Rz. 3

Der Anspruch auf Beratung nach § 14 stellt ein subjektives öffentliches Recht dar, das von jedem in Bezug auf seine Rechte und Pflichten in Anspruch genommen werden kann, der jetzt oder zukünftig Gestaltungsrechte im Rahmen der Rechte und Pflichten nach dem Sozialgesetzbuch ausüben möchte. Der Anspruch richtet sich gegen alle Leistungsträger (vgl. §§ 12, 18 bis 29). Die Beratungspflicht eines Sozialleistungsträgers erstreckt sich grundsätzlich nur auf die Gewährleistung der sozialen Rechte nach dem SGB, nicht jedoch auf außerhalb des SGB existierende Sicherungssysteme anderer Art (BSG, Urteile v. 24.7.2003, B 4 RA 13/03 R, v. 15.12.1994, 4 RA 64/93). Eine allein materiell-rechtliche Verknüpfung und Abhängigkeit einzelner Ansprüche aus verschiedenen Sicherungssystemen begründet jedenfalls keine grundsätzliche Pflicht zur Beratung über SGB-fremde Rechtslagen. Folgerichtig obliegt auch den Sozialgerichten keine Beratung i. S. d. § 14. § 14 enthält keine Definition der Beratung, keine Voraussetzungen für einen Beratungsanspruch und keine Rechtsfolgen für die Fälle unberechtigter Beratungsverweigerung und von Beratungsmängeln. Der Beratungsanspruch beschränkt sich auf die Rechte und Pflichten des Ratsuchenden. Umgekehrt scheitert ein Beratungsanspruch nicht an dem dafür erforderlichen Verwaltungsaufwand oder dem Leistungsträger entstehenden Kosten.

 

Rz. 4

§ 14 gilt zunächst für alle Personen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland (§ 30 Abs. 1), die mindestens das 15. Lebensjahr vollendet haben (§ 36 Abs. 1). Das sind alle Menschen, die in Deutschland Anträge auf Sozialleistungen stellen und verfolgen sowie Sozialleistungen entgegennehmen können. Eine Beratungspflicht ist in jedem Fall gegeben, wenn zwischen Ratsuchendem und Leistungsträger ein Sozialrechtsverhältnis besteht, das ist allerdings nicht zwingende Voraussetzung. Ein Sozialrechtsverhältnis zwischen dem Leistungsträger und dem Bürger mit gegenseitigen Rechten und Pflichten wird bereits durch die Antragstellung (z. B. auf eine Entgeltersatzleistung) begründet (BSG, Urteil v. 26.10.1976, 12/7 RAr 78/74). Das kann auch ein "Antrag" auf eine Auskunft sein. Beratung i. S. der Vorschrift ist auf Unterstützung des Bürgers ausgerichtet, die – ohne rechtlichen Rat gegen Bezahlung wie in der freien Wirtschaft zu erteilen – gegenüber dem Leistungsträger in Anspruch genommen werden kann. Die Formulierung "Jeder" im Wortlaut des Gesetzes bestätigt den individuellen Anspruch auf eine Einzelberatung; durch den gewählten Begriff wird keine Person von dem Anspruch ausgenommen. Mit zunehmender Komplexität des Sozialrechts wird auch die Beratung über Rechte und Pflichten eine Trägerpflicht von zentraler Bedeutung für den Sozialstaat. Die Leistungsträger werden sich keiner gewünschten Beratung entziehen können, die von einer Person unter 15 Jahren im Hinblick auf ihre individuelle sozialrechtsrelevante Situation im Zuständigkeitsbereich des Leistungsträgers erbeten wird, selbst wenn insoweit die Handlungsfähigkeit des Jugendlichen i. S. d. SGB nicht gegeben ist. § 36 Abs. 2 (durch den gesetzlichen Vertreter eingeschränkte Handlungsfähigkeit) kann jederzeit Rechnung getragen werden. Ebenso wird der Leistungsträger auch keine Beratung verweigern können, um die er von einer Person mit Wohnsitz bzw. gewöhnlichem Aufenthalt im Ausland gebeten wird, sofern Sozialrechtsverhältnisse berührt werden, wenn in absehbarer Zeit auch § 30 erfüllt sein wird; dies gilt insbesondere, wenn sich der Beratungswunsch gerade auf die Ausübung von Gestaltungsrechten nach Begründung von Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland bezieht, wie das typischerweise bei Flüchtlingen der Fall sein kann, die ihre Flucht nicht plötzlich antreten müssen. Das trifft insbesondere auf Personen mit befristetem Aufenthaltstitel zu, bei denen mangels aktueller Perspektive zum dauerhaften Verbleib in Deutschland der gewöhnliche Aufenthalt zumindest fraglich ist. § 14 oder andere Vorschriften des SGB I stehen auch keiner Beratung entgegen, die aufgrund europäischen oder sonstigen internationalen Rechts oder zwischenstaatlicher Abkommen beansprucht werden kann, selbst Staatenlose können die Beratung nach § 14 in Anspruch nehmen. Fälle der Ausstrahlung oder Einstrahlung (§§ 4, 5) schließen den Anspruch auf Beratung ebenfalls nicht aus.

 

Rz. 4a

Hat die Krankenkasse im Versorgungsverfahren die geschuldete fach- und sachgerechte Beratung verweigert, dann kann sie dem Begehren auf Erstattung der aufgewandten, aus Sicht der fachunkundigen Versicherten zur Gewährleistung eines ausreichenden Hörvermögens erforderlichen Mehrkosten der Hörgeräteversorgung nicht entgegenhalten, dass weitergehende Maßnahmen zur Abklärung der Notwendigkeit einer aufpreispflichtigen Versorgung in Betracht gekommen wären (LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil v. 6.9.2023, L 2 R 239/22). Ein individuelles Beratungsersuchen muss nur sinngemäß zum Ausdruck gebracht werden. Entsprechend all...

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