Verfahrensgang

LG Ravensburg (Urteil vom 04.03.1985; Aktenzeichen 1 KfH O 272/85)

 

Tenor

1. Auf die Berufung der Kläger wird das Urteil der 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Ravensburg vom 4. März 1985

abgeändert.

Der Beklagten wird im Wege der einstweiligen Verfügung bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache untersagt, den Widerruf der Bestellung der Geschäftsführer Dr. M. F. und Dr. K. S. durch die Beschlüsse des Aufsichtsrats der Beklagten vom 9. Februar 1985 als wirksam zu behandeln, insbesondere den Widerruf der Bestellungen zur Eintragung beim Handelsregister anzumelden.

2. Für jeden Fall der Zuwiderhandlung wird der Beklagten Ordnungsgeld bis zu 500.000 DM oder (auch für den Fall, daß das Ordnungsgeld nicht beigetrieben werden kann) an den zuwiderhandelnden Geschäftsführern zu vollziehende Ordnungshaft bis zu 6 Monaten angedroht.

3. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Streitwert: 200.000 DM.

 

Tatbestand

Die Beklagte ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung, die den Vorschriften des Mitbestimmungsgesetzes unterliegt. Die Kläger sind die sechs Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer des 12-köpfigen Aufsichtsrats der Beklagten. Die Kläger Ziffer 1 und 2 sind außerdem Mitglieder des Ausschusses nach § 27 Abs. 2 MitbestG, der bei der Beklagten nach § 7 Abs. 4 in Verbindung mit § 13 Abs. 3 ihrer Satzung Präsidium genannt wird. Die Beklagte hat als satzungsmäßiges Organ außerdem einen Gesellschafterausschuß, dem der von den Gesellschaftern gewählte Aufsichtsratsvorsitzende und weitere durch Beschluß der Gesellschafter gewählte Mitglieder angehören, darunter zur Zeit die von den Anteilseignern auch als Aufsichtsratsmitglieder gewählten Herren D. und Dr. E..

Zum 5. Februar 1985 wurden die Mitglieder des Aufsichtsrats der Beklagten zu einer Sitzung über den Tagesordnungspunkt „Vorstandsangelegenheiten” einberufen. Einen Tag zuvor, also am 4. Februar 1985, fand eine Sitzung des Präsidiums statt. Auf beiden Sitzungen stellte der Aufsichtsratsvorsitzende T. die Anträge zur Diskussion, den Sprecher des Vorstandes, Dr. M. F., der erst im September 1984 bestellt worden war, und das Vorstandsmitglied Dr. S., der seit über 20 Jahren dem Vorstand der Beklagten oder einer ihrer Tochtergesellschaften angehörte, abzuberufen und fristlos zu entlassen und statt dessen das bisherige Vorstandsmitglied H. zum Sprecher zu wählen und als weiteres Vorstandsmitglied den Geschäftsführer der Tochtergesellschaft D. R. GmbH, L., zu berufen. Für die geltend gemachten Gründe der Abberufung und fristlosen Entlassung wird auf das Protokoll der Aufsichtsratssitzung vom 5. Februar 1985 (Anl. 1/13) verwiesen. Da die Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer eine weitere Aufklärung für erforderlich hielten, einigte man sich darauf, am Samstag, 9. Februar 1985, eine weitere Aufsichtsratssitzung durchzuführen, als deren Tagesordnungspunkte die oben genannten Anträge aufgeführt wurden.

Am 8. Februar 1985 gewährte der Aufsichtratsvorsitzende dem Kläger Ziffer 2 in Frankfurt Einsicht in eine Reihe von Schriftstücken. Um welche Schriftstücke es sich dabei handelte, ist im einzelnen streitig; unstreitig war das Schreiben des Geschäftsführers Dr. F. an Herrn T. vom 22. Februar 1985 (Anl. K 17 = Bl. 198 der beigezogenen Akten 2 U 52/85) nicht darunter. Die Anfertigung von Kopien für die übrigen Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer wurde vom Aufsichtsratsvorsitzenden T. nicht gestattet.

In der Aufsichtsratssitzung vom 9. Februar 1985 äußerten die Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer wieder die Auffassung, sie seien noch nicht ausreichend informiert, es sei erforderlich, den Betroffenen Gelegenheit zur Stellungnahme gegenüber dem Aufsichtsrat zu geben (wie es Dr. S. in einem Schreiben an alle Aufsichtsratsmitglieder vom 7. Februar 1985 für sich gewünscht hatte, Anl. 9/1 der Akten 2 U 52/85). Sie beanstandeten weiter, daß sie erst aus dem Platow-Brief erfahren hätten, daß für den 14. Februar 1985 eine Gesellschafterversammlung einberufen worden war mit dem Antrag, die Zusammensetzung des Aufsichtsrats zu ändern. Sie beantragten, die Aufsichtsratssitzung auf einen Zeitpunkt nach dem 14. Februar 1985 zu vertagen. Die sechs Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer stimmten für diesen Antrag, die sechs Aufsichtsratsmitglieder der Anteilseigner dagegen, so daß der Antrag keine Mehrheit fand. Der Kläger Ziffer 1 erklärte daraufhin, nachdem den Klägern keine Gelegenheit gegeben worden sei, sich weiter zu informieren, sähen sie sich außerstande, weiter an der Sitzung teilzunehmen. Sie verließen den Raum. Der Protokollführer, Dr. W., verteilte nun Einladungen zu einer Präsidiumssitzung gemäß § 31 Abs. 3 MitbestG auf 18.00 Uhr, zu einer weiteren Aufsichtsratsitzung gemäß § 31 Abs. 3 letzter Satz MitbestG auf 18.30 Uhr und zur dritten Aufsichtsratsitzung gemäß § 31 Abs. 4 MitbestG auf 19.00 Uhr. Es ist streitig, ob diese Einladungen auch den Klägern Ziffer 1 und 2 ausgehändigt wurden.

Zu den vorgesehenen Zeitpunkten waren nur...

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