3.4.1 Die Gründungsphase

Unter Kenntnis dieser Mechanismen kann die Entwicklung der Steuerungsaufgaben in Start-Ups wie folgt beschrieben werden. In der Gründungsphase erfolgt die Koordination dominant in Form der Selbstabstimmung. Das Gründungsteam kommt gemeinsam zu Entscheidungen, was wie zu tun ist. Damit das Gründungsteam diese Aufgabe erfolgreich meistern kann, bedarf es zunächst einer gemeinsamen Einstellung zu dem, was mittels des Start-Ups geschaffen werden soll, was wichtig und was unwichtig ist. Hiermit sind die gemeinsamen Werte und Normen angesprochen, die oben als eigenes MCS (kulturelle Steuerungsmechanismen) vorgestellt wurden. Eine zweite Bedingung für Führungserfolg ist eine intensive, nicht durch kognitive Biases oder Opportunismus verzerrte Interaktion.[1] Ohne sie können die sich täglich neu stellenden Probleme eines Start-Ups in der Gründungsphase nicht gut gelöst werden.

Das Gründungsteam muss aber nicht nur gut zusammenarbeiten, sondern auch heterogen genug besetzt sein, um den unterschiedlichen fachlichen Anforderungen zu genügen und eine ausreichende Breite vertretener Rollen und Typen aufzuweisen. Ein intensives Zusammenspiel von hinsichtlich fachlicher Skills und persönlicher Eigenschaften unterschiedlichen Teammitgliedern ist die beste Gewähr dafür, die anfangs im Start-Up herrschende hohe Unsicherheit (Richtiges Produkt? Hinreichend große Nachfrage? …) bewältigen zu können. In dieser Phase bedarf es kaum formeller Instrumente, mit Ausnahme einer funktionierenden Liquiditätsplanung.

[1] Vgl. im Überblick Schäffer/Weber, 2016.

3.4.2 Die Wachstumsphase

Wenn die Gründungsidee Erfolg hat, kann das Start-Up wachsen und die Gründungsphase verlassen. Mit dem Erfolg ist Wachstum verbunden, hinsichtlich des Umsatzes ebenso wie bezogen auf personelle und andere Ressourcen. Damit steigt auch die Komplexität der Führungsaufgabe. Mit dem sich vollziehenden Wachstum muss damit die weiterhin dominierende Selbstabstimmung immer mehr durch Elemente einer Koordination durch Pläne ergänzt werden. Start-Ups führen an dieser Stelle weitere Planungsinstrumente ein (wie z. B. eine detailliertere Personalplanung) und messen systematisch den entstehenden Erfolg (Performance Measurement). Ein Teil dieses verstärkten Rückgriffs auf formale Instrumente wird durch neu eingestellte Akteure (z. B. einem in etablierten Unternehmen erfahrenen Finanzspezialisten) oder auch durch Unternehmensexterne angestoßen, wie etwa dann, wenn ein Investor die Aufstockung seines Anteils mit der Einführung einer systematischen Ergebnisplanung verknüpft.

Durch die wachstumsbedingt mögliche zunehmende Spezialisierung der Aufgaben und die damit verbundenen dezentralen Entscheidungsspielräume wird weiterhin auch der Koordinationsmechanismus persönliche Weisungen stärker relevant, wie es vergleichbar auch in traditionellen Unternehmen zutrifft; nicht für alle wichtigen Themen braucht man stets das gesamte Gründungsteam. Schließlich finden sich verstärkt Aufgabenbereiche, die am besten durch Programme koordiniert werden. Das mit der Zeit deutlich gestiegene Wissen bzw. die dadurch reduzierte Unsicherheit lässt dort feste Handlungsroutinen zu.

3.4.3 Die Etablierungsphase

Nach weiterem Wachstum und Expansion erreicht der Start-Up schließlich die Phase der Etablierung. Hier erfolgt die Steuerung so, wie sie aus etablierten Unternehmen bekannt ist. Der Einfluss des Gründungsteams ist im Vergleich zur Gründungsphase deutlich reduziert, die Entscheidungskompetenz stärker aufgeteilt. Formalisierte MCS durchziehen die gesamte Führung, auch wenn die Werte und Normen noch eine wichtige Rolle spielen – sie sind zumindest in den Köpfen der Mitarbeiter, die den Aufstieg des Start-Ups mitgemacht und mitgeprägt haben, noch fest verankert.

Neben dieser hohen Übereinstimmung der Werte und Normen haben "erwachsen gewordene" Start-Ups noch einen zweiten Vorteil gegenüber einem "normalen" etablierten Unternehmen. Die Führungsstrukturen und -prozesse haben ihren Ursprung in einer Phase hoher Unsicherheit genommen. Diese Phase liegt noch nicht lange zurück, sondern ist in den Köpfen vieler Akteure noch allgegenwärtig. Damit besteht eine (deutlich) höhere Anpassungsfähigkeit der ehemals kleinen Start-Ups an volatile Marktbedingungen, als sie für traditionelle Unternehmen zutrifft. Letztere müssen die Entwicklung ihrer Plankoordination in Richtung höherer Unsicherheit erst noch lernen. Hier besteht derzeit in vielen Unternehmen ein wesentlicher Handlungsbedarf.[1]

Abb. 9 fasst die Aussagen zum Zusammenhang zwischen den Lebenszyklusphasen eines Start-Ups und den Koordinationsmechanismen zusammen.

Abb. 9: Schematische Darstellung der Bedeutung unterschiedlicher Koordinationsmechanismen in den einzelnen Phasen des Lebenszyklus eines Start-Ups

[1] Vgl. Schäffer/Weber, 2019.

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