf den Schutz berechtigter Interessen der „Whistleblower“ entgegen.
DSGVO gibt ein nicht näher zu begründendes Auskunftsrecht
Da es für die arbeitsrechtlichen Maßnahmen keine tragfähigen Begründungen gab, war der Mitarbeiter weiterzubeschäftigen. Darüber hinaus hat der Arbeitgeber nun noch ein Datenschutz /Whistleblower-Problem, welches das LAG-Urteil aber besonders interessant macht.
- Im Wege der Anschlussberufung konnte der Mitarbeiter mittlerweile seinen Auskunftsanspruch auf Art. 15 Abs.1 DSGVO stützten.
- Besonderer Gründe, Anhaltspunkte oder Auslöser für diesen Anspruch bedarf es nicht.
- Es reicht, dass von der anfragenden Person personenbezogene Daten vorgehalten werden.
Dann müssen im Erfüllung des zweistufigen Auskunftsanspruchs alle möglichen Informationen zu den Daten selbst, zum Verarbeitungszweck, zur geplanten Dauer, zum Verteiler, falls die Daten weitergegeben werden usw. herausgegeben werden.
Auskunftverweigerungsrechte der Arbeitgebers
Ein Recht auf Verweigerung der Datenkopie steht dem Arbeitgeber zu, wenn es zur missbrächliche Nutzung des Anspruchs kommt. Außerdem gem. Art. 15 Abs. 4 DSGVO , wenn die Erteilung einer Datenkopie Rechte oder Freiheiten Dritter beeinträchtigen würde.
Arbeitnehmer will Einsicht in das interne Hinweisgebersystem
Die Informationen, über die der Arbeitnehmer Auskunft fordert, bezeichnet er mit
- sämtlichen, vom Arbeitgeber verarbeiteten, personenbezogenen Leistungs- und Verhaltensdaten,
- die außerhalb der Personalakte gespeichert wurden.
Dabei ging es dem Juristen um ganz spezielle Daten /Datenkopien
- aus dem konzerninternen Hinweisgebersystem „Business Practices Office“ (kurz: BPO).
- Das BPO ist installiert, um vertragswidrige Sachverhalte aufzuklären und Sanktionen zu erarbeiten.
Hintergrund: Gegen den Kläger war im Jahr 2014 – nach verschiedenen Hinweisen von Kollegen - ein BPO-Verfahren eingeleitet worden.
Auskunftverweigerungsrechte der Arbeitgebers
Ein Recht auf Verweigerung der Datenkopie steht dem Arbeitgeber zu, wenn missbrächliche Nutzung des Anspruche anzunehmen ist. Außerdem gem. Art. 15 Abs. 4 DSGVO , wenn die Erteilung einer Datenkopie Rechte oder Freiheiten Dritter beeinträchtigen würde.
LAG gewährt Auskunftsrecht, lässt aber Revision zu
Diese Auskunft wurde dem Kläger vom LAG Baden-Württemberg zugesagt, was bedeuten würde, dass er u.a. an die Namen der Hinweisgeber käme. Was aber ist mit deren Schutz?
Zwar setzt Art. 15 Abs. 4 DSGVO hier eine Grenze bei Beeinträchtigung der Rechte Dritter. Diese war nach Ansicht des LAG Baden-Württemberg durch die Auskunft aber noch nicht überschritten.
Wie weit geht der Schutz von Hinweisgebern?
Diese Frage hat gerade sehr an Aktualität gewonnen, denn die EU treibt den Whistleblower-Schutz mit großen Schritten voran. Noch in diesem Jahr wird eine neue Richtlinie hierzu erwartet.
- Das deutsche Geschäftsgeheimnisgesetz mit in letzter Minute weiter verbessertem Whistleblower-Schutz hat zudem gerade den Bundestag passiert.
- Danach ist es legitim eine rechtswidrige Handlung oder ein berufliches Fehlverhalten aufzudecken, wenn sie das allgemeine öffentliche Interesse mit ihren Hinweisen schützen.
Ein Recht auf Anonymität geht damit zwar nicht automatisch einher, aber verletzt der Arbeitgeber mit seiner Auskunft möglicherweise das Datenschutzrecht der Hinweisgeber?
Das LAG hat sicher Recht getan, insoweit die Revision zuzulassen, sodass nun mit Spannung die Sichtweise des BAG erwartet wird.
(LAG Baden-Württemberg, Urteil v. 20.12.2018, 17 Sa 11/18).
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Hintergrund:
Auskunftsanspruch nach DSGVO
Im Rahmen Erfüllung des Auskunftsanspruches hat der Verantwortliche der betroffenen Person genaue Angaben über sämtliche personenbezogenen Daten, die über die betroffene Person verarbeitet werden, einschließlich sonstiger personenbezogener Informationen zu machen und diese Informationen in Form einer (kostenlosen) Kopie zu übermitteln (Art. 15 Abs. 1 Hs. 1, Abs. 3 DSGVO).
Sämtliche verarbeiteten personenbezogenen Daten
Gemäß Art. 15 Abs. 1 Hs. 2 DSGVO erstreckt sich das Auskunftsrecht der betroffenen Person auf sämtliche über sie beim Verantwortlichen gespeicherten personenbezogenen Daten. Die verantwortliche Person hat einen Anspruch auf eine vollständige Übersicht dieser Daten in einer Form, die es ihr ermöglicht, von den genannten Daten Kenntnis zu erlangen und zu prüfen, ob sie richtig sind und der DSGVO gemäß verarbeitet werden, sodass sie gegebenenfalls ihre sonstigen Betroffenenrechte ausüben kann.
Recht auf kostenlose Datenkopie
Gemäß Art. 14 Abs. 3 DSGVO hat der Verantwortliche zudem eine Kopie der personenbezogenen Daten, die Gegenstand der Verarbeitung sind, zur Verfügung zu stellen. Fraglich ist, ob sich die Kopie der personenbezogen Daten von der nach Art. 14 Absatz 1 DSGVO geforderten Übersicht über "diese Daten" unterscheidet oder es sich hier lediglich um eine Klarstellungsregelung handelt.
Aus: Deutsches Anwalt Office Premium