Hendrik Schlünsen, Dr. Peter Schentler
Potenziale eines digitalen Einkaufs
Es gibt zahlreiche Möglichkeiten, um Nutzen aus der Digitalisierung im Einkauf zu ziehen. Abb. 3 gibt eine Übersicht und clustert Anwendungsfälle in vier Bereiche:
- Operational Sourcing
- Process & Workflow Efficiency
- Savings Prediction
- Procurement Controlling & Reporting.
Abb. 3: Anwendungsfälle im Einkauf
Um die Potenziale greifbar zu machen, wird nachfolgend ein Beispiel für jeden der vier Bereiche vorgestellt. Damit werden die Anwendungsfälle neuer Technologien für klassische Fragestellungen im Einkauf illustriert.
3.1 Operational Sourcing: Anwendungsbeispiel intelligente Lieferantenerkennung
Zeitaufwändige Lieferantensuche
Ausgangssituation: Individuelle Suche nach potenziellen Lieferanten, zeitaufwendige Prozedur, geringe Berücksichtigung mehrsprachiger und synonymverwendender Suchansätze.
Systematische Lieferantenanalysen
Lösung: Intelligentes Lieferanten-Identifikationstool, das Daten verschiedenster Quellen sucht, aufbereitet und analysiert, um für die Anfrage/das Projekt ein Portfolio qualifizierter Lieferanten zu erstellen.
Notwendige Daten: Interner Lieferantendatenbestand inkl. strategischer Aspekte sowie Sperrungen von Lieferanten, externe Lieferantendatenbestände (öffentliche Datenbanken, Handelskammern, Wirtschaftsforen, Blogs etc.), öffentliche Suchmaschinen, übersetzte Suchinhalte, Synonyme und abweichende Beschreibungen der eingegebenen Daten, Daten von Lieferantenselbstauskünften und sozialen Netzwerken.
Strategisches Lieferantennetzwerk
Nutzen: Automatische Suche geeigneter Lieferanten, Nutzung künstlicher Intelligenz zur Vermittlung geeigneter Handelspartner und zum Aufbau eines strategischen Lieferantennetzwerks, Miteinbeziehung externer Daten (z. B. Blogs, Webpages), Miteinbeziehung mehrsprachiger Daten und Informationen, automatische Identifikation von (Begriffs-)Ähnlichkeiten, kontinuierliche Entwicklung des Lieferantennetzwerks.
3.2 Process & Workflow Efficiency: Anwendungsbeispiel Lieferanten-Performance & Risikomanagement
Uneinheitliche Risikoeinschätzung
Ausgangssituation: Uneinheitliche Lieferantenbewertung und Risikoanalyse, geringe Betrachtung möglicher Einflüsse durch die politische, rechtliche, geografische und wirtschaftliche Situation unterschiedlicher Länder, keine Berücksichtigung von 2nd-/3rd-Tier-Lieferanten, reaktive Maßnahmen statt proaktiver Mitigationsmaßnahmen.
Lieferantenbewertungstools und Risikoanalysen
Lösung: Integration in Lieferantenbewertungstools, in Risikoanalysen in den Ausschreibungsprozess, automatisches Warnsystem, automatisierte Anpassung der Lieferantenbewertung durch Ergebnisse der Risikoanalyse, Definition von Early Warning Indicators, Transparenz über Zulieferkette des Lieferanten, Integration von Länderratings in die Bewertung der Zulieferkette.
Notwendige Daten: KPIs, Lieferantenbewertungen (aus vergangenen Aufträgen), veröffentlichte Finanzdaten und Pressemitteilungen des Lieferanten, geografische Lage der Lieferanten, politische, rechtliche, wirtschaftliche und geografische Situation im Lieferantenland, Echtzeit-Daten und Informationen über Märkte und Lieferanten, Informationen über Lieferanten des Lieferanten.
Besseres Risikomanagement für Prognosen
Nutzen: rechtzeitige Information über ein potenzielles Ausfallrisiko des Lieferanten kann als Verhandlungsbasis mit Lieferanten dienen, Berücksichtigung interner und externer Faktoren in Echtzeit, Echtzeitanalyse länderspezifischer Nachrichten und Lieferanteninformationen, Alarmmodus, um auf potenzielle Risiken hinzuweisen (s. auch Abb. 4).
Abb. 4: Illustrative Darstellung eines Verhandlungs-Dashboards
3.3 Savings Prediction: Anwendungsbeispiel Rohstoffpreisprognose
Grobe Planung
Ausgangssituation: Mittelfristige Beschaffungsstrategien für Rohstoffe erfolgen anhand von mittelfristiger Unternehmensplanung, historischer Preisentwicklung, Anwendung ökonometrischer Methoden sowie der Vereinbarung von Preisgleitklauseln in Verträgen.
Langfristige, datenbasierte Strategie
Lösung: Aufbau eines Dashboards, das strukturierte und unstrukturierte Daten über den Rohstoff sowie Kopplungsprodukten aus unterschiedlichen Quellen sammelt, aggregiert und analysiert und in einen Zusammenhang zu der historischen Preisentwicklung stellt. Auf dieser Basis lassen sich mithilfe präskriptiver Verfahren Szenarien für die Preisschwankungen und deren Konsequenzen ableiten und damit eine langfristige Absicherungsstrategie entwickeln. Verbindung historischer unternehmensinterner Daten mit aktuellen Forecasts des Vertriebs zur Ableitung benötigter Mengen.
Notwendige Daten: Historische Preisentwicklungen von Rohstoffen, wirtschaftliche, politische, geografische und rechtliche Informationen zu unterschiedlichen Ländern, Expertenaussagen, Rohstoffreserven und angeforderte Volumina, aktuelle Nachfragesituation der Rohstoffe, Transportkosten etc.
Kostenanalysen verbessern Strategiequalität
Nutzen: Möglichkeit zur Erarbeitung einer langfristigen Rohstoffstrategie und idealen Kaufzeitpunkten und Mengen. Definition von Ansatzpunkten für ein Natural Hedging und verbesserte Abschätzung zukünftiger Kosten.
Abb. 5 stellt beispielhaft eine Expertenschätzung und einen Predictive Forecast für einen Rohstoff gegenüber, woraus (auch unter Berücksichtigung von Worki...