Die Erfahrungen aus verschiedenen Modellprojekten haben gezeigt, dass beim präventiven und intervenierenden Kinderschutz Handlungsbedarf besteht.

Prävention als Zielsetzung

Da die primäre Erziehungsverantwortung bei den Eltern liegt, soll Kinderschutz vor allem durch Unterstützung der Eltern erreicht werden. Diese Unterstützung soll präventiv, also bereits im Vorfeld von Beeinträchtigungen des Kindeswohls, angeboten werden, um eine Gefährdung oder gar eine Schädigung des Kindes zu verhindern. Daher sind bereits nach den vorhandenen Regelungen des SGB VIII Hilfen zur

·         Stärkung der Erziehungskompetenz der Eltern und

·         Unterstützung bei der Wahrnehmung der Erziehungsverantwortung in schwierigen Erziehungssituationen

vorgesehen.

Schwerpunktbereiche

Das Gesetz zur Kooperation und Information im Kinderschutz – KKG (Artikel 1 BKiSchG) sieht zur Verbesserung des präventiven Kinderschutzes Folgendes vor:

 

·         § 1 Abs. 4 KKG: Möglichst frühzeitiges, koordiniertes und multiprofessionelles Angebot im Hinblick auf die Entwicklung von Kindern (vor allem in den ersten Lebensjahren) für Mütter und Väter sowie schwangere Frauen und werdende Väter (Frühe Hilfen),

·         § 2 KKG: Information der Eltern über Unterstützungsangebote im örtlichen Einzugsbereich zur Beratung und Hilfe in Fragen der Schwangerschaft, Geburt und der Entwicklung des Kindes in den ersten Lebensjahren,

·         § 3 Abs. 1 KKG: Aufbau und Weiterentwicklung landesweit flächendeckender verbindlicher Strukturen (Netzwerke) auf örtlicher Ebene,

·         § 3 Abs. 2 KKG: Einbeziehung der Einrichtungen und Träger der öffentlichen und freien Jugendhilfe, Sozialhilfeeinrichtungen und Dienste, mit denen Verträge bestehen, Gesundheitsämter, Sozialämter, Gemeinsame Servicestellen, Schulen, Polizei- und Ordnungsbehörden, Agenturen für Arbeit, Krankenhäuser, sozialpädiatrische Zentren, interdisziplinäre Frühförderstellen, Schwangerschafts- und Beratungsstellen bei sozialen Problemlagen, Einrichtungen und Dienste zur Müttergenesung sowie zum Schutz gegen Gewalt in engen sozialen Beziehungen, Familienbildungsstätten, Familiengerichte und Angehörige der Heilberufe in das Netzwerk,

·         § 3 Abs. 4 KKG: Förderung des Einsatzes von Familienhebammen.

Frühe Hilfen

Frühe Hilfen sollen Elternkompetenzen von Anfang an stärken und dabei helfen,

·         die Entwicklungsmöglichkeiten der Kinder bestmöglich zu fördern,

·         Risiken für das Kindeswohl früh zu erkennen und

·         Gefährdungen systematisch abzubauen.

Frühe Hilfen sollen nach dem Willen des Gesetzgebers auch präventiv die drohende Vernachlässigung und den Missbrauch von Kindern verhindern, indem in belastenden Lebenslagen (z. B. psychische Erkrankung eines Elternteils, persönliche Gewalterfahrung der Eltern, Verschuldung, chronische Erkrankung des Kindes) Hilfe und Unterstützung gewährt wird. Das auf Bundesebene eingerichtete „Nationale Zentrum Frühe Hilfen“ bietet eine Plattform für Wissens- und Erfahrungsaustausch für Kommunen und Einrichtungen.

Netzwerke

Netzwerke sollen helfen, die Grenzen und Nachteile der einzelnen Leistungssysteme zu überwinden. Sie gewährleisten die Kooperation aller Akteure im Kinder- und Jugendschutz. Die Aufzählung in § 3 Abs. 2 KKG ist nicht abschließend. Sie erlaubt landesspezifische Ergänzungen. Die Praxistauglichkeit dieser Strukturen wird sich noch erweisen müssen. Angesichts der Vielzahl der Kooperationspartner und der Regelung in § 3 Abs. 2 Satz 2 KKG, wonach einer beteiligten Institutionen die Planung und Steuerung übertragen werden kann, erscheint das Funktionieren solcher Netzwerke nicht von vornherein gesichert. Im Übrigen wird zwar die Kooperationspflicht der öffentlichen Jugendhilfeträger gesetzlich vorgeschrieben, nicht aber eine Kooperationspflicht der übrigen öffentlich-rechtlich strukturierten oder mit öffentlichen Mitteln geförderten Stellen und Einrichtungen. Ausnahmen stellen die Schwangerschaftsberatungsstellen dar.

Familienhebammen

Familienhebammen haben eine - wenn nicht sogar die - Schlüsselrolle inne, wenn es darum geht, „Frühe Hilfen“ effektiv einzusetzen und die Informationsnetzwerke zu nutzen. Sie haben den unmittelbaren Zugang zu Familien in belastenden Lebenslagen und finden einen vertrauensvollen Umgang mit den Eltern. Sie können daher einen medizinischen oder psychosozialen Unterstützungsbedarf zu einem frühen Zeitpunkt umfassend einschätzen.

Familienhebammen haben eine wichtige Lotsenfunktion in regionalen Netzwerken. Zum einen handelt es sich um die  Leistung der Kinder- und Jugendhilfe. Zum anderen sind es medizinische Hebammenleistungen, die nach Maßgabe von Vorschriften des SGB V vergütet werden. Dies wird dadurch bestätigt, dass es sich um staatlich examinierte Hebammen mit Zusatzqualifikation handelt.