[Ohne Titel]

Dipl.-Fw. Karl-Heinz Günther[*]

[*] Der Autor ist Regierungsdirektor a.D. und war stellvertretender Vorsteher bei einem Finanzamt.

1. Problem

Grundlagenbescheide haben Bindungswirkung für Folgebescheide (§ 182 Abs. 1 AO). Stimmen Grundlagenbescheid und Folgebescheid nicht überein, ist das FA verpflichtet, die Übereinstimmung über eine Bescheidänderung nach § 175 Abs. 1 Nr. 1 AO herzustellen. Dies gilt natürlich nur, soweit für den Folgebescheid die Festsetzungsfrist noch nicht abgelaufen ist, wobei der Grundlagenbescheid eine besondere Ablaufhemmung (§ 171 Abs. 10 AO) auslöst. Welche Auswirkungen dies im Einzelfall haben kann und worauf betroffene Steuerpflichtige besonders achten sollten, zeigt der nachfolgende Praxisfall.

2. Sachverhalt

A ist selbständig tätiger Allgemeinmediziner und ermittelt seinen Gewinn nach § 4 Abs. 3 EStG durch Überschussrechnung. Außerdem ist er als Kommanditist zu 20 % an der D-KG beteiligt. Ehefrau B betreibt eine Modeboutique und ist zu ¼ an einer Erbengemeinschaft beteiligt, die ein Mehrfamilienhaus vermietet.

In ihrer Einkommensteuererklärung 2014 erklären die Eheleute folgende Einkünfte:

 
Einkünfte § 18 EStG A 110.000 EUR
Beteiligung D-KG 15.000 EUR
Einkünfte § 15 EStG B 25.000 EUR
Beteiligung Erbengemeinschaft 5.000 EUR
Einkünfte insgesamt: 155.000 EUR

Im insoweit endgültig ergangenen Einkommensteuerbescheid 2014 vom 25.11.2015 wurden die erklärten Einkünfte ohne Abweichung übernommen. Bei Durchführung der Veranlagung lag dem FA eine ESt4B-Mitteilung über den in 2015 ergangenen Gewinnfeststellungsbescheid 2014 der D-KG mit einem auf A entfallenden Gewinnanteil i.H.v. 15.000 EUR vor.

Der Feststellungsbescheid über die 2014 erzielten Vermietungseinkünfte der Erbengemeinschaft erging aufgrund von Schwierigkeiten bei der Beschaffung von Unterlagen durch die zerstrittene Erbengemeinschaft erst am 15.6.2018 und weist für B einen Einkünfteanteil i.H.v. 1.000 EUR aus. Der Bearbeiter des Wohnsitz-FA, ein Auszubildender, heftete die hierzu gehörige ESt4B-Mitteilung ab, ohne eine Auswertung vorzunehmen, weil er rechtsirrtümlich der Meinung war, der erklärte Wert könne aufgrund der Rechtskraft des Erstbescheides nicht mehr geändert werden.

In 2017 fand bei der D-KG eine Außenprüfung statt, die im November 2020 zum Erlass eines geänderten Gewinnfeststellungsbescheids für 2014 führte und für A einen geänderten Gewinnanteil i.H.v. 18.000 EUR ausweist. Daraufhin erlässt das für A und B zuständige Wohnsitz-FA am 5.1.2021 einen geänderten Einkommensteuerbescheid für 2014, in dem der geänderte Gewinnanteil des A i.H.v. 18.000 EUR berücksichtigt ist. Gegen diesen Bescheid legen A und B fristgerecht Einspruch ein, mit dem sie geltend machen, der Änderungsbescheid hätte nicht mehr ergehen dürfen, weil die Festsetzungsfrist für die Einkommensteuer 2014 bereits am 31.12.2019 abgelaufen sei. Außerdem betrage der Einkünfteanteil der Ehefrau an der Erbengemeinschaft nicht 5.000 EUR, sondern lediglich 1.000 EUR.

Bei Bearbeitung des Einspruchs stellt der zuständige Bearbeiter fest, dass die für B in 2018 ergangene ESt4B-Mitteilung bislang noch nicht ausgewertet worden ist.

3. Lösung:

a) Beteiligungseinkünfte Ehemann

Der in 2020 ergangene geänderte Gewinnfeststellungsbescheid 2014 für die D-KG ist als Grundlagebescheid für den Einkommensteuerbescheid 2014 der Eheleute A-B bindend (§ 182 Abs. 1 AO). Insoweit besteht für das Wohnsitz-FA Anpassungspflicht über die Änderungsnorm des § 175 Abs. 1 Nr. 1 AO. Die ist allerdings nur möglich, sofern die Festsetzungsfrist noch nicht abgelaufen ist.

Festsetzungsfrist: A weist im Einspruchsverfahren zwar darauf hin, dass die Festsetzungsfrist für 2014 in 2021 bereits abgelaufen sei (Beginn: mit Ablauf des 31.12.2015, Ende: mit Ablauf des 31.12.2019). Allerdings hat er dabei übersehen, dass nach § 171 Abs. 10 AO die Festsetzungsfrist nicht vor Ablauf von zwei Jahren nach Bekanntgabe des Grundlagenbescheids endet. Grundlagenbescheid ist hier der in 2020 ergangene geänderte Gewinnfeststellungsbescheid 2014 für die D-KG, der die zweijährige Ablaufhemmung des § 171 Abs. 10 AO auslöst ungeachtet der Tatsache, dass die reguläre Festsetzungsfrist des Einkommensteuerbescheides bereits zum 31.12.2019 abgelaufen ist. Dies gilt jedoch nicht bezüglich der Gewinneinkünfte des A, da insoweit die Ablaufhemmung des § 171 Abs. 10 AO das Festsetzungsfristende für die Einkommensteuer bis November 2022 hinausschiebt, um dem Wohnsitz-FA Gelegenheit zu geben, den geänderten Grundlagenbescheid im Folgebescheid umzusetzen. Das FA hat daher den Einkommensteuerbescheid 2014 insoweit zu Recht zu Lasten des A nach § 175 Abs. 1 Nr. 1 AO geändert und den Gewinnanteil an der D-KG mit 18.000 EUR angesetzt.

b) Beteiligungseinkünfte Ehefrau

Die Beteiligungseinkünfte wurden von den Eheleuten in ihrer Einkommensteuererklärung 2014 mit 5.000 EUR angegeben und auch in der Höhe mit endgültigem Einkommensteuerbescheid 2014 vom 25.11.2015 veranlagt. Der nachfolgend erst am 15.6.2018 ergangene Feststellungsbescheid verpflichtete das Wohnsitz-FA zur Anpassung des Einkommensteuerbescheides an den Feststellungsbescheid (G...

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