BGH zu Voraussetzungen wirksamer Beitragserhöhungen in der PKV

Beitragssteigerungen in der privaten Krankenversicherung sind für Versicherte in Frequenz und Höhe oft kaum nachvollziehbar. Der BGH hat kürzlich konkretisiert, was die Voraussetzungen der Begründung einer Prämienerhöhung und die Folgen eines Begründungsfehlers sind. Er belässt dabei den Versicherungen weiter erheblichen Spielraum.

Eine privat Krankenversicherte hatte sich gegen Beitragserhöhungen in den Jahren 2014 bis 2017 gewandt, die die Versicherung auf Grundlage von § 203 Abs. 2 VVG vorgenommen hatte. Das Landgericht hatte geurteilt, dass die Prämienanpassungen unwirksam gewesen seien und die Versicherung verpflichtet sei, die erhöhten Beiträge zurückzuzahlen.

OLG sah Pflicht zur Beitragsrückerstattung der PKV

Das Oberlandesgericht (OLG Köln, Urteil v. 28.01.2020, 9 U 138/19) sah auch eine Pflicht der Versicherung zur Rückzahlung eines Teils der erhöhten Beiträge, weil die Versicherung die Prämienanpassung nicht ausreichend begründet habe. Da der Versicherer die Begründung für die Prämienerhöhungen in den Klageerwiderung aber nachgeholt habe, sei der Mangel von diesem Zeitpunkt an geheilt gewesen. Die Prämienanpassungen seien deshalb zum 1. Januar 2018 wirksam geworden, so das OLG.

Ab wann Prämienanpassungen der Krankenversicherung gültig sind

Der Bundesgerichtshof hat in seiner Entscheidung bestätigt, dass bei einer Prämienanpassung nach § 203 Abs. 2 VVG diese erst dann in Lauf gesetzt werde, wenn dem Versicherten eine Begründung für die Anpassung zugekommen ist, die den Anforderungen des § 203 Abs. 5 VVG genügt.

Versicherer muss Änderung konkret benennen, die zur Erhöhung führt

Konkret muss die Versicherung benennen, bei welcher der Rechnungsgrundlagen – Versicherungsleistungen, Sterbewahrscheinlichkeit oder bei beiden – eine nicht nur vorübergehende Veränderung eingetreten ist, die den festgelegten Schwellenwert überschritten hat und damit die Neufestsetzung nach § 203 Abs. 2 Satz 1 VVG veranlasst wurde. 

In der Mitteilung zur Begründung der Prämienanpassung gemäß § 203 Abs. 5 VVG muss die Rechnungsgrundlage genannt werden, deren Veränderung die Prämienanpassung ausgelöst hat, also

  • die Veränderung der Leistungsausgaben bzw. Versicherungsleistungen
  • und/oder Sterbewahrscheinlichkeit  bzw. Sterbetafeln

Denn die Veränderung mindestens einer dieser beiden Rechnungsgrundlagen ist in § 155 VAG ausdrücklich als Voraussetzung einer Prämienanpassung genannt.

Allgemeine Hinweise auf die gesetzlichen Voraussetzungen einer Beitragserhöhung reichen nicht

Der BGH wies darauf hin, dass eine allgemeine Mitteilung der Versicherung, die nur die gesetzlichen Voraussetzungen der Beitragserhöhung wiedergibt, nicht genügt. Allerdings muss die Versicherung nicht über die konkrete Veränderung einer Rechnungsgrundlage informieren. Sie muss auch nicht angeben, ob der überschrittene Schwellenwert im Gesetz geregelt ist oder davon abweichend in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen.

Nach VVG-Reform muss auch Veränderung bei Sterbewahrscheinlichkeit berücksichtigt werden

Extrem verschärft haben sich die Anforderungen an die Versicherungsgesellschaften seit der Reform des VVG im Jahr 2008 nicht. Allerdings wurde im Zuge der Reform eingeführt, dass bei möglichen Prämienanpassungen

  • nicht mehr nur die Veränderung des Schadensbedarfs,
  • sondern auch Veränderungen der Sterbewahrscheinlichkeiten berücksichtigt werden müssen (§ 203 Abs. 1 S. 1 VVG).

Der BGH wies darauf hin, dass die Gesetzesbegründung zeige, dass der Gesetzgeber keine grundsätzliche Neuregelung für das Wirksamwerden einer Prämienanpassung beabsichtigte, sondern die Mitteilungspflicht nur geringfügig erweitern wollte.

Versicherer muss keine Plausibilitätskontrolle seiner Kalkulation ermöglichen

Die Mitteilung der maßgeblichen Gründe solle dem Versicherungsnehmer zeigen, was der Anlass für die konkrete Prämienerhöhung gewesen sei. Dagegen habe die Mitteilungspflicht nicht den Zweck, dem Versicherungsnehmer eine Plausibilitätskontrolle der Prämienanpassung zu ermöglichen.

Versicherte müssen nicht rückwirkend höhere Prämien zahlen

Der BGH wies auch darauf hin, dass Versicherer fehlende Angaben zu den Gründen einer Prämienanpassung nachholen können. Die Frist für das Wirksamwerden der Erhöhung setze dann aber auch erst ab Zugang der Angaben beim Versicherungsnehmer an zu laufen. Eine rückwirkende Heilung einer ursprünglich unzureichenden Begründung gebe es nicht.

Fazit: Für Versicherte bedeutet dies: Sie müssen ab dem Wirksamwerden die erhöhte Versicherungsprämie zahlen, aber nicht rückwirkend. Für erhöhte Versicherungsbeiträge, die sie gezahlt haben, bevor die Prämienerhöhung gesetzeskonform von der Versicherung begründet wurde, haben sie einen Anspruch auf Rückerstattung der Beitragserhöhungen.

(BGH, Urteil v. 16.12.2020, IV ZR 294/19 und IV ZR 314/19).

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Hintergrund: Begründungserfordernis des § 203 VVG 

Das Begründungserfordernis des § 203 VVG solle es dem Versicherungsnehmer möglich machen, die grundlegenden Tatsachen, die zur Beitragserhöhung geführt haben, in Erfahrung zu bringen und diese anschließend auf dieser Grundlage überprüfen zu lassen.

Nach 203 Abs. 2 S. 1 VVG ist der Versicherer, bei einer nicht nur als vorübergehend anzusehenden Veränderung einer für die Prämienkalkulation maßgeblichen Rechnungsgrundlage berechtigt, die Prämie entsprechend den berichtigten Rechnungsgrundlagen auch für bestehende Versicherungsverhältnisse neu festzusetzen, sofern ein unabhängiger Treuhänder die technischen Berechnungsgrundlagen überprüft und der Prämienanpassung zustimmt.