Unter dem Eindruck spektakulärer Fälle von Kindesmissbrauch/Vernachlässigung hat der Gesetzgeber bereits mit dem Kinder- u. Jugendhilfeweiterentwicklungsgesetz (KICK) v. 8.9.2005 § 8a SGB VIII als besondere Vorschrift zum Schutzauftrag bei Kindeswohlgefährdung eingeführt.

Der Schutzauftrag folgt aus dem in Art. 6 Abs. 2 Satz 2 GG normierten staatlichen Wächteramt. Mit dem BKiSchG werden die Vorschriften der §§ 8, 8a SGB VIII weiterentwickelt.

Anspruch auf Beratung

In § 8 Abs. 3 SGB VIII wird ein Anspruch von Kindern und Jugendlichen auf Beratung in Krisen- und Konfliktsituationen ohne Kenntnis des Personensorgeberechtigten normiert, der nicht mehr -  wie zuvor -  im Ermessen des Trägers steht.

Verfahren zur Gefährdungseinschätzung

Das Verfahren zur Einschätzung der Kindeswohlgefährdung und die dabei notwendigen Maßnahmen, wie etwa Anfragen bei anderen staatlichen Stellen und Hausbesuche, waren bisher nicht gesetzlich geregelt. Es gab zwar bereits Empfehlungen zur Festlegung fachlicher Verfahrensstandards in den Jugendämtern bei Gefährdung des Kindeswohls, doch es verblieben rechtliche Unsicherheiten. Diese werden durch die Neuregelungen in Art. 2 BKiSchG jedenfalls zum Teil beseitigt. In § 8a SGB VIII sind nunmehr Verfahrensregelungen zur Gefährdungseinschätzung enthalten. Die Schutzpflichten der freien Träger der Kinder- und Jugendhilfe aufgrund des privatrechtlichen Betreuungsvertrags werden mit den Aufgaben des Jugendamts verknüpft.

Persönlicher Eindruck und Hausbesuch

Bei Verdacht auf Kindeswohlgefährdung ist es zur Gefährdungseinschätzung nötig, dass Mitarbeiter des Jugendamts sich einen unmittelbaren Eindruck von dem Kind und seiner persönlichen Umgebung verschaffen, wenn dies nach fachlicher Einschätzung geboten ist (§ 8a Abs. 1 Satz 2 SGB VIII). Die Fachkräfte dürfen sich bei Verdacht auf Kindeswohlgefährdung also nicht auf die Aussagen der Eltern oder anderer Angehöriger verlassen. Sie müssen das Kind in seiner vertrauten Umgebung in Augenschein nehmen und sich ein Bild von dessen Verhalten, seinem körperlichen und geistigen Entwicklungsstand und seiner Wohnsituation machen. Wie bisher berechtigt die Vorschrift nicht dazu, einen Hausbesuch ohne Zustimmung des Wohnungsinhabers durchzuführen. Bei Gefahr für Leib oder Leben des Kindes muss die Polizei eingeschaltet werden. Der spezifische Schutzauftrag von Einrichtungen und Diensten, denen der öffentliche Jugendhilfeträger Aufgaben überträgt, muss gemäß § 8a Abs. 4 SGB VIII in einer Vereinbarung detailgenau geregelt werden.

Fachliche Beratung und Begleitung

Kinder- und jugendnahe Berufsgruppen sowie Träger von Einrichtungen, in denen Kinder und Jugendliche untergebracht sind, haben Anspruch auf Beratung

·               in Fragen der Einschätzung einer Kindeswohlgefährdung bzw.

·               bei der Entwicklung und Anwendung fachlicher Leitlinien zur Sicherung des Kindeswohls und zum Schutz vor Gewalt.

 

Dies geht auf die Diskussionen und Anregungen des Runden Tisches „Sexueller Kindesmissbrauch“ zurück.

Weitergabe von Informationen

Der Schutz der Privatsphäre verbietet grundsätzlich die Weitergabe von Informationen aus dem persönlichen Lebensbereich. Für die sog. Berufsgeheimnisträger stellt § 203 StGB die Weitergabe eines zum persönlichen Lebensbereich gehörenden Geheimnisses durch diese Personen sogar unter Strafe. § 4 KKG berechtigt die dort genannten Berufsgeheimnisträger[1] bei Vorliegen einer Gefährdung des Kindeswohls unter bestimmten Voraussetzungen zur Weitergabe von Informationen an das Jugendamt. Zunächst allerdings ist zu prüfen, ob und inwieweit ein Gespräch mit dem Kind oder Jugendlichen und den Personensorgeberechtigten Erfolg verspricht. Somit handeln diese Berufsgeheimnisträger nicht mehr unbefugt i. S. d. § 203 StGB und der Rückgriff auf strafrechtliche Rechtfertigungs- und Entschuldigungsgründe ist insoweit entbehrlich.

Für den Fall des Wohnortwechsels oder eines Zuständigkeitswechsels des Jugendhilfeträgers aus anderen Gründen gewährleistet § 8a Abs. 5 SGB VIII, dass dem für die Leistungsgewährung zuständigen örtlichen Träger Anhaltspunkte für die Gefährdung des Kindeswohls mitgeteilt werden. Damit kann dieser die erforderlichen Maßnahmen ergreifen. Auf diese Weise soll auch das sogenannte „Jugendamt-Hopping“ unterbunden werden.

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[1] Ärzte, Hebammen, Psychologen, Ehe-, Familien-, Erziehungs- und Jugendberater sowie Berater für Suchtfragen und Mitarbeiter einer Beratungsstelle nach dem Schwangerschaftskonfliktgesetz, Sozialarbeiter, Sozialpädagogen und Lehrer